CDU gewinnt deutlich die Berlin-Wahl – Bundespartei sieht klaren Regierungsauftrag

Die politischen Verhältnisse im Land Berlin verändern sich grundlegend. Offen ist noch der Kampf um Platz zwei, Hochrechnungen sehen Berliner FDP nicht mehr in Abgeordnetenhaus.
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Kai Wegner (CDU) am 12.02.2023.Foto: über dts Nachrichtenagentur
Von 12. Februar 2023

CDU-Generalsekretär Mario Czaja hat den Anspruch erhoben, dass die CDU mit Spitzenkandidat Kai Wegner die künftige Regierung in Berlin anführt. „Der Regierungsauftrag liegt bei Kai Wegner“, sagte Czaja am Sonntag in der ARD.

Nach einer Prognose der ARD (18:00 Uhr) erreichte die CDU 27,8 Prozent, die Grünen erreichten im Mittel 18,7 und die SPD 18,7 Prozent. In anderen Meldungen heißt es, dass die Grünen leicht vor der SPD liegen. Auf Rang vier landet die Linke mit im Schnitt 12,1 Prozent. Dahinter folgt die AfD mit 9,2 Prozent.

Die Sitzverteilung: CDU 47, SPD 32, Grüne 32, Linke 21, AfD 15. An der Wahl beteiligten sich laut den Prognosen 63,5 bis 65 Prozent der Wähler. 2021 waren es 75,4 Prozent.

Die Wiederholungswahl verändert damit die politischen Verhältnisse in der Stadt. Nach demokratischer Gepflogenheit liegt der Auftrag zur Regierungsbildung bei der CDU als stärkster Kraft im Abgeordnetenhaus.

„Berlin hat den Wechsel gewählt“, sagte Kai Wegner am Sonntagabend nach Schließung der Wahllokale vor jubelnden Anhängerinnen und Anhängern. „Unser Auftrag ist es, jetzt eine stabile Regierung zu bilden.“

Der 50-Jährige fügte an, er danke den Wählerinnen und Wählern „für diesen klaren Regierungsauftrag“. Er und die CDU wollten nun dafür sorgen, dass die Stadt wieder „zusammengeführt“ werde. „Wir wollen die ganze Stadt in den Blick nehmen.“ Sein Ziel sei eine neue Berliner Regierung, die „vertrauensvoll“ zusammenarbeite, sagte Wegner. „Wir wollen eine erfolgreiche Berlin-Koalition anführen, und dafür werden wir in den nächsten Tagen Gespräche führen.“

FDP wohl nicht mehr vertreten

Nach der Wiederholungswahl zum Berliner Abgeordnetenhaus vom Sonntag sehen Hochrechnungen von ARD und ZDF die FDP nicht mehr im Landesparlament.

Während die ARD die Liberalen in der Hauptstadt bei 4,5 Prozent verortete, lag die Partei laut ZDF bei 4,8 Prozent. Bei der Wahl vom September 2021, die nun wegen Pannen wiederholt wurde, hatte die FDP 7,1 Prozent erreicht.

Klarer Auftrag zur Regierungsbildung

Die Bundes-CDU sieht einen klaren Regierungsauftrag für ihren Spitzenkandidaten bei der Abgeordnetenhauswahl in Berlin. Kai Wegner habe „ein fantastisches Ergebnis“ errungen und einen eindeutigen Wählerauftrag für die Regierungsbildung, sagte CDU-Generalsekretär Mario Czaja am Sonntagabend nach Schließung der Wahllokale. „Die jetzige Regierung ist abgewählt.“

„Wir können einer Großstadt Verantwortung übernehmen“, sagte Czaja. „Das ist ein guter Tag für Berlin.“ Jetzt gehe es darum, „eine stabile Regierung für Berlin zu wählen“. „Jeder Anstand“ verbiete es, dass die Regierung in ihrer bisherigen Form weitermache.

Eine Neuauflage dieser Koalition wäre eine Kampfansage an CDU-Spitzenmann Wegner, der die CDU nun wieder nach vorn geführt hat. Der 50-Jährige ist gebürtiger Berliner, verheiratet, Vater dreier Kinder und lebt im Bezirk Spandau.

Giffey will trotz Wahlschlappe noch nicht aufgeben

Giffey versuchte, im Wahlkampf mit ihrem Amtsbonus zu punkten. Die 44-jährige SPD-Landeschefin, die östlich von Berlin aufwuchs, war Bürgermeisterin im Bezirk Neukölln und stieg 2018 zur Bundesfamilienministerin auf. Wegen einer Plagiatsaffäre um ihre Doktorarbeit trat Giffey im Mai 2021 aus dem Kabinett zurück.

