Gewerkschaft in Hessen: Schulklassen sollen Bundeswehr-Präsentation am Hessentag fernbleiben

"Bedenken Sie die hohe Verantwortung, die Sie für die Ihnen anvertrauten Schülerinnen und Schüler haben", heißt es in einem Schreiben der GEW Hessen an die hessischen Schulleiter. In dem Schreiben wird den Schulen nahegelegt den Präsentationen der Bundeswehr beim Hessentag fernzubleiben.
Titelbild
Symbolbild: Die GEW Hessen wendet sich an die hessischen Schulleiter, um ihnen nahezulegen den Bundeswehrpräsentationen beim 58. Hessentag mit den Klassen fernzubleiben.Foto: PATRIK STOLLARZ/AFP/Getty Images
Epoch Times11. Mai 2018

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) will verhindern, dass Schüler am 58. Hessentag in Korbach die Bundeswehr besuchen. Diese präsentiert sich dort als Arbeitgeber. Deshalb schrieb die GEW, Landesverband Hessen, einen Brief an die hessischen Schulleiter.

Das Schreiben wurde von den beiden Vorsitzenden sowie der beiden stellvertretenden Vorsitzenden der GEW Hessen, Birgit Koch und Maike Wiedwald unterzeichnet.

In dem Schreiben der GEW Hessen heißt es unter anderem:

Wie wir wissen, hat sich die Bundeswehr im Vorfeld auch an viele Schulen gewandt Gast beim Arbeitgeber Bundeswehr [beim Hessentag] zu sein. Die Bundeswehr bietet dabei kostenlosen Hin- und Rücktransport, Mittagsimbiss und Informationen über Ausbildungs- und Studienmöglichkeiten und will die vor Ort dargestellten Truppenteile und Gerätschaften präsentieren“.

Doch die Bundeswehr sei kein Arbeitgeber wie jeder andere, heißt es in dem Schreiben weiter. Bevor die GWE konkret die kritischen Punkte aufzählte, zitierte die Gewerkschaft aus dem Darmstädter Echo vom 10.06.2017 zum Hessentag 2017:

„Die Streitkräfte zeigen mit Tornado-Cockpit und Sanitätspanzer, mit Schleudersitz, Fernmeldegerät, Splitterwesten und Fallschirmausrüstung eine Technik, der durchaus eine gewisse Faszination innewohnt. Die meisten Besucher zeigen sich interessiert, klettern in Panzer, legen Westen an, lassen ihre Kinder den Gefechtshelm aufsetzen. Ein Zuschauermagnet sind die Vorführungen der Diensthunde und vor allem der Spezialkräfte des Heeres, die Nahkampf und die „Festsetzung eines Hochwertziels“ demonstrieren. Dass die Vorführungen mit aufputschendem Rock mit Refrains wie „I kill cause I‘m hungry“ (Ich töte, weil ich hungrig bin) oder „Only the strongest will survive“ (Nur die Stärksten werden überleben) untermalt werden, gehört zu den eher verstörenden Momenten der Bundeswehr-Präsentation.“

Dann wird das Schreiben konkret:

„Die Ausbildung zum Soldaten oder zur Soldatin bedeutet, das Töten zu lernen. Bei der Bundeswehr kann man jederzeit gegen seinen Willen in einen Auslandseinsatz geschickt werden. In den Auslandseinsätzen der Bundeswehr werden Soldatinnen und Soldaten Gefahr  laufen, das Gelernte anwenden zu müssen. Sie müssen zudem mit dem Risiko leben, selbst traumatisiert, verletzt oder gar getötet zu werden.“

Rekrutierung von Minderjährigen durch Bundeswehr

Danach wird die Rekrutierung von Minderjährigen durch die Bundeswehr thematisiert, die laut UN-Kinderrechtskonvention verboten ist.

Bei der Bundeswehr können Jugendliche bereits „nach Beendigung der Mindestschulzeit und dem Mindestalter von 17 Jahren“, eine militärische Ausbildung beginnen. „Daher kritisiert der UN-Fachausschuss für die Rechte des Kindes die Rekrutierungs- und Werbemaßnahmen der Bundeswehr deutlich“ , heißt es in dem Schreiben der GEW Hessen.

Beim nächsten Punkt wird deutlich gemacht, dass die Schüler zu einem großen Teil „noch minderjährig sind und deshalb die Konsequenzen, die eine Ausbildung bei der Bundeswehr für sie und ihr weiteres Leben hätte, nicht im vollen Umfang überblicken können.“

Wesentliche Grundrechte werden eingeschränkt

Ein weiterer wesentlicher Punkt auf den hingewiesen wird, ist der Verzicht auf „wesentliche Grundrechte, wie das Recht auf körperliche und geistige Unversehrtheit und Leben ist obligat; Bürgerrechte, wie die freie Meinungsäußerung und Willensbildung sind eingeschränkt; Gehorsamsverweigerung wird bestraft.“

Schließlich geht die GEW Hessen in ihrem Schreiben auch auf die öffentlich gewordenen Bundeswehr-Skandale ein: Zweifelhafte Ausbildungsmethoden, Machtmissbrauch von Vorgesetzten, Mobbing gegen Auszubildende, Erniedrigungen und Vergehen gegen die Menschenwürde werden aufgezählt.

Zu Tode gekommener Offiziersanwärter in Munster

In Munster ist es unlängst zu einem Todesfall in der Bundeswehr gekommen. Der Fall sorgte für großes Aufsehen.

In dem rechtsmedizinischem Gutachten zu dem Tod des 21-jährigen Offiziersanwärter in Munster wurden schwere Vorwürfe gegen zwei Ausbilder des Heeres erhoben, auch dies wird in dem Schreiben erwähnt. Außerdem werden die zahlreichen Berichte „über sexuelle Übergriffe vor allem auf Soldatinnen sowie über rechtsextreme Tendenzen und Vorfälle“, hervorgehoben.

Das Schreiben macht auch deutlich, dass beim Hessentag rhetorisch versierte Jugendoffiziere und Karriereberater der Bundeswehr anwesend sein werden die die „spannenden Seiten“ des Soldatenberufs hervorheben würden. Das Überwältigungsverbot des „Beutelsbacher Konsens“ werde somit nicht eingehalten, heißt es in dem Brief.

Schließlich geht das Schreiben darauf ein, dass es sich bei der Bundeswehr nicht [mehr] um eine demokratisch legitimierte Parlaments- und reine Verteidigungsarmee, handelt, was sich in der Öffentlichkeit darin widerspiegelt, dass die „fragwürdige Legitimation der Vielzahl an weltweiten Auslandseinsätzen“ vermehrt kritisch hinterfragt werde.

Schulklassen sollten vom Besuch der Bundeswehr absehen

Daher wird von der GEW Hessen aufgerufen von Klassenfahrten zur Bundeswehr am 58. Hessentag abzusehen und „auch mit weiteren Bundeswehrangeboten kritisch umzugehen“.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hat ca. 280.000 Mitglieder, die in pädagogischen und wissenschaftlichen Berufen arbeiten: In Schulen, Kindertagesstätten, Hochschulen und anderen Bildungseinrichtungen. Die GEW setzt sich für gute Arbeitsbedingungen, faire Entgelte, unbefristete Arbeitsverträge und sichere Arbeitsplätze im Bildungsbereich ein. (er)

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