Fleischesser und Veganer im Bundestag: Erster Bürgerrat zum Thema Ernährung

Das Thema geht alle an – aber das Format ist ungewohnt. Ein Kreis aus 160 Bürgern soll jetzt loslegen und Vorschläge zur Politik rund ums Essen erarbeiten.
Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (links, SPD) zieht zusammen mit Christine von Blanckenburg vom Nexus Institut bei der Bürgerlotterie im deutschen Bundestag die Teilnehmenden des ersten Bürgerrates «Ernährung im Wandel».
Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (l, SPD) zieht im Juli 2023 zusammen mit Christine von Blanckenburg vom Nexus Institut bei der Bürgerlotterie im deutschen Bundestag die Teilnehmer des ersten Bürgerrates „Ernährung im Wandel“.Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa
Epoch Times29. September 2023

Bürger diskutieren im Bundestag: Am Freitag startet der vom Parlament beschlossenen Bürgerrat. Die erste Diskussionsreihe befasst sich mit Fragen rund um das Thema Ernährung. Parlamentspräsidentin Bärbel Bas (SPD) hatte die 160 Teilnehmer Ende Juli ausgelost. Worum es geht:

Was ist das Ziel des Bürgerrats?

Die drei Ampel-Parteien hatten in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, „neue Formen des Bürgerdialogs wie etwa Bürgerräte“ zu nutzen. Bas sieht in ihnen ein Mittel, die „Kluft“ zwischen Bevölkerung und Parlamentariern wieder etwas zu verkleinern. Andere Sichtweisen aus den Bürgerräten könnten den Parlamentariern zudem helfen, durch Parteiprogramme und Fraktionsentscheidungen zuweilen festgefahrene Positionen zu überdenken.

Warum wurde Ernährung als Thema gewählt?

Der Koalitionsvertrag ließ das Thema offen. Die Regierungsfraktionen entschieden sich für Ernährung, weil dies viele Menschen umtreibt und in ihrem Alltagsleben betrifft. Der Bürgerrat wurde dann im Mai per Parlamentsbeschluss mit dem Titel „Ernährung im Wandel: Zwischen Privatangelegenheit und staatlichen Aufgaben“ eingesetzt.

Worüber soll konkret diskutiert werden?

Der Rat soll sich dazu äußern, was „zu einer transparenten Kennzeichnung von sozialen Bedingungen, von Umwelt- und Klimaverträglichkeit und von Tierwohlstandards“ auf Lebensmitteln gehört. Erörtert werden soll auch, welchen „steuerlichen Rahmen“ der Staat für die „Preisbildung von Lebensmitteln“ setzen sollte. Auch Konzepte gegen Lebensmittelverschwendung stehen auf der Agenda.

Wie wurden die Mitglieder ausgewählt?

Bas hatte Mitte Juni rund 19.300 zufällig ausgeloste Bürger aus 84 ebenfalls per Zufall bestimmten Gemeinden zur Teilnahme eingeladen. Gut 2.220 zeigten Interesse. Ein Algorithmus ermittelte 1.000 mögliche Zusammensetzungen eines Bürgerrates, die vorgegebenen Kriterien entsprechen. Diese sind geografische Herkunft, Geschlecht, Alter, Gemeindegröße und Bildungsstand. Zudem wird sichergestellt, dass auch Veganer und Vegetarier entsprechend ihrem Bevölkerungsanteil vertreten sind. Aus diesen 1.000 möglichen Bürgerratsvarianten loste Bas durch das Ziehen von drei Ziffern einen aus.

Ist es der erste Bürgerrat?

Zumindest der Erste, der durch das Parlament eingesetzt wurde. In der vergangenen Legislaturperiode hatte es bereits einen Bürgerrat zum Thema Außenpolitik unter Schirmherrschaft des damaligen Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble (CDU) gegeben. Dieses Projekt wurde aber von einem Verein organisiert.

Von wann bis wann soll der Bürgerrat tagen?

Der Bürgerrat wird nach der feierlichen Eröffnung am Freitag an insgesamt drei Wochenendsitzungen in Präsenz tagen. Hinzu kommen sechs digitale Abendveranstaltungen. Der Bürgerrat soll seine Beratungen bis zum 29. Februar 2024 abschließen.

Was kostet der Bürgerrat?

Die 160 Teilnehmer erhalten eine Aufwandspauschale von 100 Euro pro Sitzungstag in Präsenz und 50 Euro pro Sitzung in digitaler Form. Hotelkosten werden übernommen. Hinzu kommen Kosten für eine Stabsstelle Bürgerrat im Bundestag und einen externen Dienstleister. Im Haushalt 2023 sind maximal drei Millionen Euro für den Bürgerrat vorgesehen.

Was passiert mit den Ergebnissen?

Der Bürgerrat erarbeitet ein Gutachten mit konkreten Handlungsempfehlungen. „Diese fließen in die parlamentarischen Beratungen ein“, erklärt der Bundestag. Eine Pflicht zur Berücksichtigung gibt es aber nicht: „Was umgesetzt wird und was nicht, entscheiden am Ende aber allein die Mitglieder des Deutschen Bundestages.“

Woran entzündet sich Kritik?

In der Union gibt es die Befürchtung, dass das Vorhaben „die Bedeutung von Parlamenten unterminiert“, wie die CDU-Abgeordnete Gitta Connemann sagte. Auch der CDU-Abgeordnete Philipp Amthor warnte, legitime Bemühungen um mehr Bürgerbeteiligung dürften „nicht zu einer fortschreitenden Erosion des Konzepts der repräsentativen Demokratie führen“.

Die AfD hält Bürgerräte für unnötig und fordert vielmehr „die Einführung von bundesweiten Volksentscheiden“. Die Linksfraktion fordert, dass die Empfehlungen des Bürgerrats „verbindlicher“ für das Parlament sind. (afp/dpa/dl)



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