Nach dem schwachen Abschneiden ihrer Partei will Giffey noch nicht aufgeben. Die Situation sei „nicht leicht“, sagte sie am Sonntagabend bei der Wahlparty ihrer Partei. „Wir sind jetzt in einer Situation, wo wir sagen müssen: Wir sind nicht Platz 1 geworden.“

Auch sei es unklar, ob man überhaupt den zweiten Platz erreicht habe. Es sei deutlich, dass die CDU stärkste Kraft geworden sei. Das müsse man „anerkennen“. Allerdings müsse man zur Regierungsbildung auch in der Lage sein, eine stabile Mehrheit zu organisieren. Das gelte auch für die CDU. Giffey gestand aber ein, dass das Ergebnis zeige: „Die Berliner sind nicht zufrieden und wollen Veränderungen.“

SPD und Grüne hatten angedeutet, dass sie ihre Koalition mit der Linken auch im Fall eines CDU-Siegs fortsetzen wollen, wofür die Mehrheitsverhältnisse auch reichen würden.

Gedämpfte Stimmung bei der SPD: Spitzenkandidatin Franziska Giffey und der Co-Landesvorsitzende Raed Saleh.

Gedämpfte Stimmung bei der SPD: Spitzenkandidatin Franziska Giffey und der Co-Landesvorsitzende Raed Saleh. Foto: Christophe Gateau/dpa

Grüne wollen gern so weitermachen wie bisher

Die Grünen im Bund setzen nach der Abgeordnetenhauswahl in Berlin bevorzugt erneut auf eine Koalition mit SPD und Linkspartei. „Wir haben eine Präferenz für den Fortgang der bisherigen Koalition – am besten mit den Grünen vorn“, sagte Grünen-Chef Omid Nouripour am Sonntagabend in der ARD. Dies gelte natürlich nur, wenn die Grünen letztlich in der Abstimmung vor der SPD lägen.

„Aber natürlich werden die Grünen in Berlin (…) mit allen demokratischen Parteien sprechen“, sagte Nouripour. Er gratuliere dem CDU-Spitzenkandidaten Kai Wegner „herzlich“, dessen Partei die Wiederholungswahl in Berlin klar gewann. Allerdings könne jemand nur Bürgermeister werden, „wenn man imstande ist, eine Mehrheit auch hinzubekommen“.

Schwache Wahlbeteiligung 12 Uhr

Bei der Wiederholung der Abgeordnetenhauswahl in Berlin haben bis 12 Uhr 23,4 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben. Das teilte die Landeswahlleitung am frühen Nachmittag mit. 2016 lag die Wahlbeteiligung zum gleichen Zeitpunkt bei 25,1 Prozent.

Bei der letzten Wahl im Jahr 2021 war die Beteiligung am Wahltag jeweils nur für die parallel stattfindende Bundestagswahl ermittelt worden – sie betrug damals 27,4 Prozent. Die landesweite Wahlbeteiligung zur Abgeordnetenhauswahl hatte 2021 am Ende bei 75,4 Prozent gelegen.

Die höchste Wahlbeteiligung zur Mittagszeit wurde am Sonntag aus dem Bezirk Steglitz-Zehlendorf gemeldet (25,7 Prozent), die niedrigste aus Mitte mit 20,3 Prozent. Wahllokale schließen um 18 Uhr, direkt im Anschluss werden erste Prognosen erwartet.

Nur wenige Zwischenfälle

Nach Einschätzung von Landeswahlleiter Stephan Bröchler gab es bisher nur wenigen Zwischenfälle. „Es gibt immer mal kleinere Probleme, die auftauchen“, sagte Bröchler am Sonntagmittag der dpa. So habe etwa eine Schaltung bei einer Telefonanlage nicht funktioniert. Dies habe der Anbieter aber in kurzer Zeit behoben. Der Berliner Wahlforscher Thorsten Faas warnte vor einer vorschnellen Bewertung von Komplikationen. Bröchler setzte für eine schnellere Stimmabgabe rund 42.000 Wahlhelfer ein – 8.000 mehr als im September 2021.

