CDU-Politiker fordert radikalen Systemwechsel in der Asylgesetzgebung

Der CDU-Politiker Thorsten Frei schlägt einen Systemwechsel in der Asylgesetzgebung vor. Das stößt bei den anderen Parteien auf wenig Gegenliebe.
«Wer zu alt, zu schwach, zu arm oder zu krank ist, ist chancenlos»: Thorsten Frei (CDU).
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Thorsten Frei schlägt eine grundlegende Änderung des Asylrechts vor.Foto: Julian Weber/dpa
Von 19. Juli 2023

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Die CDU möchte einen Systemwechsel in der Asylgesetzgebung. In einem Gastbeitrag für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ)“ spricht sich der parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thorsten Frei, dafür aus, das Recht des einzelnen Menschen, auf europäischem Boden Asyl zu beantragen, abzuschaffen. Anstelle des Individualrechts möchte Frei zukünftig Kontingente für die Aufnahme von Flüchtlingen in Europa schaffen. Im Gastbeitrag schlägt der CDU-Politiker konkret ein jährliches Kontingent von 300.000 oder 400.000 Flüchtlingen vor. Diese sollen direkt aus dem Ausland aufgenommen und dann innerhalb Europas verteilt werden.

Theoretisch hätten derzeit 35 Millionen Afghanen das Recht, in Deutschland aufgenommen zu werden, argumentiert der Bundestagsabgeordnete. Und weiter: „Damit möglichst wenig Menschen ihr Recht in Anspruch nehmen, knüpfen wir es an die Voraussetzung eines Antrages auf europäischem Boden.“ Diese Auswahl sei aber „zutiefst inhuman“. Denn wer alt, zu schwach, zu arm oder zu krank sei, habe keine Chance, nach Europa zu gelangen.

Feste Aufnahmekontingente schaffen

In der Realität, so argumentiert Thorsten Frei, führe das zu einer Benachteiligung von Frauen und Kindern. Daher plädiere er dafür, aus dem Individualrecht auf Asyl eine sogenannte Institutsgarantie zu machen. Das würde Sicherheitsrisiken minimieren und die Chance auf Integration maximieren. Der Bezug von Sozialleistungen wäre dann „umfassend ausgeschlossen“. „Mit einem solchen Asylrecht könnte Europa sich nicht nur an die Schwächsten wenden, sondern sehr genau dort helfen, wo Staaten durch große Flüchtlingsströme destabilisiert werden“, erläuterte der CDU-Politiker.

Unterstützung für diesen Vorschlag erhält Frei aus den eigenen Reihen. So befürwortet beispielsweise der innenpolitische Sprecher der Union im Bundestag, Alexander Throm, den Vorschlag seines Fraktionskollegen. Gegenüber der dpa sagte Throm, Frei habe zu Recht darauf hingewiesen, „dass unser Migrationssystem derzeit völlig falsche Zustände verursacht“. Menschen lieferten sich Schleppern aus und wagten eine gefährliche Überfahrt über das Mittelmeer. Sie durchquerten manchmal die halbe Welt „und dabei viele sichere Länder“, um sich Europa als „Wunschort“ auszusuchen.

Dabei gelte leider das Prinzip: „Die Starken kommen an, die Schwachen bleiben auf der Strecke.“ Throm sagte, dieser Effekt sei nie beabsichtigt gewesen, weder von den Vereinten Nationen noch vom deutschen Grundgesetz. Besser wäre nach seinen Worten eine Auswahl allein nach humanitären Kriterien in den Herkunftsländern.

Die EU arbeitet im Moment an einer großen Asylreform, um die aber noch heftig gestritten wird. Vorgesehen ist eine Verschärfung der bisherigen Regeln, um die irreguläre Migration zu begrenzen. Das plant man vor allem im Hinblick auf Länder, die als relativ sicher gelten. So möchte man schon an den EU-Außengrenzen schauen, welche Menschen tatsächlich wenig Chancen auf Asyl haben. Diese sollen dann gegebenenfalls direkt zurückgeschickt werden. In Deutschland haben im ersten Halbjahr rund 150.000 Menschen erstmals einen Asylantrag gestellt – das sind mehr als im Vorjahr.

