DIVI schlägt Alarm: Keine freien Betten und zu wenig Personal in Kinderkliniken

In 43 von 110 Kinderkliniken war Ende November kein Bett frei. Krankenhäuser suchen bereits im Radius von 100 Kilometern nach freien Kapazitäten.
Ein Arzt untersucht in einer Kinderklinik ein Kind.
Ein Arzt untersucht in einer Kinderklinik ein Kind.Foto: Sebastian Gollnow/dpa
Von 1. Dezember 2022

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Die kalte Jahreszeit ist angebrochen und die Versorgungslage in deutschen Kinderkliniken ist prekär. Dies geht aus einer Ad-hoc-Umfrage der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) hervor. Diese hatte die Situation in 130 Kinderkliniken schriftlich abgefragt. Zum Stichprobentag 24. November hatten 110 davon der Vereinigung ihre Daten übermittelt.

Kinderkliniken müssen sogar Intensivfälle abweisen

Wie die „Zeit“ berichtet, war in 43 jener Kinderkliniken, die der DIVI geantwortet hatten, Ende November kein einziges Normalbett frei. Auf den pädiatrischen Intensivstationen sieht es noch prekärer aus – dort waren deutschlandweit insgesamt nur noch 83 Betten verfügbar. Dies ist gleichbedeutend mit einem Schnitt von 0,75 freien Betten pro Klinik.

Jede zweite Einrichtung, die sich gegenüber der DIVI geäußert hatte, gab an, sie habe mindestens ein Kind im Intensivbereich abweisen müssen. Florian Hoffmann, DIVI-Generalsekretär und selbst Kinderintensivmediziner an der Ludwig-Maximilians-Universität München, spricht von einer „katastrophalen Situation“.

Es müsse umgehend Schritte geben, um die Arbeitsbedingungen in den Kinderkliniken zu verbessern und Intensivtransportsysteme zu optimieren. Bereits jetzt sähen sich die überlasteten Kinderkliniken genötigt, in einem Radius von 100 Kilometern und mehr nach freien Betten zu suchen. Gleichzeitig müsse man alle nicht lebensnotwendigen Eingriffe aufschieben, so Hoffmann:

Wir machen nur noch, was unmittelbar lebenserhaltend ist.“

Familien „müssen in der Notaufnahme campieren“

Ein Dreijähriger müsse demnach länger auf eine dringend erforderliche Herzoperation warten, wenn man einen gerade reanimierten Säugling in einer eigentlich voll belegten Kinderklinik aufnehme.

Allerdings komme es bei der Verlegung auf andere Standorte auf den aktuellen Gesundheitszustand an. Dies betont Gesine Hansen, Ärztliche Direktorin der Klinik für Pädiatrische Pneumologie, Allergologie und Neonatologie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH). Kinder in einem sehr schlechten Gesundheitszustand verlege man nicht.

Dennoch sei es bereits geschehen, dass man ein Kind von der MHH-Klinik in Hannover bis ins 150 Kilometer entfernte Magdeburg habe verlegen müssen. Im konkreten Fall hätten 21 Kliniken, die man zuvor kontaktiert habe, mangels freier Kapazitäten abgesagt.

Der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin, Jörg Dötsch, berichtet von Familien, die „in der Notaufnahme quasi campieren müssen“. Vor allem im Rheinland seien phasenweise „alle Betten komplett voll“ und die Wartezeiten betrügen bis zu sieben Stunden. Immerhin müsse man jedoch noch „nicht über Leben und Tod entscheiden.“

Extremer Personalmangel kennzeichnet Situation in den Kinderkliniken

Die Wurzel der prekären Situation in den Kinderkliniken sei der extreme Personalmangel in der Pflegebranche. Knapp 72 Prozent der teilnehmenden Einrichtungen an der DIVI-Umfrage nannten diesen als Grund für den Bettenengpass.

Gleichzeitig gibt es augenscheinlich noch keinen Anlass zur Entwarnung. Am Donnerstag, dem 1.12., warnte Florian Hoffmann gegenüber der Funke Mediengruppe vor einer bevorstehenden Welle an Atemwegsinfektionen:

Der Höhepunkt der aktuellen Welle von Atemwegsinfektionen bei Kindern ist noch längst nicht erreicht. Die Lage in Praxen und Kliniken wird in den kommenden Wochen noch schlimmer werden.“

In den gleichen Medien bestätigt auch der Bundesverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), dass diesbezüglich ein Scheitelpunkt noch nicht in Sicht sei. BVKJ-Präsident Thomas Fischbach zufolge verbreiten sich das RS-Virus und die Grippe in diesem Jahr viel eher als in früheren Jahren. Dies könnte die Lage in den Kinderarztpraxen verschärfen.

„Nachholeffekt“ infolge der Corona-Krise

Gerald Gaß von der Deutschen Krankenhausgesellschaft zufolge wird insbesondere das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) noch über einige Tage an Bedeutung gewinnen. Das Infektionsgeschehen sei dort dynamisch. Gleichzeitig käme es in den Kinderkliniken zusätzlich zum Personalmangel auch zu Ausfällen infolge von Krankenständen.

RSV-Wellen gebe es jedes Jahr, so Gaß gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND), dieses Jahr sei sie aber besonders stark:

Es gibt wahrscheinlich eine Art Nachholeffekt, denn in den vergangenen Jahren haben Kinder durch Corona-Maßnahmen wie Kita-Schließungen weniger Kontakt mit Viren gehabt.“

Nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) kommen weltweit geschätzte 5,6 schwere Fälle von RSV-Atemwegserkrankungen pro 1.000 Kinder im ersten Lebensjahr vor. Innerhalb des ersten Lebensjahres hätten normalerweise 50 bis 70 Prozent und bis zum Ende des zweiten Lebensjahres nahezu alle Kinder mindestens eine Infektion mit RSV durchgemacht. Im Zuge der Corona-Schutzmaßnahmen waren viele solche Infektionen allerdings zeitweise ausgeblieben.

(Mit Material von dpa und AFP)



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