Scholz will Lokaljournalismus schützen – Kubicki kritisiert „Haltungsjournalismus“

Inmitten der angespannten wirtschaftlichen Situation der Lokalpresse verspricht Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) staatliche Unterstützung für den Lokaljournalismus. Vize-Bundestagspräsident Wolfgang Kubicki (FDP) sieht eine Gefahr für die Gesellschaft durch „Haltungsjournalismus“.
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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) spricht auf dem Kongress der Lokalzeitungen am 1. Juni 2022 in Berlin.Foto: Epoch Times
Von 8. Juni 2022

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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) erklärte in Berlin auf dem Kongress des Verbands Deutscher Lokalzeitungen VDL, 1. Juni, dass sich die Bundesregierung darauf verständigt habe, dass die flächendeckende Versorgung mit regelmäßig erscheinender Presse gewährleistet bleibe. Aktuell prüfe das Wirtschaftsministerium geeignete Fördermöglichkeiten.

Der VDL sieht aufgrund massiv angestiegener Papier-, Vertriebs- und Energiepreise sowie der bevorstehenden Erhöhung des Mindestlohns die Existenz lokaler Verlagshäuser bedroht.

Er begeht in diesem Jahr sein 55-jähriges Jubiläum. Der Verband ist die Interessenvertretung der lokalen und regionalen Zeitungs- und Medienhäuser. In ihm sind rund 80 kleinere und mittlere Tageszeitungen zusammengeschlossen, die über Print und Online etwa fünf Millionen Leser haben.

Im Vorfeld des Kongresses hatte der Kanzler bereits erklärt, dass sich die Bundesregierung dafür einsetze, den Lokaljournalismus – und besonders die Lokalzeitungen – zu schützen und die Rahmenbedingungen ihrer Arbeit zu verbessern.

Scholz sagte weiter: „Die freie und unabhängige Presse ist für eine funktionierende Demokratie schlechthin systemrelevant. Gerade den Lokalmedien gelingt es oft, Bürger zu erreichen und ‚abzuholen‘. Berichterstattung zu lokalen Themen ermuntert auch Bürger zu Engagement und demokratischer Teilhabe, die sich sonst eher rausgehalten hätten. Das ist gelebte Demokratie!“

VDL-Vorsitzender: „Die Rede war so, wie wir erwartet haben“

Gegenüber Epoch Times erklärte der VDL-Vorsitzende Kai Röhrbein nach der Kanzlerrede: „Die Rede war in etwa so, wie wir sie erwartet haben. Erhofft haben wir uns konkretere Zusagen über Summen für eine Zustellförderung bei den Lokalzeitungen, wie sie vielleicht vor ein paar Jahren schon mal genannt worden sind.“

Die Zustellförderung war eine der konkreten Forderungen, die der Verband an die Bundesregierung richtete. Mit ihr sollen Menschen, die in der Zustellung tätig sind, anders entlohnt werden.

„Das Problem ist nicht der Leserschwund“

Röhrbein ist Geschäftsführer der familiengeführten „Walsroder Zeitung“. Sie besitzt eine Auflage von täglich 10.000 Zeitungsexemplaren. 40 Mitarbeiter sind in dem Unternehmen beschäftigt. Zu den aktuellen Schwierigkeiten erklärt er: „Wir müssen im Grunde zwei verschiedene Geschäftsmodelle betreiben.“ Das eine sei das Abo-Modell der gedruckten Zeitung, mit einer nicht ganz unerheblichen Logistik. Und gleichzeitig müsse man, um zu überleben, einen digitalen Abonnentenstamm aufbauen, der andere Ansprüche habe.

Das langsame Schwinden der Anzahl an Lesern der gedruckten Zeitung sei nicht das primäre Problem. „Der häufigste Kündigungsgrund ist bei uns, weil Menschen wegsterben, neben finanziellen Gründen. Wir haben eine sehr treue Leserschaft.“ Das Problem sei das Generieren von neuen Lesern. Es fehle ein Verständnis dafür, dass qualitativ hochwertige Inhalte Geld kosten müssen.

