50 Jahre BAföG: Forderung nach grundlegender Reform

Gut 36 Millionen Menschen in Deutschland bekamen über die Jahre Bafög, gab das Statistische Bundesamt am Dienstag mit. Nun werden die Stimmen lauter, die eine grundlegende Reform fordern.
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Studenten in einem Cafe.Foto: iStock
Epoch Times31. August 2021

Bundesbildungsministerin Anja Karliczek hat zum 50. Jahrestag der Bafög-Einführung eine positive Bilanz gezogen. Auf die vielen persönlichen Erfolgsgeschichten, die dadurch ermöglicht worden seien, könne man als Gesellschaft stolz sein.

„50 Jahre Bafög sind ein beispielloser nationaler Kraftakt für Chancengerechtigkeit in Deutschland“, sagte die CDU-Politikerin der Deutschen Presse-Agentur.

Karliczek sprach sich zugleich für eine Reform der Studienförderung nach der Bundestagswahl aus. „Wir sollten das Bafög in der nächsten Legislaturperiode weiterentwickeln und flexibilisieren.“ Die Bildungsministerin kann sich eine Erhöhung der Altersgrenze beim Bafög vorstellen, damit auch Menschen, die sich später im Leben für ein Studium entscheiden, die Leistung beantragen können.

Kritische Stimmen zum Jubiläum kommen von Opposition, Gewerkschaften und vom Deutschen Studentenwerk (DSW), das sich um die Bearbeitung der Bafög-Anträge und die Auszahlung der Leistung kümmert. Sie fordern grundlegende Reformen, da die Zahl der Bafög-Empfänger laut Statistischem Bundesamt von Jahr zu Jahr weiter sinkt.

„Vom ursprünglichen Ziel des Bafög, Chancengleichheit im Bildungssystem herzustellen, ist heute nicht mehr viel übrig“, sagte die stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Elke Hannack, der dpa. Deutschland könne und dürfe es sich nicht leisten, Arbeiterkinder von ihren Bildungschancen abzuschneiden. Der DGB fordert eine Bafög-Reform, „die wieder mehr Breitenförderung zulässt“. Die soziale Herkunft dürfe nicht über die Bildungschancen entscheiden.

Zahlen zuletzt gesunken

Nach einem Höchststand von 979.000 Bafög-Empfängern (einschließlich Schüler-Bafög) im Jahr 2012 ist die Zahl zuletzt immer weiter gesunken und lag 2020 laut Statistischem Bundesamt bei nur noch 639.000.

Ein Blick zurück: Am 1. September 1971 trat das „Bundesausbildungsförderungsgesetz“ (Bafög) in Kraft. Die dafür zuständige Bundesjugendministerin Käte Strobel (SPD) sprach damals von einem „ganz erheblichen Stück Weg zum Abbau von Bildungsschranken.“ Die Ausbildungsförderung werde „einen ganz beachtlichen, ja, entscheidenden Schritt“ zugunsten besserer Bildungschancen vorangebracht.

Das Bafög wurde über die Jahre mehrfach reformiert. Erst war es ein reiner Zuschuss ohne Rückzahlung. Später wurde es zum Volldarlehen umgewandelt. Seit 1990 gilt die Regel: Eine Hälfte gibt’s geschenkt, die andere muss zurückgezahlt werden, allerdings inzwischen nicht mehr als 10 010 Euro. Die Bafög-Höhe bemisst sich unter anderem am Einkommen der Eltern und am Vermögen. Derzeit gibt es maximal 861 Euro.

Laut Statistischem Bundesamt haben mehr als 36 Millionen Menschen seit Beginn der Erhebung durch das Amt im Jahr 1975 die Leistung erhalten. Am Anfang profitierten laut Hochschulrektorenkonferenz 270.000 von 606.000 eingeschriebenen Studenten davon (44,6 Prozent). 2020 waren es nach den Zahlen des Statistischen Bundesamts 466.000, bei inzwischen allerdings 2,9 Millionen eingeschriebenen Studenten.

