Ende eines antiquierten Steuermodells oder gigantische Abgabenerhöhung durch die Hintertür?

An den Plänen der SPD, das Ehegattensplitting abzuschaffen, scheiden sich die Geister. Das Aus könnte Familien laut Bundesfinanzministerium mit 25 Milliarden Euro belasten.
Verheiratete profitieren durch das Ehegattensplitting massiv, was laut SPD-Chef Klingbeil "klassische Rollenverteilung zwischen Mann und Frau begünstigt».
Verheiratete profitieren durch das Ehegattensplitting massiv, was laut SPD-Chef Klingbeil die klassische Rollenverteilung zwischen Mann und Frau begünstigt.Foto: Rolf Vennenbernd/dpa
Von 12. Juli 2023

Eine versteckte Steuererhöhung durch die Hintertür oder das Ende der Benachteiligung von Frauen? An der von SPD-Chef Lars Klingbeil geforderten Abschaffung des Ehegattensplittings für neu geschlossene Ehen scheiden sich die Geister. Pünktlich zur parlamentarischen Sommerpause hat der Ampelkoalitionspartner ein weiteres heißes Eisen zur Diskussion in den Ring geworfen.

Splitting vor 65 Jahren eingeführt

Auf der Suche nach Einsparmöglichkeiten im Bundeshaushalt möchten die Sozialdemokraten das 1958 eingeführte Ehegattensplitting abschaffen und dafür nicht ans Elterngeld rangehen. In der Debatte über Einschnitte beim Elterngeld hatte Klingbeil daher als Alternative die schnelle Abschaffung der Steuervorteile durch das Ehegattensplitting für alle neuen Ehen gefordert.

„Wir schaffen endlich das Ehegattensplitting ab. Damit würden wir dem antiquierten Steuermodell, das die klassische Rollenverteilung zwischen Mann und Frau begünstigt, ein Ende setzen. Und der Staat würde Geld sparen“, sagte Klingbeil dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“. Aus dem Bundesfinanzministerium heißt es, eine Abschaffung würde Familien und Paare mit etwa 25 Milliarden Euro im Jahr belasten.

Zudem ergänzte Klingbeil: „Ich bin dafür, dass höhere Einkommen mehr schultern und mehr Verantwortung tragen.“ Verteilungsfragen kläre man allerdings über die Steuerpolitik, nicht über das Elterngeld. Dieses sei keine Sozialleistung, sondern solle Männer motivieren, mehr Verantwortung in der Familie zu übernehmen.

Unterstützung bekommt Klingbeil vom Bundesarbeitsminister und Parteifreund Hubertus Heil. Der meinte gegenüber der „Rheinischen Post“, dass eine „Reform des Ehegattensplittings aus arbeitsmarktpolitischer Sicht absolut sinnvoll ist“. Und weiter: „Viele Frauen sind sehr gut ausgebildet, arbeiten aber nur Teilzeit – und das nicht nur, weil sie sich um Kinder und Familie kümmern, sondern auch, weil sich Mehrarbeit aus steuerlichen Gründen zu wenig lohnt“, führte Heil aus. Die Koalition solle „in Ruhe“ über eine „Modernisierung des Steuerrechts“ reden.

FDP: Splitting leitet sich aus Grundgesetz ab und muss bleiben

Die Idee des Sozialdemokraten stößt beim Koalitionspartner FDP allerdings auf wenig Gegenliebe. Daher schlägt dieser eine andere Aufteilung der Gelder vor. In der Fernseh-Talkshow „Anne Will“ vom Sonntag, 9. Juli, sagte der Vizevorsitzende der Liberalen, Johannes Vogel: „Ich finde es falsch, wenn wir jetzt einfach das Elterngeld mit dem Rasenmäher abrasieren, auch in einem Bereich, wo wir reden über Ingenieurinnen und Ingenieure, Ärzte.“

Der Parlamentsgeschäftsführer unterstützte einen Vorschlag aus seiner Partei, von den Paaren eine stärkere zeitliche Angleichung ihrer Elternmonate zu verlangen. Geschieht das nicht, soll nur ein Partner Elterngeld erhalten. Zudem habe Familienministerin Lisa Paus (Grüne) auch „im Bereich der zahlreichen Förderprogramme noch ein gewisses Einsparpotenzial“, meint Vogel.

Ein Irrglaube, denn von der Idee ist Paus nicht begeistert und wies den Vorschlag in derselben Sendung postwendend zurück. „Wenn das mit der Partnerschaftlichkeit funktioniert, dann ist das keine Kürzung“, sagte sie. „Deswegen kann ich das auch nicht vorschlagen.“

Alternative Sparmöglichkeiten wären ihrer Ansicht nach nur Kürzungen beim Unterhaltsvorschuss für alleinlebende Frauen, deren Partner seiner Zahlungspflicht nicht nachkommt, sowie beim Kinderzuschlag. Beides wolle sie aber nicht, betonte die Grünen-Politikern.

Bei den freien Programmen kürze sie bereits, deshalb werde es etwa weniger Möglichkeiten für Freiwilligendienste geben. „Ich bin offen für bessere Vorschläge – aber ich habe mir das angeschaut und bin unter all diesen schlechten Varianten zu der aus meiner Sicht besten Variante gekommen“, erklärte Paus mit Blick auf die Streichung des Elterngelds für Vielverdiener. „So werde ich das jetzt auch einbringen“, betonte sie.

