Faesers nächster Fauxpas: „Alle wurden völlig überrumpelt und konnten keine Razzia vorbereiten“

Die Verbote von Hamas und Samidoun wurden offenbar öffentlich zu früh verkündet und intern zu spät organisiert. In jedem Fall aber hatten die Betroffenen Zeit genug, Beweismittel und Geld beiseite zu schaffen. Ein „bisher einmaliger Vorgang“, meint ein anonymer Sicherheitsbeamter.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser hält in Berlin zwei Verbotsverfügungen in den Händen. Sie hat die islamistische Palästinenserorganisation Hamas und das pro-palästinensische Netzwerk Samidoun verboten.
Archivbild: Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte am 2. November Verbotsverfügungen gegen die Hamas-Organisation und den Verein Samidoun erlassen. Die Sicherheitsbehörden erfuhren offenbar zu spät davon.Foto: Michael Kappeler/dpa
Von 6. November 2023

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) gerät nicht aus den Schlagzeilen. Bei ihren Verbotsverfügungen gegen die pro-palästinensischen Organisationen Hamas und Samidoun in der vergangenen Woche soll sie sich unnötige Fehler geleistet haben, heißt es mehreren Medienberichten zufolge aus Kreisen des deutschen Sicherheitsapparats, der Opposition und sogar aus den Reihen der Ampelparteien.

Wie der „Tagesspiegel“ als Erstes berichtete, hätten sich deutsche „Sicherheitsbehörden“ alles andere als erfreut darüber geäußert, dass BMI-Chefin Faeser ihre Verbotsbeschlüsse am Donnerstag, 2. November, überraschend bekannt gegeben hatte, ohne die zuständigen Behörden in den 16 Bundesländern oder das Bundeskriminalamt rechtzeitig vorher zu informieren: „Alle wurden, so heißt es, völlig überrumpelt und konnten keine Razzia vorbereiten“, vermeldete die Zeitung „Welt“ unter Berufung auf den „Tagesspiegel“ (Bezahlschranke).

Razzien fanden nicht statt

Eine „Ministeriumssprecherin“ habe bestätigt, dass es keinerlei Durchsuchungen im Umfeld von Hamas-nahen Gruppierungen oder beim Verein Samidoun gegeben habe, um beispielsweise Beweismittel sicherzustellen. Da Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) die Verbotsabsicht bereits am 12. Oktober in seiner Regierungserklärung angekündigt hatte, hatten die Aktivisten also fast drei Wochen Zeit, um belastendes Material verschwinden zu lassen. Ein namentlich nicht genannter „ranghoher Beamter des Sicherheitsapparats“ habe mit seinem Unmut über die vertane Chance nicht hinterm Berg gehalten:

Die Show in den Medien war der Ministerin anscheinend wichtiger, als ein echtes Vorgehen gegen Strukturen der Hamas“,

zitiert die „Welt“ den anonymen Staatsdiener. Der habe von einem „bisher einmaligen Vorgang“ gesprochen. Aus Kreisen „mehrerer Sicherheitsbehörden“ sei zudem die Meinung laut geworden, Ministerin Faeser fahre „den Sicherheitsapparat […] an die Wand“.

Die „Verbotsverfügungen“ des BMI – also Papiere, die den Behörden vorliegen müssen, um bei dem Verbot von Organisationen tätig werden zu können – habe Faeser erst „am Mittwochabend“ unterschrieben. Für die „Arbeitsebene im Bundesinnenministerium“ sei die Zeit daher zu knapp gewesen, um sämtliche zuständige Stellen der Exekutive über die Verbotsbeschlüsse zu unterrichten. Erst „nach Faesers Pressekonferenz“ hätten sich „leitende Beamte“ gefragt, „was denn nun geschehe und warum es keine Razzia gebe“, so die „Welt“.

