Eritreer-Großdemo in Berlin: „Wir sind gegen Gewalt“

Die Ausschreitungen in Gießen und Stuttgart im Zusammenhang mit Festen von Eritreern zeigen, dass sich Konflikte aus dem Ausland nach Deutschland verlagern. Bei der Großdemo von Eritreern in Berlin am 20. Oktober sprach Epoch Times mit Teilnehmern über die Hintergründe zu den Vorfällen in Gießen und Stuttgart.
Titelbild
Der Zentralrat der Eritreer in Deutschland veranstaltet am 20.10.2023 eine Großdemo in Berlin.Foto: Erik Rusch / Epoch Times
Von 21. Oktober 2023

In Stuttgart und Gießen kam es vor einiger Zeit bei Veranstaltungen regierungsnaher Eritrea-Vereine zu massiven gewaltsamen Ausschreitungen zwischen Unterstützern der Vereine und „Kritikern“ der eritreischen Regierung. Die Gewaltszenen waren nur mit massivem Polizeiaufgebot und nach mehreren Stunden wieder unter Kontrolle.

Auch für die Demo gestern in Berlin, so schätzte es die Polizeigewerkschaft GdP ein, würde das „garantiert“ passieren. Doch es blieb ruhig. Ein massives Polizeiaufgebot von rund 250 Berliner Polizisten begleitete laut Polizeiangaben rund 1.000 Eritreer durch das regnerische Berlin.

Äthiopier stiften Unruhe gegen Eritreer in Europa

„Wir sind heute hier, weil wir unsere Rechte verteidigen müssen. Zum Beispiel das Recht, sich zu versammeln“, erklärte ein 50-jähriger Eritreer aus Berlin gegenüber Epoch Times. „Wir haben immer friedlich gefeiert und das ist auch unser Recht.“

Man wolle dieses Recht verteidigen gegen Menschen aus Nordäthiopien, die sie im Ausland angreifen würden. Damit „wir – wie die vielen Jahre zuvor – mit unseren Kindern Feste feiern und unsere Kultur weitergeben können“. Die meisten Unruhestifter kämen aus Nordäthiopien, aus der Region Tigray.

35 Jahre veranstalte man schon Festivals in Deutschland. Für ihn hätten die, die mit Steinen auf sie warfen und die Polizei angriffen, nichts mehr in Deutschland zu suchen, so der gelernte Maschinenbauer.

Vom Krieg geprägt

Hintergrund: Vor zwei Jahren herrschte in Äthiopien ein Bürgerkrieg. Die Zentralregierung unter Premierminister und Friedensnobelpreisträger Abiy Ahmed und die lange in Tigray regierenden Tigray Defense Forces (TPLF) kämpften gegeneinander.

Dabei ging es darum, wer die Kontrolle über die Region im Norden Äthiopiens behält. Die Tigray Defense Forces griff dabei auch Eritrea an, das sich verteidigte und Äthiopiens Regierungstruppen unterstützte. Schließlich kam es zu einem Friedensabkommen zwischen beiden äthiopischen Kriegsparteien.

Äthiopier kommen nach Deutschland und geben sich als Eritreer aus

Studentin Eden (30) aus Hessen nimmt ebenfalls an dem Aufzug teil. Sie arbeitet als Dolmetscherin beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und für das Jobcenter.

Sie bestätigt, dass viele Äthiopier unter dem Namen von Eritreern hier in Deutschland leben, also mit einer falschen Nationalität. Laut ihren Aussagen wären es nur zu 20 Prozent oppositionelle Eritreer, die sich an den Angriffen auf die regierungstreuen Eritreer im Ausland beteiligen würden und 80 Prozent seien Nordäthiopier.

Aus ihrer Sicht wurde Eritrea in den inneren Konflikt Äthiopiens vor zwei Jahren mit hineingezogen und konnte sich jedoch erfolgreich gegen die äthiopischen Truppen aus Tigray (Nordäthiopien) wehren. Ihres Erachtens wünschten sich auch jetzt noch Kräfte in Tigray, das Nachbarland Eritrea zu übernehmen, um Zugang zum Wasser zu haben.