Seit Sonntagmorgen sind etwa 2,43 Millionen Berlinerinnen und Berliner aufgerufen, ein neues Landesparlament zu wählen. Damit gibt es bei der Wiederholungswahl etwa 15.800 weniger Wahlberechtigte als bei der Hauptwahl im September 2021. Der Berliner Verfassungsgerichtshof hatte die Abstimmung vom 26. September 2021 wegen „schwerer systemischer Mängel“ und zahlreicher Wahlfehler für ungültig erklärt. Für die Wiederholungswahl sei mit Kosten von 40 Millionen Euro zu rechnen, heißt es aus der Senatsverwaltung – es zahlt der Steuerzahler.

„Wir sollten so gegen 18 Uhr alle Informationen zusammen haben, was im Großen und Ganzen gut gelaufen ist, ich hoffe möglichst viel, und wo es halt auch zu kleineren Pannen gekommen ist“, sagte Bröchler. „Denn das wird auch passieren.“ Es gebe keine fehlerlose Wahl. Deshalb spreche er gerne von einer „reibungsarmen“ Wahl.

Also kleinere Wahlfehler werden auch heute vorkommen, aber eben quasi nicht diese strukturellen Fehler wie wir sie 2021 hatten.“

Auch Wahlforscher Faas mahnte zur Ruhe bei der Bewertung der Wahl. Jede minimalste Komplikation werde „vermutlich minutiös berichtet“ und möglicherweise auch skandalisiert, schrieb Faas am Sonntag auf Twitter. Er empfahl: „Bisschen locker bleiben“.

„Jeder Fehler sollte ernst genommen werden. Es geht nicht darum, die Augen zuzudrücken“, sagte er dpa. Wichtig sei aber abzuwarten, wie es sich insgesamt entwickle und dann die Situation zu bewerten, betonte Faas.

Wahlbeobachter des Europarats sind zufrieden

Die internationalen Wahlbeobachter des Europarats haben sich am Sonntagnachmittag zufrieden mit dem Verlauf der Berliner Wiederholungswahl gezeigt. „Der Gesamteindruck ist, dass alles wirklich gut läuft“, sagte Delegationsleiter Vladimir Prebilic dpa vor Schließung der Wahllokale. „Die Dinge sind wirklich gut organisiert, muss ich sagen.“

Die zehnköpfige Delegation des Kongresses der Gemeinden und Regionen des Europarats besuchte in kleinen Teams Wahllokale in allen zwölf Berliner Bezirken. Nach Prebilics Worten sprachen sie mit Wahlvorständen und beobachteten die Abläufe. Die Wahlhelfer hätten gewusst, was zu tun sei, es habe keine langen Schlangen gegeben, niemand habe sich beschwert, sagte Prebilic.

Kleinere Schwierigkeiten habe es gegeben, fügte er hinzu. Dazu zählte er, dass Wahlbeobachter zunächst keine Informationen bekommen hätten, weil ihr Besuch nicht erwartet worden sei. Das seien aber Einzelfälle. „Wir sind sehr zufrieden mit dem, was wir gesehen haben“, betonte der Slowene in dem auf Englisch geführten Interview.

Die Berliner Polizei steht bereit

Die Berliner Polizei sichert die Wahl mit bis zu 1.700 Einsatzkräften ab. Die Polizisten seien bis etwa 21:00 Uhr zusätzlich stadtweit unterwegs, sagte eine Behördensprecherin am Sonntag. Es gehe um den Schutz der insgesamt mehr als 2.200 Wahllokale, des Abgeordnetenhauses und von Regierungsgebäuden. „Ziel ist, den ordnungsgemäßen Ablauf der Wahl zu sichern“, so die Sprecherin.

Die Wiederholungswahl könnte die politischen Verhältnisse in der Stadt verändern. Seit 2016 regieren SPD, Grüne und Linke zusammen, im Dezember 2021 erneuerten sie die Koalition. Seither ist die frühere Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) Regierende Bürgermeisterin, sie muss nun aber um ihr Amt fürchten.

Möglich wären nach den letzten drei Umfragen vom vergangenen Donnerstag unterschiedliche Bündnisse. Neben einer CDU-geführten Koalition wäre auch denkbar, dass SPD, Grüne und Linke zusammen weiterregieren. Die CDU könnte also trotz eines Wahlsiegs am Ende leer ausgehen.

Die Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch präferiert nach eigener Aussage eine Fortsetzung der bisherigen Koalition, allerdings unter ihrer Führung. SPD und Giffey wiederum trafen keine Koalitionsaussage.

(Mit Material der Agenturen)



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