Die Kritik am selbsternannten Klima-Musterschüler Deutschland wächst

Vor der UN-Klimakonferenz im marokkanischen Marrakesch, der am Montag kommender Woche beginnt, zeigt sich dies deutlich im Streit um den sogenannten Klimaschutzplan 2050 der Bundesregierung, der Kritiker enttäuscht.
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Greenpeace Plakat mit der Forderung nach KlimaschutzFoto: Ralph Orlowski/Getty Images
Epoch Times31. Oktober 2016

Im Kampf gegen den Treibhauseffekt sieht sich Deutschland gern als Musterschüler, aber Klimaschützer warnen vor gefährlicher Selbstgefälligkeit und nachlassendem Elan. Vor der UN-Klimakonferenz im marokkanischen Marrakesch, der am Montag kommender Woche beginnt, zeigt sich dies deutlich im Streit um den sogenannten Klimaschutzplan 2050 der Bundesregierung, der Kritiker enttäuscht.

In der Tat wird trotz Anstrengungen in Sachen Energiewende allmählich die Zeit dafür knapp, die von der Bundesregierung vorgegebenen Ziele zur Treibhausgasreduktion zu schaffen. Bis 2020 soll der nationale Ausstoß eigentlich um 40 Prozent gegenüber 1990 gesunken sein. Nach einer neuen Regierungsprojektion ist das aber nur „bei zügiger und anspruchsvoller Umsetzung“ aller schon angeschobenen Maßnahmen gerade noch erreichbar.

„Schon die Klimaziele für 2020 wird die Bundesrepublik nach jetzigem Stand verfehlen“, sagt Viviane Raddatz, Klimaexpertin der Umweltschutzorganisation WWF. In den nächsten drei Jahren müssten demnach noch weitere 158 Millionen Tonnen Treibhausgasemissionen eingespart werden, um den Misserfolg abzuwenden. Das sei eine „enorme Menge“. Und es ist nur ein Zwischenschritt: Bis 2050 will und muss Deutschland nach den Vorgaben des 2015 in Paris beschlossenen UN-Klimavertrags 80 bis 95 Prozent weniger CO2 ausstoßen.

„Falls nötig wird die Bundesregierung rechtzeitig nachsteuern müssen“, mahnte auch Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) jüngst bei der Vorstellung der neuen Projektion. Sie belege, dass „wir bei unseren Klimaschutzanstrengungen keinesfalls nachlassen dürfen“. Nötig seien weitere Klimaschutzschritte in sämtlichen Bereichen.

Das allerdings ist alles andere als leicht. Es geht um tiefe Eingriffe in ökonomische und gesellschaftliche Strukturen – und um Geld. Konflikte um die EEG-Umlage zur Förderung von Ökostrom, Kaufprämien für Elektroautos und den Bau neuer Stromtrassen zeigen, wie schwer das komplexe und auf Jahrzehnte ausgelegte Projekt der klimaneutralen Nation voranzutreiben ist.

Inzwischen gibt es bereits neue, eher noch umkämpftere Fronten wie den Ausstieg aus der klimaschädlichen Kohleverstromung oder Forderungen nach einer „Verkehrswende“ weg von Privat-Pkw mit Verbrennungsmotoren hin zu ökologischen Mobilitätskonzepten, die auf Bahntransport, öffentlichen Nahverkehr, Car-Sharing und Fahrradstraßen setzen.

In der Frage des Kohleausstiegs etwa prallen die Positionen schon seit Monaten hart aufeinander. Klimaschützer, Parteien wie die Grünen, aber auch Regierungsberater wie der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) halten den Schritt für unumgänglich.

Die schnelle Verringerung der Kohleverstromung sei „unabdingbar“, wenn die deutschen Ambitionen nicht Makulatur werden sollten, warnten die Umweltverbände Greenpeace, WWF, BUND und Nabu vor kurzem in einem Brandbrief. Es gehe um „kurzfristige Maßnahmen“ noch vor 2020. Und: „Bis 2035 muss die Kohleverstromung in Deutschland ganz beendet sein.“

Dagegen allerdings hat sich längst eine Front aus Energiekonzernen, Gewerkschaften, großen Wirtschaftsverbänden und wirtschaftsnahen Politikern formiert. Sie warnen vor  Jobverlust, steigenden Stromkosten sowie Wettbewerbsproblemen für die Industrie. 2015 stammte immerhin 40 Prozent der deutschen Bruttostromerzeugung aus Kohlekraftwerken. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hatte zwischenzeitlich eine Strafabgabe für besonders klimaschädliche Kraftwerke vorgeschlagen, die Idee nach heftigen Protesten aber wieder kassiert.

Derzeit arbeitet die Regierung an dem Entwurf ihres sogenannten Klimaschutzplans 2050 – ein Katalog, der aufschlüsseln soll, wie annähernde Treibhausgasneutralität bis dahin erreicht wird. Eigentlich soll er bis zum Klimagipfel in Marrakesch vorliegen.

Der Entwurf für den Plan ist innerhalb der Regierung allerdings schon vor Beginn der eigentlichen Ressortabstimmung massiv abgeschwächt worden; auch, aber nicht nur mit Blick auf einen möglichen Ausstieg aus der Kohle. Hendricks und ihr Ressort sehen sich in Sachen Klimaschutz mit Widerständen und Einwänden aus anderen Ministerien konfrontiert.

Für die Umweltverbände brachte dies das Fass bereits zum Überlaufen. Sie sagten die Teilnahme an einer Anhörung zum Dokument vor kurzem ab. Der Klimaschutzplan verdiene den Namen nicht, erklärten sie. Ohne „deutliche Nachbesserungen“ gehe es nicht. Auch Raddatz ist alarmiert: „Deutschland riskiert seine Vorreiterrolle im Klimaschutz.“ (afp)



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