Röhrbein erklärt zudem: „Was uns wirklich verärgert, ist, wie die Internetplattformen mit dem neuen Leistungsschutzrecht für Presseverleger umgehen. So will Google aktuell nur einen einstelligen Prozentsatz bezogen auf künstlich klein gerechnete Umsätze an unsere Verlage weiterreichen, die mit der direkten Anzeige unserer Presseinhalte verdient werden.“

Sein VDL-Vorstandskollege Lutz Schumacher kritisiert zudem die Konkurrenz im Internet durch die steuerfinanzierten öffentlich-rechtlichen Landesrundfunkanstalten. Sie würden auf ihren Websites oder über ihre Apps vermehrt textbasierte Angebote veröffentlichen, die über Programmankündigungen hinausgehen – und das kostenlos. Darin sieht der VDL eine eindeutige Wettbewerbsverzerrung.

Kubicki kritisiert „Haltungsjournalismus“

Im Rahmen des Kongresses gibt es auch eine Diskussionsrunde mit dem stellvertretenden Bundesvorsitzenden der Freien Demokraten und Vize-Bundestagspräsidenten Wolfgang Kubicki. Dieser erklärt, weltweit sei die Meinungsfreiheit nicht auf dem Vormarsch, sondern auf dem Rückzug. Auch die Pressefreiheit sei auf dem Rückzug. Und das auch hier in Deutschland, so der FDP-Politiker.

„Rechtlich sind die Medien in dem, was sie berichten und auch kommentieren, vollständig frei. Aber erreichen sie immer noch alle Regionen unseres Landes und wird die Meinungsvielfalt abgebildet?“, stellt der Bundespolitiker infrage.

Er hat große Bedenken, dass es auch aufgrund der technischen Entwicklung zunehmend zu einer Vereinheitlichung von Meinungsbildung und zu einer qualitativ minderwertigen Berichterstattung kommt.

Vize-Bundestagspräsident Wolfgang Kubicki (FDP) spricht auf dem Kongress der Lokalzeitungen am 1. Juni 2022 in Berlin. Foto: Epoch Times

Als zwei Beispiele werden in der Diskussionsrunde die Themen „Corona-Impfpflicht“ und „deutsche Waffenlieferung an die Ukraine“ genannt. In beiden Fragen sei die Bevölkerung gespalten, heißt es.

„In der veröffentlichten Meinung, vor allem in den Kommentaren, habe ich das nicht entdeckt, sondern da gibt es eine sehr, sehr eindeutige Haltung und kaum ‚Abweichler‘“, so Lutz Schumacher, Geschäftsführer der „Schwäbische Zeitung“ in der Diskussionsrunde.

Darauf äußert Kubicki:

Ja, es gibt dort eine eindeutige Haltung. Und die spannende Frage ist, ob Journalisten dafür bezahlt werden, dass sie ihre Haltung dokumentieren oder dass sie Konflikte analysieren, aufschreiben und vielleicht auch mal hinterfragen, ob die öffentlichen Aussagen tatsächlich so stimmen.“

„Das ist etwas, was ich eigentlich von Journalisten erwarten würde, die ihr Berufsethos ernst nehmen. Dass sie nicht einfach das wieder abdrucken oder niederschreiben, was sie vorfinden, sondern dass sie hinterfragen“, so der FDP-Politiker.

Er akzeptiere Menschen, die beim Corona-Impfen erklären: „Ich will das nicht.“ „Und wenn das Argument – Impfen schützt auch andere – nicht mehr stimmt, weil Impfen andere nicht schützt, weil es keinen Fremdschutz gibt, wie mir gerade wieder vom Bundesgesundheitsministerium bestätigt worden ist, dann spielt die Impfpflicht gar keine Rolle mehr. Weil sie einfach nicht zu begründen ist.“

Zu den Waffenlieferungen äußert Kubicki: Er sei dafür, dass man den Ukrainern Waffen liefert, aber gleichzeitig halte er eine Haltung für nachvollziehbar akzeptabel, die sagt: Wir sollten möglicherweise keine Waffen liefern, mit denen die Ukrainer russisches Territorium erreichen können. Weil die Russen das dann als Motive für einen Kriegseintritt betrachten könnten.“

