Buschmann: „Bauchspeck“ an Bürokratie nicht über Nacht weg

Bürger und Unternehmen klagen über zu viel Bürokratie in Deutschland. Die Bundesregierung will das Vorschriften-Dickicht per Gesetz eindämmen. Die Wirtschaft sieht darin nur einen ersten Schritt.
Überkomplexe Gesetze lähmen Deutschland: Der Ruf nach einer Föderalismusreform und vereinfachten Prozessen wird lauter.
Überkomplexe Gesetze lähmen Deutschland.Foto: Sebastian Christoph Gollnow/dpa
Epoch Times13. März 2024

Bundesjustizminister Marco Buschmann hat Verständnis für kritische Stimmen aus der Wirtschaft geäußert, denen das neue geplante Gesetz zum Bürokratieabbau nicht weit genug geht.

Trotz der geplanten Entlastungen hätten „die Menschen in der Wirtschaft recht, weil wir haben es natürlich in Deutschland bei der Bürokratie zu einer Weltmeisterschaft gebracht“, sagte der FDP-Politiker im ARD-Morgenmagazin.

„Das ist so ein bisschen, wie wenn man sich über Jahre so einen Bauch an Bauchspeck anfrisst, den kriegt man nicht über Nacht mit einem Knopfdruck weg. Aber wir müssen ja mal anfangen. Und der erste Schritt, den wir jetzt gemacht haben, ist schon ganz beachtlich.“

Kabinett beschließt Gesetzentwurf

Das Bundeskabinett hatte heute das vierte „Bürokratieentlastungsgesetz“ (BEG IV) auf den Weg gebracht. Durch das Gesetz soll die Wirtschaft um rund 944 Millionen Euro pro Jahr entlastet werden, so das Bundesjustizministerium.

„Der Bürokratiekostenindex fällt dadurch auf sein Allzeittief“, sagte Minister Marco Buschmann (FDP) dazu. Konkret sieht das Gesetz vor, die Aufbewahrungsfristen von Dokumenten zu verkürzen sowie Meldepflichten anzuschaffen. Zudem soll die Umstellung auf digitale Kommunikation mit Behörden ermöglicht werden.

Das Gesetz sei einer von drei Bausteinen eines Pakets, das insgesamt eine Entlastungswirkung von über drei Milliarden Euro im Jahr bringen solle. „Das ist schon mal das größte Bürokratieentlastungspaket, das es je in der Geschichte dieses Landes gab“, so Buschmann.

Man müsse aber nicht nur Bürokratie abbauen, sondern dürfe auch keine neue aufbauen. Das sei auch Aufgabe der Europäischen Union. „In einer Zeit, wo wir Fachkräftemangel haben, dürfen wir die Leute nicht mit Zettelkram beschäftigen, sondern die müssen sich auf ihre produktiven Tätigkeiten konzentrieren können.“

Die geplanten Änderungen betreffen unterschiedliche Bereiche, so etwa das Handelsgesetzbuch, das Umsatzsteuergesetz, das Bundesmeldegesetz und das Unterhaltsvorschussgesetz. Beispielsweise sollen deutsche Staatsbürger in Hotels demnächst keine Meldezettel mehr ausfüllen müssen. Das Gesetz muss noch von Bundesrat und Bundestag beraten und beschlossen werden.

Richterbund: Buschmann tut intern das Gegenteil

Der Richterbund (DRB) warf Buschmann unterdessen vor, in seinem eigenen Bereich keine Bürokratie abzubauen. DRB-Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn sagte der „Rheinischen Post“ (Donnerstagsausgabe): „Es ist richtig, dass die Ampelkoalition das Bürokratie-Dickicht für die Wirtschaft lichten will.

In seinem eigenen Zuständigkeitsbereich tut der Bundesjustizminister leider eher das Gegenteil.“

Rebehn ergänzte: „Das von Marco Buschmann forcierte Cannabisgesetz entpuppt sich als Bürokratiemonster, den Strafprozess will der Justizminister mit überflüssigen Aufzeichnungs- und Protokollpflichten noch schwerfälliger machen, gegen Schwarzfahrten in Bussen und Bahnen soll nach Buschmanns Plänen künftig eine neue Bußgeld-Bürokratie mit Knöllchen einschreiten.“

Das seien nur drei Beispiele für Bürokratieaufbau, so Rebehn. Zugleich komme „die viel beworbene Digitalisierungsoffensive des Ministers für die Justiz, die den Zugang zum Recht für Verbraucher und Unternehmen vereinfachen soll, viel zu langsam voran“, kritisierte der DRB-Bundesgeschäftsführer.

SPD: Gesetz „nicht ausreichend“

Der mittelstandspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Esra Limbacher, hält derweil den vom Kabinett verabschiedeten Gesetzentwurf zum Bürokratieabbau für nicht ausreichend.

Limbacher sagte der „Rheinischen Post“, das neue Bürokratieentlastungsgesetz sei zwar ein wichtiger Schritt nach vorne „und ein Baustein in einer ganzen Fülle von notwendigen Maßnahmen zur Bürokratieentlastung in Deutschland“, diese Vorschläge alleine reichten aber natürlich nicht aus. „Notfalls muss in dieser Wahlperiode ein weiteres Bürokratieentlastungsgesetz folgen.“

In weiten Teilen der deutschen Politik gebe es beim Bürokratieabbau kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsproblem. „Das müssen wir endlich ändern“, sagte Limbacher.

„Sichern alles ab – und ersticken daran“

Für die Vorsitzende des Startup-Verbands, Verena Pausder, ist das geplante Gesetz ein guter Schritt, dem aber weitere folgen müssen. „Ich hoffe, dass da noch viele weitere Bürokratieentlastungsgesetze kommen“, sagte sie im Deutschlandfunk. „Ich glaube, wir müssen sozusagen mal kollektiv ausmisten.“ Sie erklärte:

Wir tun uns einfach wahnsinnig schwer, in Deutschland Dinge wieder abzuschaffen, die wir einmal eingeführt haben, auch wenn sie keinen Sinn mehr machen.“

Warum dürfe man etwa einen Arbeitsvertrag nicht digital unterschreiben? Sie nannte auch das Fachkräfteeinwanderungsgesetz. „Wenn die Visa-Verfahren so lange dauern, dann bringt uns das eben nicht so viel, weil die Menschen dann trotzdem ewig warten, bis sie in einem Job ankommen“, sagte sie.

In Deutschland dauere es unglaublich lange, ein Unternehmen zu gründen und sich durch die Bürokratie durchzuarbeiten. „In anderen Ländern kann man innerhalb von einem Tag ein Unternehmen gründen“, sagte Pausder.

In Deutschland werde immer versucht, den möglichen Fall eines Missbrauchs abzusichern. „Wir sind einfach die, die lieber das Risiko auf jeden Fall ausschließen, statt an der Chance zu partizipieren. Und das sieht man eben auch bei Bürokratie. Wir sichern alles in alle Richtungen ab, und am Ende ersticken wir daran.“ (dpa/dts/red)



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