Für sie sei diese Gewalt sinnlos, die sich so im Ausland gegen regierungstreue Eritreer richte: „Wenn man seine Wut irgendwo anders herauslässt und nicht bei sich zu Hause, gibt es auch keine Veränderungen und auch keine Lösung.“

„Gewaltaufrufe bereits vor den Zusammenkünften“

Bereits vor den Veranstaltungen der Eritreer gab es Gewaltaufrufe gegen sie. Die Polizei war zwar sowohl in Gießen als auch in Stuttgart vor Ort und habe sie auch geschützt. Allerdings sei sie erst gekommen, als die Täter schon da waren und angegriffen haben, werfen sie der Polizei vor.

„Es gab sogar schon Gewaltaufrufe gegen unsere Veranstaltung im letzten Jahr in Gießen.“ Sie gingen daher davon aus, dass sich die Polizei darauf vorbereitet habe und die Gegendemo von Anfang an verbiete.

„Das wurde nicht gemacht.“ Nachdem es bereits in Gießen zu gewalttätigen Angriffen gekommen war, erlaubte man in Stuttgart wieder eine Gegenveranstaltung. „Warum?“, fragt sie sich.

Die Unruhestifter wären laut ihrer Aussage polizeibekannt und doch handeln die deutschen Sicherheitsbehörden nicht.

Der Zentralrat der Eritreer in Deutschland erklärt in einem Schreiben, dass er die lückenlose Aufklärung der jüngsten Gewaltvorfälle fordere. Man bedauere die Berichterstattung über Eritrea und wünsche sich objektive Berichte, heißt es.

Der leidvolle Weg Eritreas zu seiner Unabhängigkeit

Nach einem fast 30-jährigen Krieg der marxistischen Eritreischen Volksbefreiungsfront (EPLF) gegen äthiopische Regierungstruppen wurde Eritrea am 24. Mai 1993 ein unabhängiger Staat. Doch was war davor?

Lange Zeit war Eritrea Teil des Kaiserreichs Abessinien (heute: Äthiopien). Dann kamen die Osmanen und eroberten Mitte des 16. Jh. das Gebiet. Nach rund dreihundert Jahren wurde es dann die staatlich kontrollierte italienische Kolonie „Eritrea“, die auch dem jetzigen Staatsgebiet ähnelte.

Italien versuchte mehrmals von Eritrea aus Abessinien (Äthiopien) zu erobern, was unter Benito Mussolini 1936 gelang. Abessinien wurde dadurch zusammen mit Eritrea zum Teil der Kolonie Italienisch-Ostafrika.

Großbritannien eroberte 1941 das italienische Kolonialreich. Abessinien war nun wieder formell unabhängig, Eritrea blieb unter britischer Verwaltung.

Abessinien wollte die Wiedereingliederung Eritreas in ihr Reich. Großbritannien übergab 1952 die Verantwortung für das Gebiet an die Vereinten Nationen.

Abessinien und Eritrea einigten sich auf ein Föderationsabkommen, der für Eritrea eine weitgehende Autonomie vorsah. Jedoch hielt sich Abessinien nicht an die Vereinbarung und gliederte Eritrea als Provinz in sein Reich ein.

Dies führte ab 1961 zu den kriegerischen Auseinandersetzungen, über die Eritrea 1993 nach dem Sieg der marxistischen Eritreischen Volksbefreiungsfront über eine äthiopische kommunistische Militärregierung und ein eritreisches Volksreferendum unter UN-Beobachtung wieder unabhängig wurde.

Denn zuvor übernahm das äthiopische Militär in einem Putsch Abessinien und stürzte den Kaiser, woraufhin dort ein Bürgerkrieg ausbrach. Die Sowjetunion und die DDR unterstützten das kommunistische äthiopische Militärregime.

Das heutige Eritrea ist zur Hälfte katholisch, zur anderen Hälfte sunnitisch, islamisch und hat rund 5 Millionen Einwohner. Die allgemeine Kriminalitätsrate ist laut dem Auswärtigen Amt niedrig und in der Hauptstadt Asmara ist die Lage stabil und ruhig.



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