Hannover: Umweltzone endet nach 16 Jahren – „rechtlich nicht mehr verhältnismäßig“

Im November 2023 zerbrach im Stadtrat von Hannover die Koalition aus SPD und Grünen. Nun beendet ein neuer Luftreinhalteplan nach 16 Jahren auch die sogenannte Umweltzone in der Innenstadt. Grund dafür ist die verbesserte Luftqualität.
Ein Radfahrerin fährt mit einem Regenschirm durch eine herbstlich verfärbte Allee am Maschsee in Hannover.
Eine Radfahrerin fährt mit einem Regenschirm durch eine herbstlich verfärbte Allee am Maschsee in Hannover. Symbolbild.Foto: Julian Stratenschulte/dpa
Von 27. Februar 2024

Die Stadt Hannover hat einen neuen Luftreinhalteplan. Dieser ersetzt eine erste Fassung, die 2007 in Kraft gesetzt wurde. Mit dem neuen Konzept fällt auch die sogenannte Umweltzone weg, die in diesem noch verankert war. Prüfungen des Gewerbeaufsichtsamts Hildesheim hatten ergeben, dass die Stickstoffoxidbelastung in der Stadt an allen Messstationen signifikant gesunken ist. Seit 2020 lag sie konstant unter dem Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter.

SPD in Hannover fühlte sich von „Mobilitätskonzept“ überrollt

Wie der NDR berichtet, wird die Stadt innerhalb der nächsten sechs Wochen bis zu 600 Schilder abbauen, die noch auf die Umweltzone hinweisen. Die Aufhebung trat am Donnerstag, 22. Februar, in Kraft. Damit verfügt Deutschland dem Bundesumweltamt zufolge noch über 43 Umweltzonen. In 42 davon dürfen lediglich mit grüner Plakette ausgezeichnete schadstoffarme Pkw fahren.

Im November 2023 war die rot-grüne Koalition im Rat zerbrochen. Grund dafür war der Eifer, mit dem Oberbürgermeister Belit Onay (Bündnis 90/Die Grünen) und seine Partei Hannover in eine autofreie Innenstadt umwandeln wollten. Aus der SPD hatte es damals geheißen, der OB habe sie mit seinem „Mobilitätskonzept“ vor vollendete Tatsachen gestellt.

Den Grünen warf die Fraktionsspitze um Lars Kelich „ideologische Starrheit“ vor. Zudem habe sich Onay durch einen Deal mit der radikalen Klimaschutzgruppe Letzte Generation erpressbar gemacht. Im Vorfeld des Koalitionsendes sei bereits über Wochen hinweg eine „Lähmung der Stadtpolitik“ zu beklagen gewesen.

Stadt kann konkreten Effekt der Umweltzone nicht beziffern

Einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Koalitionsende und dem Ende der Umweltzone in Hannover gibt es unterdessen nicht. Die Aufhebung der Fahrverbote im Kontext des „Luftreinhalte-Aktionsplans“ von 2007 war bereits vor einem knappen Jahr angedacht. Grund war, dass die deutlich verbesserten Stickstoffoxidwerte eine Aufrechterhaltung der Restriktionen rechtlich als nicht mehr verhältnismäßig erscheinen lassen konnten.

An die Stelle der Umweltzone wollte man andere Maßnahmen treten lassen. Bereits seit Inkraftsetzung des ersten Luftreinhalteplans hatte es mehrere Schritte gegeben, um die Luftqualität in der Stadt zu verbessern. Diese reichten von Tempo-30-Zonen in Wohngebieten über die Konzentration des Lkw-Verkehrs entlang der Hauptverkehrsstraßen bis zu optimierten Ampelschaltungen und Stadtbahnerweiterungen. Die Grünen wollten einen Schritt weitergehen und eine autofreie Innenstadt, doch diese scheiterte am Unwillen des Koalitionspartners.

Der Stadtverwaltung zufolge geht der Rückgang der Emissionen vorwiegend auf den Ersatz alter durch schadstoffarme Fahrzeuge und Nachrüstungen mit Partikelfiltern zurück. Auf Anfrage des NDR äußerte die Stadt jedoch, es sei „nicht bekannt“, welchen ganz konkreten Anteil die Umweltzone an der besseren Luftqualität gehabt habe.

Neue EU-Grenzwerte könnten Freude über Ende der Umweltzone trüben

Der BUND zeigt sich enttäuscht über das Ende der Pläne zur autofreien Innenstadt. Es sei zwar nachvollziehbar, wenn die Umweltzone aus rechtlichen Gründen entfallen müsse, jedoch sei eine anhaltende Feinstaubbelastung ein Faktor für eine weltweit zunehmende Anzahl an schweren Atemwegserkrankungen.

Neben mehr Grünzonen sei eine Verminderung des Autoverkehrs die häufigste Forderung gewesen, die in Bürgerdialogen zur Innenstadtentwicklung geäußert worden sei. Inwieweit deren Teilnehmer repräsentativ für die Bewohner insgesamt gewesen waren, ist fraglich. Der BUND spricht jedoch davon, dass „die ganze Breite der Stadtgesellschaft einbezogen“ gewesen sei. CDU, SPD und FDP hätten jedoch eine Streichung wesentlicher Passagen des Luftreinhalteplans favorisiert.

Inwiefern die Autofahrer in Niedersachsens Landeshauptstadt jetzt dauerhaft aufatmen können, ist ungewiss. Schon jetzt drohen künftige weitere Einschränkungen aufgrund von EU-Vorgaben. Am Dienstag der Vorwoche haben sich Unterhändler von Ländern und EU-Parlament auf neue Schadstoffobergrenzen geeinigt.

Die Grenzwerte bei Feinstaub, Stickstoffdioxid und Schwefeldioxid sollen demnach um mindestens die Hälfte sinken. Dies würde auch bezüglich der Verhältnismäßigkeit von Fahrverboten die Karten neu mischen. Noch müssen das EU-Parlament und die Mitgliedstaaten der Neuregelung zustimmen. Die schlechte Wirtschaftslage könnte in einigen Ländern zu Widerständen führen.



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