Gefahr für Millionen Menschen? Fachärzte warnen vor neuen Ernährungsvorgaben

Was sollen die Menschen essen? Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung hat ihre Empfehlungen überarbeitet. Prompt meldeten sich Fachärzte zu Wort, die diese scharf kritisierten – und als „problematisch“ für die Gesundheit bezeichneten.
Gefahr für Millionen Deutsche? Fachärzte warnen vor neuen Ernährungsvorgaben
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt weniger Fleisch und Eier, dafür 300 Gramm Getreideprodukte täglich. Zum Vergleich: Ein Brötchen wiegt zwischen 70 und 90 Gramm.Foto: iStock
Von 17. März 2024

Mehr Obst und Gemüse, weniger Fleisch und Eier – die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) rät der deutschen Bevölkerung, vor allem auf pflanzliche Lebensmittel zu setzen. Das sei essenziell für eine gesunde und zugleich umweltschonende Ernährung. Die Deutsche Akademie für Präventivmedizin kritisiert die neuen Empfehlungen.

Anne Carolin Schäfer, Ernährungswissenschaftlerin im DGE-Referat Wissenschaft, teilte vor Kurzem mit: „Wir empfehlen, bunt und gesund zu essen und dabei die Umwelt zu schonen. Dazu empfehlen wir eine pflanzenbetonte Ernährung.“

Ebenso betonte DGE-Präsident Bernhard Watzl, dass gesunde Ernährung und Umwelt zusammen gedacht werden müssten. Die neuen Richtlinien der unabhängigen wissenschaftlichen Fachgesellschaft mit Sitz in Bonn berücksichtigten daher neben der Empfehlung zu einer gesunden Ernährung gleichzeitig auch Aspekte wie Nachhaltigkeit, Umweltbelastung sowie die in Deutschland üblichen Verzehrgewohnheiten.

Was empfiehlt die DGE?

Eine gesundheitsfördernde und ökologisch nachhaltigere Ernährung besteht den Empfehlungen der DGE zufolge zu mehr als drei Vierteln aus pflanzlichen Lebensmitteln und zu knapp einem Viertel aus tierischen Lebensmitteln.

Sprich: Die Menschen sollen noch weniger Fleisch, Milch und andere tierische Lebensmittel zu sich nehmen als bisher. Konkret bedeutet dies:

  • Täglich zwei Portionen Milch und Milchprodukte mit insgesamt 400 Gramm pro Tag. Das ist eine Portion weniger als bei den vorherigen Empfehlungen.
  • Maximal 300 Gramm Fleisch und Wurst pro Woche. Bisher lag die Empfehlung bei bis zu 600 Gramm.
  • Nur noch ein Ei pro Woche.
  • Ein bis zwei Portionen Fisch wöchentlich. Hier ist die Empfehlung unverändert.
  • Die Menge an Getreide sollte laut der „Bild“ bei 300 Gramm pro Tag liegen.
Fachärzte

Wie viele Eier pro Woche sind gut? Laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung nur eines pro Woche. Foto: iStock

Die DGE hebt hingegen Hülsenfrüchte wie Erbsen, Bohnen, Linsen stärker hervor. Hiervon sollen es nun mindestens 125 Gramm wöchentlich sein, wie der „Spiegel“ berichtet. Ebenso stieg die Empfehlung für Nüsse auf 25 Gramm täglich an.

Obst und Gemüse stellen auch weiterhin die mengenmäßig wichtigste Gruppe dar. Die Empfehlung, fünf Portionen Obst und Gemüse am Tag zu essen, bleibt. Allerdings entfallen die ergänzenden einzelnen Portionsangaben von drei Portionen Gemüse und zwei Portionen Obst.

Von Süßem, Salzigem und Fettigem rät die DGE auch weiterhin ab. Solche Lebensmittel sollten nicht mehr als acht Prozent der Energieaufnahme ausmachen.

Die neuen Richtlinien basieren laut DGE auf einem neu entwickelten mathematischen Optimierungsmodell, das die Gesellschaft mit Unterstützung von Experten unterschiedlicher Fachrichtungen entwickelt hat.

Können 300 Gramm Getreide gefährlich sein?

Die Fachärzte der Deutschen Akademie für Präventivmedizin bezeichnen die überarbeiteten Empfehlungen „für große Teile der Bevölkerung“ als „problematisch“. Verbandsvize Johannes Scholl teilte der „Bild“ mit:

Für über dreißig Millionen Menschen sind diese Empfehlungen gesundheitsgefährdend, weil schon Vorerkrankungen vorliegen. Betroffen sind alle, die übergewichtig sind, auf Diabetes zusteuern oder schon daran erkrankt sind.“

Wie aus der Pressemitteilung der Ärztevereinigung hervorgeht, haben 300 Gramm Getreideprodukte die Blutzuckerwirksamkeit von umgerechnet rund 50 Teelöffeln Zucker.

Die Fachärzte betonten deutlich, welche Krankheiten vielen Menschen in Deutschland drohen könnten, wenn sie 300 Gramm Getreideprodukte pro Tag verzehren. Das entspreche rund 1.200 kcal oder 60 Prozent der durchschnittlichen Kalorienzufuhr eines Menschen.

