Droht jetzt ein Ärztekollaps? KBV-Chef rechnet mit deutlich längeren Wartezeiten

Massiver Personalmangel und fehlende Gelder stellen die Ärzte vor große Herausforderungen bei der Patientenversorgung. Der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, ist alarmiert.
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Dr. Andreas Gassen, Vorsitzender des Vorstands der Kassenärztlichen Bundesvereinigung.Foto: lopata/axentis.de
Von 30. Dezember 2023

Ärztestreiks, Praxisschließungen, Kliniken in Insolvenz. Es steht nicht gut um die Patientenversorgung. Nun folgt eine weitere Hiobsbotschaft. Der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen, geht davon aus, dass sich die rund 70 Millionen gesetzlich Krankenversicherten im nächsten Jahr auf deutlich längere Wartezeiten für einen Arzttermin einstellen müssen.

„2024 wird das Jahr der langen Wartezeiten. Aktuell bekommt jeder zweite Patient unmittelbar einen Termin, nur wenige warten drei oder mehr Wochen auf einen Facharzttermin“, sagte Gassen, gegenüber „Bild“. Die Wartezeiten könnten sich bis auf zweieinhalb Monate verlängern. Denn wenn sich nichts ändere, gehe man mit großen Schritten in Richtung Schweden. „Dort wartet man auf Facharzttermine bis zu 72 Tage“, so Gassen.

Als Gründe nannte er den immer größeren Personalmangel und fehlende finanzielle Ausstattung vieler Praxen. „Wir laufen in ein ganz schwieriges Jahr 2024, wenn Karl Lauterbach weiter blockiert. Er hat uns verbindlich zugesagt, dass die Hausärzte ab dem nächsten Jahr alle ihre Leistungen bezahlt bekommen. Aber er hält offensichtlich sein Versprechen nicht. Das wäre schlicht Wortbruch“, sagte Gassen gegenüber der Zeitung: „Das wird die Situation im nächsten Jahr weiter verschärfen. Es drohen in immer mehr Praxen 4-Tage-Wochen. Jede 3. bis 4. Praxis wird wohl künftig nur noch an vier Tagen öffnen, weil Personal und Geld fehlt. Die Folge werden deutlich längere Wartezeiten sein.“

Für den 9. Januar ist nun ein Krisengipfel mit Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) geplant. Aber auch Bundestagsabgeordnete werden sich mit der Gesundheitsversorgung und der angespannten Lage der Ärzte auseinandersetzen müssen. Dafür hat eine Petition gesorgt.

Petition warnt vor drohendem Ärztekollaps

Am 15. Oktober 2023 lief eine Petition vor dem Petitionsausschuss im Deutschen Bundestag an. Darin wurden bessere Rahmenbedingungen für die ambulante Versorgung gefordert.

„Die wohnortnahe, flächendeckende und qualitativ hochwertige ambulante Versorgung rund um die Uhr war ein Wert, der unser Land ausgezeichnet hat und den die Bürgerinnen und Bürger schätzten. Jetzt aber stehen die Praxen vor dem Kollaps, sie arbeiten bis zum Anschlag und ihre Kräfte gehen zur Neige“, warnen die Petenten.

„Das ambulante System wird seit Jahren kaputtgespart, es fehlt massiv an Personal und der Bürokratieaufwand wird immer größer. Immer mehr Ärztinnen und Ärzte, Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten sowie Praxismitarbeitende resignieren und flüchten aus dem System“, heißt es in der Petition weiter.

Mehrfach habe die Bundesregierung versprochen, die flächendeckende ambulante Versorgung zu stärken, bislang aber für die Praxen nichts getan. Stattdessen gebe es mangelnde Wertschätzung.

Weniger Bürokratie, mehr Zeit für Patienten

Doch was benötigen Arztpraxen konkret, um weiterhin ihre Patienten gut behandeln zu können? Hierzu nennt die Petition sieben Punkte, darunter eine tragfähige Finanzierung sowie leistungsorientierte Bezahlung statt Budgetierung. Die Ärzte fordern die Umsetzung von mehr ambulanten Operationen. Dadurch würden den Patienten unnötige Krankenhausaufenthalte erspart, was wiederum zur Kostensenkung im Gesundheitssystem führe. Ferner spricht sich die Petition für eine „sinnvolle Digitalisierung“ aus. Die Technik müsse nutzerfreundlich und funktionsfähig sein, anstatt einem die Abläufe in den Arztpraxen zum Nachteil der Patienten zu belasten. Außerdem wird weniger Bürokratie sowie ärztliche und physiotherapeutische Weiterbildung gefordert, und zwar dort, „wo die Kolleginnen und Kollegen gebraucht werden“.

Zudem gehörten „medizinisch unsinnige Wirtschaftlichkeitsprüfungen“ abgeschafft. Ärzte sollen ihren Patienten das verschreiben dürfen, was medizinisch sinnvoll und notwendig ist – ohne befürchten zu müssen, verordnete Medikamente oder andere Leistungen später aus eigener Tasche bezahlen zu müssen.

Diese Veränderungen seien für die zukünftige Generation von Medizinern und Psychotherapeuten entscheidend, damit diese künftig wieder bereit seien, eine Praxis zu übernehmen oder zu gründen. So könne den Patienten auch in Zukunft eine wohnortnahe, flächendeckende und qualitativ hochwertige Versorgung gewährleistet werden.

Am 20. Dezember hatte die Petition das notwendige Quorum mit über 70.000 Stimmen erreicht. Wann das Thema im Petitionsausschuss beraten wird, ist bislang nicht bekannt.

(mit Material von Agenturen)



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