Ex-„Spiegel“-Starreporter Relotius: Ich habe den Beruf von Anfang an missbraucht

Claas Relotius ist wieder da. Zweieinhalb Jahre nach dem Fake-Story-Skandal um seine teils erfundenen Geschichten, ist der ehemalige Starreporter des „Spiegel“ für ein Interview mit dem Schweizer Magazin „Reportagen“ wieder in der Medienszene aufgetaucht.
Titelbild
Der „Spiegel“ in Hamburg.Foto: iStock
Von 4. Juni 2021

Der Fall Claas Relotius erschütterte vor rund zweieinhalb Jahren die Medienwelt. Der preisgekrönte einstige Starreporter des „Spiegel“ stolperte über seine eigenen Geschichten, denen er mit Erfindungen und Halbwahrheiten zu mehr Glanz verholfen hatte. Aufgedeckt hatte die Fälschungen sein Kollege Juan Moreno, mit dem Relotius an der Reportage „Jaegers Grenze“ (S. 12 der überprüften Relotius-Texte, PDF) gearbeitet hatte.

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Dem in Deutschland lebenden spanischen Journalisten Moreno waren Ungereimtheiten im Text von Relotius aufgefallen. Er recherchierte vor Ort in den USA nach und teilte seine Ergebnisse dem „Spiegel“ mit. Relotius gestand später und kündigte am 17. Dezember 2018. Zwei Tage später ging der „Spiegel“ an die Öffentlichkeit.

Relotius im Interview

Nun sprach Claas Relotius erstmals nach dem Skandal öffentlich in einem Interview mit der Schweizer Zeitschrift „Reportagen“. Relotius hatte zwischen 2013 und 2016 fünf Texte geschrieben, von denen mindestens vier nicht sauber waren, wie Recherchen der Zeitschrift ergaben. Betroffen war davon unter anderem auch die mit dem Deutschen Reporterpreis ausgezeichnete Geschichte über demente Häftlinge in den USA.

Nach der Aufdeckung des Skandals war Relotius für mehrere Monate in stationärer psychiatrischer Behandlung. Man sei in Kontakt geblieben, Relotius habe sich entschuldigt. Im Sommer 2020 traf man sich mehrfach zu ausführlichen Gesprächen in Hamburg mit ihm, der zu der Zeit bereits in ambulanter Therapie war.

Er versicherte den Reportern Offenheit in allen Fragen, sprach von „Realitätsverlust“ und “psychotischen Störungen“. Vor der Entscheidung zum Interview sprach „Reportagen“ mit den Psychiatern und Therapeuten von Relotius und erhielt Einsicht in die Berichte. Das Magazin sprach mit ehemaligen „Spiegel“-Kollegen, mit Freunden, anderen Weggefährten und unabhängigen psychiatrischen Experten. Dann entstand das Interview.

Kein schlechtes Gewissen

Relotius bereute, jahrelang Dinge geschrieben zu haben, die nicht stimmten. Er habe vielen damit Unrecht getan. Es gebe nichts zu korrigieren, alles liege da. Er sei Antworten schuldig.

Über seinen damaligen Zustand sagte Relotius: „Hätten mich Freunde vor drei Jahren gefragt, ob ich vernünftig meine Arbeit mache, ob ich mit beiden Beinen im Leben stehe, ich hätte in voller Überzeugung ‚Ja‘ geantwortet.“

Nach seiner psychiatrischen Behandlung distanziert sich der ehemalige „Spiegel“-Reporter von dieser Einschätzung: „Ich kann bei mir heute Phasen oder Denkweisen sehen, die verstörend oder wohl einfach nicht normal sind, aber ich weiß nicht, wo dieses ‚krank‘ beginnen soll“, erklärte Claas Relotius.

Ein großer Teil des Interviews dreht sich um das Fälschen seiner Artikel. Relotius erklärt, dass für ihn schon vor dem Journalismus das „hemmungslose Schreiben (…) eine ganz egoistische Funktion“ gehabt habe.

Es habe ihm geholfen, Zustände, in denen er „den Bezug zur Realität verloren habe, zu bewältigen, zu kontrollieren“ und von sich fernzuhalten. Relotius gesteht, dass er diesen Beruf auf eine Art von Anfang an „missbraucht“ hat. Angst, Zweifel, schlechtes Gewissen – dies alles habe er jahrelang nie gehabt.

Als „Reportagen“ wissen wollte, wie viele seiner insgesamt 120 Texte korrekt gewesen seien, antwortete Relotius: „Wahrscheinlich die allerwenigsten.“ Er habe in der „unverrückbaren Überzeugung“ geschrieben, dass es bei der Erzählform Reportage keinen Unterschied mache, „ob alles 1:1 der Realität entspricht oder nicht“.

An „Jaegers Grenze“ gestolpert

Ein Beispiel aus „Jaegers Grenze“ verdeutlicht, dass nicht nur erfunden, sondern mit den Artikeln auch Politik gemacht wurde. Die Reportage über die Bürgerwehr, die angeblich an der amerikanisch-mexikanischen Grenze Jagd auf Einwanderer machte, endete mit einem filmreifen, aber erfundenen Moment:

Jaeger muss jetzt an Trumps Worte denken. ‚Fangen und zurückschlagen‘, sagt er und legt in Ruhe sein Gewehr an. Er weiß nicht, was da unten im Tal ist, ein Tier oder ein Mensch.
Vielleicht glaubt er, er müsse das, was Trumps Soldaten nicht tun dürfen, nun selbst tun. Vielleicht will er nicht wahrhaben, dass Trumps Worte die ganze Zeit nur Wahlkampf waren, nur eine Show.
Jaeger blinzelt in die Dunkelheit, das Gewehr liegt auf seiner Schulter. Er hat kein Ziel. Er kann nichts sehen. Und irgendwann drückt er ab.“

Die Nachrecherche ergab jedoch, dass ein Sprecher der Bürgerwehr angab, dass sie niemals schießen würden, weil dies gar nicht erlaubt sei. Moreno wurde skeptisch, weil Relotius auf keinen Fall einen Fotografen mitnehmen wollte und auch behauptete, dass sich die Bürgerwehr nicht fotografieren lassen wolle, schreibt der „Spiegel“ zu dem Fall.

Dabei zeigte sie sich ansonsten gar nicht öffentlichkeitsscheu und Moreno hatte selbst einen der Männer in einem Oscar-nominierten Dokumentarfilm gesehen. Weitere Recherchen ergaben, dass Relotius die Männer nie getroffen hatte.



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