„Journalismus, wie ich ihn verstehe, wird ersetzt durch eine vermittelte richtige Haltung, ein Auf-der-richtigen-Seite-der-Bewegung-Stehen, des Mainstreams. Das rechtfertigt im Zweifel alles. Aus meiner Sicht schadet das dem Journalismus mehr, als es ihm nützt.“

Wenn man heute „Spiegel Online“ aufschlage, habe man die gleiche Meldung mit dem gleichen Text, auch bei „Welt Online“, bei „NTV online“. „Weil Onlinemedien das auch weitertransportieren. Und so entsteht nach meiner persönlichen Auffassung ‚Mainstream‘.“

Kubicki: Diskussionen werden nicht mehr rational geführt

Zum Impfen äußert Kubicki: „Man muss auch respektieren, dass Menschen schlicht und ergreifend Angst haben vor einer [Corona-]Impfung, und darf das nicht wegwischen. Man darf nicht sagen: ‚Das sind Sozialschädlinge, wenn Sie sagen, ich habe Angst, dass mir Fremdstoffe in meinen Körper implementiert werden, von denen ich gar nicht weiß, wie sie im Zweifel wirken.‘ Wir wissen von allen Impfungen, dass sie Nebenwirkungen haben.“

Er glaubt, diese Gesellschaft habe vor einiger Zeit begonnen, Diskussionen nicht mehr rational zu führen, sondern emotional und immer zwischen gut und böse zu unterteilen. Nicht richtig und falsch, sondern gut und böse.

Im Deutschen Bundestag trifft man überhaupt niemanden mehr, der bereit ist, sich mit den Argumenten der AfD auseinanderzusetzen. Es reicht immer schon zu sagen: ‚Auf Rechts antworten wir nicht!‘ Und schon gibt es einen riesen Applaus im Haus. Ich finde das bescheuert.“

In der Diskussionsrunde geht es dann um die Meinungsfreiheit:

„Wenn 72 Prozent der deutschen Bevölkerung das Gefühl haben, sie können ihre Meinung nicht mehr frei äußern, stimmt in unserem demokratischen Gemeinwesen was nicht.“ Das müsse man ernst nehmen. „Wenn wir das nicht ernst nehmen, dann werden wir erleben, dass sich immer mehr Menschen vom politischen, vom öffentlichen Diskurs, vom Zeitungslesen (…) verabschieden“, so Kubicki.

Er sieht die Gefahr, dass dadurch gerade junge Menschen zu Opportunisten würden: „Wenn junge Menschen das Gefühl haben, sich lieber nicht zu äußern, um ihren Notenschnitt nicht zu gefährden, um ihre Karriere nicht zu gefährden, dann haben wir ein Riesenproblem, weil wir dann eine Gesellschaft von Ja-Sagern werden. Dann sind wir nicht mehr weit weg davon, autokratische Systeme zu etablieren.“

Wenn die Menschen Angst haben, ihre Meinung zu äußern, obwohl man immer wieder erkläre, eines der Fundamente unserer Demokratie sei die Meinungsfreiheit, dann sei das besorgniserregend, erklärt der FDP-Politiker.

Vize-Bundestagspräsident Wolfgang Kubicki (FDP) und Lutz Schumacher, Mitglied des VDL-Vorstands und Geschäftsführer der „Schwäbische Zeitung“ diskutieren auf dem Kongress der Lokalzeitungen am 1. Juni 2022 in Berlin. Foto: Epoch Times

Kubicki: „Sendungen, die mich erziehen wollen, sind mir zuwider“

Das Problem, eine Haltung zu vermitteln, sei laut Kubicki beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ÖRR) noch gravierender. „Sie müssen ihr Geld nicht über Menschen verdienen, die ihre Sendung sehen, sondern sie bekommen das per se, und zwar ziemlich reichlich“, erklärt Kubicki.

Es verführe dann dazu, zu glauben, dass man sich alles erlauben kann. Also Sendungen zu machen, die versuchen, Menschen zu erziehen, so das Bundestagsmitglied. „Diese Sendungen sind mir zuwider.“

„Wir werden uns auf absehbare Zeit mit der Frage beschäftigen müssen, ob bei weiter sinkenden Zuschauerzahlen im Bereich der ÖRR es noch zu rechtfertigen ist, ein so hohes Gebührenaufkommen zu generieren.“



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