Deutschlands Seehäfen und warum sie so wichtig sind

60 Prozent des Außenhandels laufen über die deutschen Seehäfen. Die Küstenländer finden deshalb, dass sich der Bund deutlich mehr an der nationalen Aufgabe Hafen beteiligen muss.
Die «Berlin Express» hat den Hamburger Hafen erreicht, wo sie getauft werden soll. Es ist das bislang größte Containerschiff unter deutscher Flagge.
Die „Berlin Express“ im Hamburger Hafen. Es ist das bislang größte Containerschiff unter deutscher Flagge.Foto: Bodo Marks/dpa
Epoch Times20. März 2024

Der gesamtdeutsche Außenhandel läuft in großen Teilen über die Seehäfen der Nord- und Ostsee sowie über Hamburg mit dem größten Hafen des Landes. Obwohl es ganz Deutschland betrifft, liegt die Zuständigkeit für die teure Infrastruktur allein bei den Ländern. Das finden diese ungerecht. Die Bundesregierung will nun eine nationale Hafenstrategie beschließen.

Warum sind die deutschen Häfen so wichtig für das Land?

Ohne die deutschen Häfen dürfte einerseits die exportorientierte Wirtschaft in weiten Teilen kollabieren, andererseits müsste die Bevölkerung auf zahlreiche auch lebensnotwendige Waren verzichten, mindestens aber deutlich mehr bezahlen.

Deutschland wickelt rund 60 Prozent seines Im- und Exports über den Seeweg ab. Im vergangenen Jahr waren dies nach Angaben des Statistischen Bundesamts rund 267,8 Millionen Tonnen Güter, darunter Energie, Lebensmittel, Kleidung, Technik und Medikamente.

Im Vergleich zu 2022 ging der deutsche Außenhandel im vergangenen Jahr wegen der geopolitischen Lage und der schwachen Dynamik des Welthandels zurück – beim Export um 2,0 Prozent und beim Import um 10,1 Prozent, wie die Statistiker feststellten.

Was sind überhaupt die wichtigsten Häfen in Deutschland?

Der mit Abstand größte und wichtigste Hafen des Landes liegt in Hamburg. In ihm wurden nach Angaben der Statistiker im vergangenen Jahr mit 99,6 Millionen Tonnen so viele Waren umgeschlagen wie in allen anderen relevanten Seehäfen Deutschlands zusammen.

Danach folgte Bremerhaven mit 39,2 Millionen Tonnen, Wilhelmshaven in Niedersachsen mit 29,8 Millionen Tonnen und Rostock in Mecklenburg-Vorpommern mit 23,9 Millionen Tonnen.

Wie stehen die deutschen Häfen im europäischen Vergleich da?

Die mit Abstand größten Häfen der sogenannten Nordrange – sie bezeichnet die wichtigsten kontinentaleuropäischen Häfen an der Nordsee, über die etwa 80 Prozent des europäischen Im- und Exports abgewickelt werden – sind Rotterdam in den Niederlanden und Antwerpen-Brügge in Belgien.

Auch sie mussten beim Seegüterumschlag im Vergleich zu 2022 einen Rückgang um 6,1 beziehungsweise 5,5 Prozent hinnehmen, liegen aber deutlich vor Hamburg als Nummer drei.

Gut ablesbar ist das auch am Containerumschlag: Während in Hamburg im vergangenen Jahr 7,7 Millionen Standardcontainer (TEU) über die Kaikanten gingen – der schlechteste Wert seit 2009 – waren es in Rotterdam 13,4 Millionen TEU und in Antwerpen-Brügge rund 12,5 Millionen TEU.

Wie steht es um die deutsche Handelsflotte?

Eigentlich ganz gut. Nach Angaben des Deutschen Reederverbands liegt Deutschland bei der Containerschifffahrt weltweit auf Platz eins – noch vor China. Deutscher Branchenprimus ist dabei die Hamburger Reederei Hapag-Lloyd.

Mit 266 Containerschiffen, einem Transportvolumen von jährlich 11,9 Millionen TEU und 16.300 Beschäftigten ist sie die derzeit fünftgrößte Reederei der Welt. Vor ihr liegen MSC (Schweiz), Maersk (Dänemark), CMA CGM (Frankreich) und Cosco (China).

Die gesamte Handelsflotte Deutschlands umfasste laut Reederverband im vergangenen Jahr 1.800 Schiffe, womit Deutschland weiterhin die siebtgrößte Schifffahrtsnation der Welt ist. Die ersten drei Plätze belegen Griechenland, China und Japan.

Wo ist also das Problem?

Reedereien klagen vor allem über hohe Kosten in deutschen Häfen, über den Automatisierungsgrad der Terminals und das Abfertigungstempo. In Hamburg behindert zudem die in die Jahre gekommene Köhlbrandbrücke die Erreichbarkeit einzelner Terminals mit besonders großen Containerfrachtern.