„Statt der von Karliczek versprochenen Trendumkehr geht die kontinuierliche Talfahrt des Bafög weiter“, sagte der hochschulpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Kai Gehring. Die letzte Bafög-Reform von 2019, bei der unter anderem Freibeträge bei der Anrechnung von Einkommen und Vermögen erhöht wurden, um den Kreis der Empfänger zu vergrößern, entpuppe sich als Voll-Flop. Gehring forderte einen Neustart „mit einer Grundsicherung für Studierende und Auszubildende.“

Studentenwerk für „grundlegende Reform“

Auch das Deutsche Studentenwerk fordert eine „grundlegende Reform“. 50 Jahre Bafög seien eine Erfolgsgeschichte, sagte DSW-Generalsekretär Achim Meyer auf der Heyde, aber der Handlungsdruck sei groß. „Wir müssen das Bafög fit machen für die kommenden 50 Jahre, und dazu gehört weit mehr als quantitative Erhöhungen der Fördersätze und Elternfreibeträge.“

In einem Eckpunktepapier, das der dpa vorliegt, spricht sich das DSW dafür aus, die Leistung wieder zum Vollzuschuss zu machen – also ohne Rückzahlungspflichten – wie in den Bafög-Anfangszeiten. Außerdem fordern die Studentenwerke, dass der Kreis der Anspruchsberechtigten ausgeweitet wird, sodass auch Studierende aus Elternhäusern mit mittlerem Einkommen Zugang zum Bafög bekommen. Zudem wird eine Ausweitung der Förderhöchstdauer gefordert.

Mittelfristig schlägt das DSW ein „Drei-Körbe-Modell“ vor: Eine finanzielle Grundförderung für alle Studierenden, die über der Höhe des Kindergelds liegt plus Bafög, das sich nach Bedarf und Einkommen richtet, plus einem Betrag für Einmalausgaben zum Semesterbeginn, beispielsweise für einen Laptop oder den Semesterbeitrag.

Vorschläge für eine Reform hatte im Mai auch die FDP-Fraktion im Bundestag vorgelegt. Für alle Studenten sollte es demnach eine Grundförderung von 200 Euro pro Monat geben, die nicht zurückgezahlt werden muss – dafür entfiele das Kindergeld für die Eltern. Dazu kämen weitere nicht zurückzuzahlende 200 Euro, wenn im Studium nebenbei mindestens zehn Wochenstunden gearbeitet oder ein Ehrenamt ausgeübt wird oder Angehörige gepflegt werden. (dpa)

Gut 36 Millionen Menschen in Deutschland bekamen über die Jahre Bafög

In Deutschland haben in den vergangenen Jahrzehnten gut 36 Millionen Studenten und Schüler Unterstützung durch Bafög erhalten. Die gesamte ausgezahlte Fördersumme belief sich auf 89,7 Milliarden Euro, wie das Statistische Bundesamt am Dienstag in Wiesbaden zum 50. Jahrestag der Bafög-Einführung berichtete. Statistisch erhoben wird die Zahl der Bezieher seit 1975.

Der Anteil der Kinder von Arbeitern unter den Bafög-Empfängern war der Statistik zufolge zuletzt verhältnismäßig groß. 1980 gaben 42 Prozent der Geförderten an, dass ihr Vater als Arbeiter berufstätig sei, bei 23 Prozent war der Vater Angestellter. Im vergangenen Jahr gaben 38 Prozent der Geförderten an, dass ihr Vater Arbeiter sei, 40 Prozent, dass er als Angestellter arbeite.

In diesem Zeitraum verringerte sich aber der Anteil der Arbeiter in der Bevölkerung erheblich, weshalb vom Verhältnis her Arbeiterkinder besonders oft gefördert werden. 1980 war die Hälfte der Männer Arbeiter, zuletzt nur noch ein Viertel. Die Statistiker betrachteten den beruflichen Status der Väter, weil diese gerade in früheren Jahrzehnten häufiger berufstätig waren.

Der Anteil der geförderten Mädchen und Frauen stieg im Lauf der Jahre, wie aus der langfristigen Betrachtung hervorgeht. 1980, als erstmals das Geschlecht der Geförderten ausgewiesen wurde, waren 48 Prozent der Bafög-Bezieher weiblich. Im Jahr 2000 waren es dann 55 Prozent, im vergangenen Jahr 58 Prozent. Erklärtes Ziel der Ausbildungsförderung war es auch, die Chancengleichheit der Bildungsteilhabe von Mädchen und Frauen zu erhöhen.

Ein Großteil der Studenten bestreitet den Statistikern zufolge aber den überwiegenden Lebensunterhalt durch Unterstützung von Angehörigen sowie eigene Erwerbstätigkeit. In den vergangenen Jahren verschoben sich dabei die Anteile deutlich.

1991 bestritten nur elf Prozent der Studenten ihren Lebensunterhalt mit eigener Arbeit, 2019 war es bereits ein Drittel. Im gleichen Zeitraum verringerte sich der Anteil derer, die von ihren Eltern oder anderen Angehörigen unterstützt wurden, von 63 Prozent auf 53 Prozent.

Zuletzt verringerte sich die Zahl der Bafög-Empfänger weiter, dieser Abwärtstrend hält seit Jahren an. Parteiübergreifend wird eine Bafög-Reform gefordert. (dpa/afp)



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