Kritik von den anderen Parteien

Deutliche Kritik am Vorstoß von Thorsten Frei kommt von den anderen Parteien. Die fluchtpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Clara Bünger, erinnerte daran, dass die Genfer Flüchtlingskonvention und das individuelle Recht auf Asyl „die Antwort auf Nazideutschland“ war. Diese zivilisatorische Errungenschaft nun über Bord zu werfen, sei „geschichtsvergessen und offenbart, wie weit seine Partei sich nach rechts bewegt hat“.

Auch aus der Ampelkoalition kommt Widerspruch. „Warum es unmenschlich sein soll, dass jemand erst mal vorträgt, warum er Schutz braucht, das geht mir nicht in den Kopf“, sagte der Grünen-Vorsitzende Omid Nouripour in der Sendung „Frühstart“ von RTL und n-tv. Man müsse sich auf die Unterstützung der Kommunen bei der dauerhaften Versorgung und Integrationsarbeit konzentrieren. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, der Vorschlag von Frei sei „unseriös“.

„Der Vorschlag von Thorsten Frei ist realitätsfremd und geht ins Leere, da er illegale Migration nicht stoppen wird“, sagte SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese gegenüber der „tagesschau“. Besser sei eine nachhaltige Bekämpfung von Fluchtursachen. Wiese bezeichnete das individuelle Recht auf Asyl als „eine wichtige humanitäre Errungenschaft, die die Mütter und Väter des Grundgesetzes aus gutem Grund nach dem Zweiten Weltkrieg dort installiert haben“.

Vorstoß mit schwerwiegenden Folgen

Gegenüber der „Welt“ macht Migrationsexperte Daniel Thym deutlich, dass Freis Vorstoß in der Praxis schwerwiegende Folge hätte. Es kämen dann weiter Menschen nach Deutschland, die kein Asyl beantragen und nicht arbeiten könnten. „Droht ihnen Gefahr in den Herkunftsländern, dürfen wir sie nicht abschieben. Im Ergebnis würde Herr Freis Vorschlag also bedeuten, eine große Schicht prekär lebender Personen in Deutschland zu schaffen“, sagte der Konstanzer Ausländerrechtsexperte.

Zudem würde Freis Vorschlag die Pull-Faktoren „nur gering“ schmälern, da „die Menschenwürde nach Meinung des Bundesverfassungsgerichts verlangt, jedenfalls eine rudimentäre Versorgung bereitzustellen“. Thym wirft Frei weiter vor, die Menschenrechte bei seinem Vorschlag nicht genug zu berücksichtigen. „Was ist mit denen, denen Verfolgung oder Menschenrechtsverletzungen drohen, die aber trotzdem hier ankommen und nicht in den ‚Kontingenten‘ sind? Werden auch die abgeschoben?“, fragt der Migrationsexperte.

Thorsten Frei räumt in seinem Gastbeitrag ein, dass für die von ihm vorgeschlagene Reform „enorme politische Hürden“ zu überwinden wären. Er schrieb: „Aber wenn wir sie nicht überwinden, führt die Überforderung unserer Gesellschaften zur Zerstörung dessen, was das Asylrecht gewähren will: ein Europa als Zufluchtsort für schutzbedürftige Menschen.“

Am Mittwoch legte der CDU-Politiker noch einmal nach und verteidigte seinen Beitrag nach der Kritik von den anderen Parteien. Zu Äußerungen von Innenministerin Nancy Faeser (SPD) von Anfang Juni, wer das Grundrecht auf individuelles Asyl antaste, spiele das dreckige Spiel der rechten AfD mit, sagte er: „Ich finde das weder sachgerecht noch angemessen, noch fair.“ Er habe einen Debattenbeitrag geliefert, betonte Frei am Mittwoch im RTL/n-tv-„Frühstart“. „Und wenn die Frau ehrlich wäre, dann müsste sie erkennen, dass so wie es ist, nicht gut ist – und meines Erachtens auch nicht bleiben kann.“

 



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