Dann haben Millionen Menschen mit Übergewicht und Adipositas, Prädiabetes und Typ-2-Diabetes davon gesundheitliche Nachteile.“

Die Ärzte halten somit besonders die neue Getreideempfehlung der DGE „für nachgerade fahrlässig“. Die Ernährungsgesellschaft würde den gestörten Zuckerstoffwechsel „von zig-Millionen Menschen in Deutschland nicht in ihre Überlegungen einbeziehen“.

Allerdings teilte die DGE im Rahmen ihrer Empfehlungen mit, dass diese für gesunde Erwachsene in Deutschland im Alter von 18 bis 65 Jahren gelten. Also für die gesunde Allgemeinbevölkerung, die sowohl pflanzliche als auch tierische Lebensmittel essen.

Fachärzte: DGE hat eine Eierphobie

Im Weiteren kritisieren die Fachärzte die reduzierten Empfehlungen für Milchprodukte und Fleisch. Es sei „völlig unklar“, ob durch einen geringeren Konsum von Milchprodukten ein relevanter Beitrag zum Stopp des Klimawandels geleistet werden kann.

Die CO₂-Emissionen der deutschen Milchwirtschaft seien jedoch seit 1990 laut Bundesumweltamt stetig gesunken. Auf die Gesundheit der Menschen wirken sich Milchprodukte laut den Fachärzten aber „eindeutig positiv“ aus, wie etliche Studien der jüngsten Zeit belegt hätten.

Der Ärzteverband nimmt an, dass der DGE bei den Empfehlungen zu „tierischen“ Lebensmitteln stark von Argumenten des Klimaschutzes motiviert sei. Bei zu geringen Mengen könne es jedoch bei einigen Menschen zu einer Mangelversorgung kommen. Es drohe ein Mangel an Aminosäuren, aber auch an Kalzium, Eisen, Zink und Vitamin B12.

Eine überwiegend pflanzliche Ernährung, wie sie die DGE favorisiert, würde eine Versorgung dieser Stoffe nicht ausreichend gewährleisten. Denn hierbei sei nicht nur die Zufuhrmenge entscheidend, sondern auch die bei pflanzlicher Kost verminderte Bioverfügbarkeit. Damit ist die Fähigkeit des Darms gemeint, die Nährstoffe aufzunehmen.

In der Kritik steht auch die DGE-Empfehlung von einem Ei pro Woche. Seit Langem sei klar, dass die Cholesterinaufnahme aus dem Darm den Cholesterinspiegel im Blut nicht oder nur unwesentlich beeinflusst. Das bewirke somit kein höheres Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall.

Fachlich betrachtet wird bei vermehrter Cholesterinaufnahme die Eigenproduktion von Cholesterin in der Leber gedrosselt und umgekehrt. Demnach wäre es für die meisten Menschen bezüglich ihrer Cholesterinwerte irrelevant, ob sie zwei Eier am Tag oder nur ein Ei pro Woche verzehren. Die Fachärzte resümierten:

Der Verzicht auf Eier ist aus ernährungsmedizinischer Sicht völlig unsinnig!“

Bundesregierung: Mehr pflanzliche Produkte in Kantinen

Trotz der Kritik der Fachärzte spielen die neuen Empfehlungen in der Ernährungsstrategie der Bundesregierung bereits eine Rolle. Auch Agrar- und Ernährungsminister Cem Özdemir (Grüne) befürwortet die Ratschläge.

So sollen diese demnach in Kantinen und Mensen in Firmen und anderen Einrichtungen umgesetzt werden, in denen täglich Millionen Menschen essen.

Fachärzte

Cem Özdemir begrüßt die neuen Ernährungsempfehlungen der DGE. Foto: Philipp von Ditfurth/dpa

Dort sollen mehr pflanzliche, saisonale und möglichst regionale und ökologisch erzeugte Produkte auf die Speisepläne kommen und auch „so angeboten werden, dass junge Menschen sie gerne zu sich nehmen“, wie es in der Strategie heißt. Die Qualitätsstandards und praktischen Tipps der DGE sollen in Schulen und Kitas bis 2030 verbindlich etabliert werden.

Die Grünen-Fachpolitikerin Renate Künast begrüßte die Empfehlungen, in denen der Verzehr überwiegend pflanzlicher Lebensmittel besonders hervorgehoben werde. „Gesunde Ernährung ist kein kompliziertes Hexenwerk“, sagte die Bundestagsabgeordnete.

„Wir alle können durch unsere Essgewohnheiten mit einfachen Mitteln dazu beitragen, dass wir unsere Gesundheit und gleichzeitig die Umwelt schonen.“ Sie freue sich, dass die Empfehlungen als Grundlage in die Gemeinschaftsverpflegung einfließen würden.

Warnende Worte äußerte hingegen CDU-Wirtschaftschefin Gitta Connemann. Sie sagte: „Keine Eier, keine Milch, dafür Getreide satt – Kernempfehlungen der DGE sind überholt, fachlich daneben, manche sogar ungesund. Aber für die Ernährungsstrategie der Bundesregierung sind diese dogmatischen Empfehlungen gesetzt.“

(Mit Material der Agenturen)



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