FDP-Fraktionschef Christian Dürr betonte, dass sich das Ehegattensplitting aus Artikel 6 des Grundgesetzes ableite, das die Ehe unter besonderen Schutz stelle. „Schon deswegen muss es bleiben“, forderte er im Gespräch mit dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ (RND). FDP-Vize Wolfgang Kubicki sprach in der „Stuttgarter Zeitung“ und den „Stuttgarter Nachrichten“ von einem „völlig unausgegorenen, nicht vom Koalitionsvertrag gedeckten Vorschlag“.

FDP: Wer Koalitionsvertrag widerspricht, provoziert Streit

Offenbar die schlechten Umfragewerte der Regierung bei der Bevölkerung hat FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai im Hinterkopf, als er gegenüber der „Deutschen Presse-Agentur“ sagte: „Angesichts des Erscheinungsbildes der Koalition ist der Vorstoß des SPD-Vorsitzenden ein Rätsel“.

„Wer immer neue Vorschläge macht, die dem Koalitionsvertrag widersprechen, der provoziert immer wieder neu Widerspruch und Streit“, warnte er. Mit öffentlichen Auseinandersetzungen innerhalb der Koalition rechnet sein Parteifreund Vogel aber dennoch. Zwar räumte er gegenüber dpa ein, dass die Koalition im Stil besser werden müsse.

Aber: „Vielleicht müssen wir uns auch daran gewöhnen, dass Debatten inhaltlich – das eine ist ja Stil, das andere Inhalt –, inhaltlich öffentlicher stattfinden als in Koalitionen alter Art.“ Das müsse ja auch „nichts Schlechtes sein, wenn am Ende ein gutes Ergebnis steht“.

DGB für Abschaffung, Wohlfahrtsverband dagegen

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und die Linke haben den Vorstoß von SPD-Chef Klingbeil zur Abschaffung des Ehegattensplittings befürwortet. „Wer die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern am Erwerbsleben und die partnerschaftliche Verteilung von Familienarbeit fördern will, kann das Ehegattensplitting nicht unangetastet lassen“, unterstrich die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack.

„Vor allem die Steuerklasse 5 mit ihrer übermäßig hohen Steuerbelastung für die weniger verdienende Person in der Ehe – und meist ist das die Frau – macht reguläre Beschäftigung unattraktiv und treibt Frauen in Minijobs“, glaubt Hannack.

Michaela Engelmeier, Vorstandsvorsitzende des Sozialverbands Deutschland, sagte, die jetzige Regelung sei „gleichstellungspolitisch nicht optimal gestaltet“. Die Steuervorteile führten dazu, dass meist die Frau ihre Erwerbstätigkeit deutlich zurückfahre. Sie forderte eine zeitgemäße Ehegattenbesteuerung.

Ulrich Schneider, Geschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, äußerte sich kritisch zu Klingbeils Vorschlag. „Das Ehegattensplitting, das auch für viele Familien mit durchschnittlichen und niedrigen Einkommen relevant ist, abzuschaffen, um ausgerechnet das Elterngeld für Bestverdiener zu finanzieren, scheint wenig durchdacht und käme einer Umverteilung von unten nach oben gleich“, kommentierte er den SPD-Vorstoß.

Zustimmung und Kritik aus der Opposition

Der Linken-Abgeordnete Christian Görke befürwortete Klingbeils Vorschlag ebenfalls. Es sei „richtig, das Ehegattensplitting zu streichen – anstatt das Elterngeld zu kappen“. Dadurch würde etwas für die Gleichstellung getan und noch dazu erheblicher Spielraum im Haushalt geschaffen.

„Nichts anderes als eine gigantische Steuererhöhung“ ist eine Abschaffung aus Sicht des parlamentarischen Geschäftsführers der Unionsfraktion, Thorsten Frei (CDU). Das Ehegattensplitting sei „insbesondere für kinderreiche Familien mit niedrigem und mittlerem Einkommen von hoher Bedeutung“, sagte er dem „Spiegel“.

Die AfD hatte sich in der Vergangenheit für eine Erweiterung des Ehegattensplittings zu einem Familiensplitting ausgesprochen. Dabei sollten Kinder mit in das Splitting einbezogen werden, anstatt sie über die Freibeträge steuerlich zu berücksichtigen.

Einkommensgrenze für Elterngeld halbieren

Ehegattensplitting bezeichnet das Verfahren, nach dem Ehepaare und Lebenspartnerschaften besteuert werden, die keine Einzelveranlagung wählen. Dabei wird das gemeinsame Einkommen halbiert, die darauf entfallende Einkommensteuer berechnet und anschließend die Steuerschuld verdoppelt. Das nützt vor allem Paaren, bei denen einer viel und der andere wenig verdient. Von der OECD und der EU-Kommission wurde Deutschland öfter für das Ehegattensplitting kritisiert – mit dem Argument, dass es Frauen vom Arbeitsmarkt fernhalte.

Die FDP argumentiert, die Abschaffung käme einer Steuererhöhung für Ehepaare und Lebenspartner gleich – und Steuererhöhungen hat die Ampel-Koalition ausgeschlossen.

In ihrem Koalitionsvertrag haben sich SPD, Grünen und FDP eigentlich eine Reform und keine Abschaffung vorgenommen: Nur die Steuerklassen beim Ehegattensplitting sollen geändert werden. Beide Partner würden dann in Steuerklasse 4 einsortiert, was die monatliche Steuerlast etwas umverteilt. Eine Abschaffung, wie Klingbeil sie vorschlägt, scheint in einer Koalition mit der FDP schwer vorstellbar.

Klingbeil hat seinen Vorstoß ausdrücklich nur für neue Ehen und Partnerschaften gemacht. Wer das Splitting bisher nutzt, könnte das also auch dann weiter tun, wenn sich der Vorschlag des SPD-Chefs durchsetzen würde.



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