Hinzu kommt, dass einzelne Reedereien ihr Flottenmanagement ändern und ihre Schiffe die Häfen nicht mehr wie an einer Perlenkette anlaufen lassen. Stattdessen steuern sie verstärkt von ihnen selbst definierte Knotenpunkte an – in der Regel Häfen und Terminals, an denen sie selbst beteiligt sind – und verteilen die Waren von dort auf kleineren Schiffen weiter. Deutsche Häfen müssen dabei nicht zwangsläufig zum Zuge kommen.

Was wollen die deutschen Häfen?

Die Häfen für die Zukunft zu rüsten und vor allem auf eine Klimaneutralität vorzubereiten, ist extrem teuer, beispielsweise allein der Ersatz der Hamburger Köhlbrandbrücke wird derzeit auf rund 4,5 bis 5 Milliarden Euro taxiert.

Die Hafenwirtschaft und die Küstenländer Hamburg, Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Bremen und Mecklenburg-Vorpommern fordern deshalb vom Bund seit Langem eine deutliche Aufstockung der Bundesmittel zur Finanzierung der Seehäfen.

Allein für die Infrastruktur fallen demnach pro Jahr aufgrund gestiegener Kosten 400 Millionen Euro an. Bislang zahlt der Bund lediglich 38 Millionen Euro pro Jahr für alle Häfen zusammen.

Welche Zukunftsaufgaben kommen auf die Häfen zu?

Die Hafenwirtschaft weist darauf hin, dass die Häfen für den per Gesetz vorgesehenen Ausbau der erneuerbaren Energien dringend erweitert werden müssen. „Für das Erreichen dieser Ausbauziele fehlt es in Europa in den Häfen an Umschlagkapazität für Windenergie“, hieß es zuletzt beim Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS). „Das gilt insbesondere für Deutschland, wo seit Jahren nicht in den Ausbau der nötigen Schwerlastflächen investiert wurde.“

Das Problem betrifft auch die Windkraft auf See, da die Turbinen hier besonders groß und schwer sind und oft auch in den Häfen vormontiert werden müssen. „Ohne mehr Flächen in den Häfen, kein erfolgreicher Ausbau der Windenergie und keine erfolgreiche Energiewende“, so der ZDS.

Aus Sicht der Windkraftbranche sind bis zu 200 Hektar zusätzliche Schwerlastflächen in den deutschen Seehäfen nötig. „Das entspricht der Fläche eines Parkplatzes mit 260.000 Pkws oder 270 Fußballfeldern“, hat die Stiftung Offshore-Windenergie vorgerechnet.

Windenergie auf See soll bis 2045 von derzeit 8,4 auf 70 Gigawatt Leistung ausgebaut und damit ein Rückgrat der Energiewende werden. Das bedeutet Tausende neue Windräder. Die Stiftung sieht die Seehäfen als die zentralen Drehkreuze für Ausbau und Betrieb: „Ob als Basishäfen für den Bau und den späteren Rückbau der Windparks, als Servicehäfen für den Betrieb und auch die Wartung, als Lagerplatz oder als Produktionsstandort – sie nehmen vielfältige Funktionen im Bereich der Offshore-Windenergie ein.“

Was ärgert die Küstenländer?

Salopp gesagt kritisieren sie, dass der Bund immer noch nicht die Bedeutung der Seehäfen für das gesamte Land verstanden habe. Hamburgs Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard (SPD) sagte zuletzt: „Die geringe Aufmerksamkeit in der öffentlichen Debatte passt bei Weitem nicht zur großen Bedeutung der deutschen Seehäfen.“

Angesichts des erheblichen Stellenwerts für die deutsche Volkswirtschaft, für den Industriestandort, für Wertschöpfung, Arbeitsplätze, Versorgungssicherheit und Einbindung in den weltweiten Handel vermisse sie ein größeres Engagement des Bundes. Die Hafenwirtschaft verweist oft auf Rotterdam und Antwerpen, wo der Wille und finanzielle Einsatz zur Modernisierung der Häfen deutlich größer seien und als nationale Aufgabe verstanden würden.

Was macht der Bund?

Bislang gibt sich der Bund in der Frage einer stärkeren finanziellen Beteiligung an Betrieb und Unterhalt der Häfen zurückhaltend. Das Bundesverkehrsministerium verwies zuletzt auf die Zuständigkeit der Länder bei der Hafeninfrastruktur.

Gleichzeitig betonte es, dass die Bundesregierung im engen Dialog mit den Ländern stehe, „um tragfähige Lösungen für eine angemessene Beteiligung des Bundes an den Kosten der Länder zu erreichen“.

Antworten könnte auch die Hafenstrategie der Ampelkoalition geben, die das Kabinett am Mittwoch beschließen will. Darin sind nach Ministeriumsangaben mehr als 130 Maßnahmen in fünf Handlungsfeldern definiert. Ursprünglich sollte die Strategie bereits im Herbst vorliegen. (dpa/red)



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