Throm (CDU): Vorgehen von Scholz und Faeser „äußerst unüblich“

Als „äußerst unüblich“ habe Alexander Throm (CDU), der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, die Tatsache beschrieben, dass zwischen Verbotsankündigung des Kanzlers und Verbotsausfertigung durch die Innenministerin so viel Zeit verstrichen sei. „Betroffene“ hätten damit „mehr als genug Zeit“ gehabt, „Vermögenswerte zu verschieben und neue ‚Ersatzvereine‘ zu gründen“, zitiert ihn die „Welt“.

„Die Krone“ bestehe für ihn allerdings darin, dass die Verbote „nicht einmal mit den zuständigen Behörden der Länder koordiniert und abgestimmt worden“ seien, so Throm. „Es ist also alles beim Alten: zu wenig, zu planlos, zu spät“, stichelte der Fraktionsvertreter der aktuell größten Oppositionspartei.

Sein Parteikollege Michael Stübgen, seines Zeichens Innenminister des Landes Brandenburg, kritisierte nach Informationen von „rbb24.de“ ebenfalls, dass Kanzler Scholz die geplanten Verbote öffentlich angekündigt hatte. So hätten die „betroffenen Vereine“ lange Zeit zur Vorbereitung gehabt. Inzwischen sei „unwahrscheinlich“, dass Behörden jetzt noch etwas vorfinden würden.

In Brandenburg selbst steht vor allem das Islamische Zentrum Fürstenwalde im Oder-Spree-Kreis im Fokus der Sicherheitsbehörden – wegen seiner mutmaßlichen Verbindungen zur Hamas und zur Muslimbruderschaft. Der Landesverfassungsschutz hatte das Zentrum Mitte Juli 2023 deshalb „als gesichert extremistische Bestrebung eingestuft“, wie „rbb24.de“ berichtet hatte. Der Verein selbst bestreitet allerdings sämtliche Vorwürfe.

Kubicki: „Merkwürdig“, „problematisch“, „unglücklich“

Auch aus den Reihen der Ampelparteien gab es Unverständnis über das BMI-Prozedere: Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) habe es als „mehr als merkwürdig“ bezeichnet, dass Faeser überhaupt mehrere Wochen gebraucht habe, um ihre Verbotsverfügungen „zu erarbeiten“.

Für „noch problematischer“, so Kubicki laut „Welt“, halte er den Umstand, dass „die Legislative“ Faeser ausdrücklich habe auffordern müssen, „ihrem Auftrag gemäß Vereinsgesetz nachzukommen“. Faeser habe „dem antisemitischen Treiben“ zuvor wohl „tatenlos zugesehen“. Außerdem hätten „Beweismittel in dieser langen Zeit fortgeschafft“ werden können, was „zu erwarten“ gewesen sei. „Alles in allem wirkt dieses Vorgehen sehr unglücklich“, habe Kubicki nachgeschoben.

Von Storch: Organisationsverbot statt Betätigungsverbot!

Für die AfD hatte sich die stellvertretende Fraktionschefin und Bundessprecherin Beatrix von Storch bereits direkt nach der Verbotserklärung durch Nancy Faeser zu Wort gemeldet. In einer Presseerklärung kritisierte sie das Betätigungsverbot gegen die Hamas als „nicht nur zu spät“, sondern auch als „nicht ausreichend“.

Ihrer Meinung nach wäre „ein Organisationsverbot“ die bessere Antwort gewesen, „um die Organisation und ihre Strukturen nachhaltig zu zerschlagen“, so von Storch. Dasselbe forderte sie auch für die Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP) und für die Hisbollah, deren Betätigungsverbot in Deutschland „weitgehend folgenlos“ geblieben sei.

„Wenn man die Bundesregierungen und deren Innenminister an ihren Taten“ messe, fehle es „an der notwendigen Entschlossenheit, so dass die Bekenntnisse zu Israel und gegen Antisemitismus vollkommen unglaubwürdig sind“, betonte von Storch.

