Immer weniger Tarifverträge: Gesetz der Bundesregierung kann Tarifflucht nicht aufhalten

Als das Gesetz zur Stärkung der Tarifautonomie 2014 in Kraft trat, gab es noch 496 allgemeinverbindliche Tarifverträge - bis 2016 ging die Zahl um etwa elf Prozent auf 444 zurück.
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Streikende Lokomotivführer der GDL (Symbolbild).Foto: Sean Gallup/Getty Images
Epoch Times8. Mai 2017

Trotz eines neuen Gesetzes ist es der Bundesregierung nicht gelungen, die Tarifflucht zu stoppen.

Als das Gesetz zur Stärkung der Tarifautonomie 2014 in Kraft trat, gab es noch 496 allgemeinverbindliche Tarifverträge – bis 2016 ging die Zahl um etwa elf Prozent auf 444 zurück, wie aus der Antwort der Regierung auf eine Anfrage der Grünen-Bundestagsabgeordneten Beate Müller-Gemmeke hervorgeht.

Nach Artikel 9, Absatz 3 des Grundgesetzes haben Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände das Recht Löhne, Gehälter und andere Arbeitsbedingungen selbstständig und unabhängig, d. h. ohne Einflussnahme des Staates, zu regeln.

Mit dem Gesetz zur Stärkung der Tarifautonomie führte die große Koalition nicht nur den Mindestlohn ein, sondern erleichterte auch die Bedingungen dafür, dass nicht tarifgebundene Betriebe Tariflöhne zahlen müssen.

Erklärung der Allgemeinverbindlichkeit möglich, wenn es „im öffentlichen Interesse geboten erscheint“

Das Arbeitsministerium kann Tarifverträge seitdem leichter für allgemeinverbindlich erklären. Zuvor mussten mindestens 50 Prozent der Beschäftigten einer Branche bereits Tariflöhne erhalten. Seitdem kann die Allgemeinverbindlichkeit erklärt werden, wenn es „im öffentlichen Interesse geboten erscheint“.

Grünen-Politikerin Müller-Gemmeke bezeichnete das Gesetz am Montag als „Fehlschlag“. Die Bundesregierung habe es nicht geschafft, die Tarifbindung zu stärken, die „weißen Flecken des Tarifsystems“ würden immer größer, sagte sie der Nachrichtenagentur AFP. Grund dafür sei die Veto-Möglichkeit der Spitzenorganisationen im Tarifausschuss.

Veto gegen Tarifverträge: Grüne fordern Abschaffung der Veto-Option des Tarifausschusses

Der Tarifausschuss muss zustimmen, wenn das Arbeitsministerium einen Tarifvertrag für alle Unternehmen in einer Branche verbindlich machen will. So könnten Arbeitgeber jederzeit ihr Veto gegen Tarifverträge einlegen, kritisierte die Grünen-Politikerin. Sie forderte die Bundesregierung dazu auf, die Veto-Option für die Vertreter der Spitzenverbände abzuschaffen.

Auch die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie übte Kritik an der wachsenden Tarifflucht. Der Landesbezirksleiter für Hessen und Thüringen Volker Weber bezeichnete sie am Samstag in Wiesbaden als „Krebsgeschwür“.

Unternehmen, die keine Tariflöhne zahlten, handelten verantwortungslos und würden „unsere Wirtschafts- und Sozialordnung von innen her zerfressen“. Wer die Mitbestimmungskultur in der deutschen Wirtschaft aufs Spiel setze, „setzt auch den Wohlstand aufs Spiel“, erklärte Weber. (afp/as)



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