Internetauftritte im Visier

Nach Angaben des Onlineportals „Börse online“ haben die Sicherheitsbehörden des BMI nun „die Social-Media-Kanäle des palästinensischen Netzwerks“ Samidoun im Visier. Auch die Firmierungen HIRAK – Palestinian Youth Mobilization Jugendbewegung (Germany) und Hirak e. V. sind von dem Verbot betroffen.

Die Netzwerkbetreiber würden nun über das Verbot des pro-palästinensischen Gefangenensolidaritätsvereins informiert und „die nächsten Schritte eingeleitet“, habe eine „Sprecherin des Ministeriums“ am 4. November erklärt. Der Betrieb einer eigenen Internetseite sei Samidoun nun verboten. Details zur Verbotsverfügung wurden bereits am 2. November bei Bundesanzeiger.de veröffentlicht und wirksam. Demnach sind auch der spezielle Samidoun-Schriftzug, das Hirak-Logo und die Parole „Vom Fluss bis zum Meer“ untersagt.

Noch immer online – und selbstbewusst

Die mehrsprachige Samidoun-Website, die auch ein deutschsprachiges Informationsangebot enthält, ist unter Samidoun.net allerdings noch immer problemlos abrufbar. Auch der internationale X-Kanal „Samidoun Network“ und der Facebook-Auftritt „SamidounDeutschland“ sind mit Stand Montag, 6. November, 11 Uhr, noch zu erreichen. Dasselbe gilt für die entsprechenden Kanäle auf Instagram, TikTok, YouTube und Telegram.

Weder in der virtuellen Welt noch auf den Straßen sieht es momentan also danach aus, als ob sich die Samidoun-Sympathisanten sonderlich einschüchtern lassen wollten.

Wie unter anderem das Nachrichtenmagazin „Focus“ meldete, reagierte der Verein noch in der Nacht zum Samstag, 4. November, auf Facebook und Instagram mit einer spöttischen Fotomontage. Die Collage habe Ministerin Faeser abgebildet, „wie sie die Verbotsverfügungen gegen Hamas und Samidoun präsentiert“. Im Hintergrund sei die „nahöstliche Süßspeise“ Baklava zu sehen gewesen. Es handele sich um jene Leckerei, „die Samidoun-Aktivisten am 7. Oktober, dem Tag des Angriffs der Hamas auf Israel, in der Sonnenallee [des Berliner Stadtteils Neukölln] verteilt hatten“. Direkt daneben habe es die Ansagen „Lang lebe unser tapferer Widerstand, der die Besatzung und ihre Unterstützer in ihrem Kern zutiefst erschüttert hat!“ und „Wir sehen uns im Gerichtssaal“ gegeben.

Die Hamas wird nach Angaben von „rbb24.de“ von der EU „ schon seit Jahren als Terrororganisation eingestuft“. Damit sei sie „de facto“ schon länger in Deutschland verboten. Das nun verhängte ausdrückliche Hamas-Betätigungsverbot mache es „jedoch einfacher, Maßnahmen gegen die islamistische Gruppierung durchzusetzen, etwa bei Versammlungen einzuschreiten“. Der Verfassungsschutz gehe davon aus, dass „450 Menschen“ in Deutschland hinter der Hamas stünden, darunter „viele deutsche Staatsbürger“.

Zehntausende lautstark aufseiten der Palästinenser

Am Wochenende hatte es wieder zahlreiche anti-israelische Proteste und pro-palästinensische Demonstrationszüge mit Zehntausenden Teilnehmern unter anderem in Berlin, Düsseldorf, Frankfurt am Main und Bremen gegeben.

In der Ruhrgebietsmetropole Essen hatten Demonstranten sogar die Einrichtung des „Kalifats“ in Deutschland gefordert. Die Union kündigte inzwischen an, die Einbürgerungsreform der Ampelregierung zu Fall bringen zu wollen.



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