Jüdische Sozialdemokraten contra Maas: „Deutsches UN-Abstimmungsverhalten normalisiert Judenhass“

Deutschlands Regierung betrachtet es als Erfolg, wenn es ihr gelingt, gegen Israel gerichtete UN-Resolutionen rhetorisch zu entschärfen, und stimmt ihnen deshalb zu. Kritiker sehen darin hingegen einen Beitrag zum Mainstreaming von Antisemitismus.
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Der Arbeitskreis jüdischer Sozialdemokraten verfasste einen offenen Brief an Bundesaußenminister Heiko Maas. Symbolbild.Foto: Adam Berry/Getty Images
Von 21. November 2019

So weit wie in Großbritannien, wo jüdische Mitglieder aus Protest gegen die offen antisemitische Politik des radikal linken Labour-Vorsitzenden Jeremy Corbyn scharenweise die Partei verlassen oder gar offen zur Wahl konkurrierender Parteien aufrufen, ist es in Deutschlands Sozialdemokratie noch nicht. Dennoch ruft die Politik der Bundesregierung im Allgemeinen und des SPD-Außenministers Heiko Maas im Besonderen unter jüdischen Sozialdemokraten zunehmend Kopfschütteln hervor.

Vor allem das Abstimmungsverhalten Deutschlands bei Resolutionen in Gremien der UNO ist erst jüngst wieder zum Stein des Anstoßes geworden. Dass Israel in den vergangenen Tagen auf eine Welle von Raketenangriffen islamischer Extremisten aus dem Gazastreifen, die sich wahllos gegen israelische Grenzstädte wie Sderot oder Aschdod richteten, mit Luftschlägen gegen Stellungen der Terroristen in Gaza reagierte, wurde dort zum Anlass für eine Reihe von Entschließungen, die sich gegen die Antiterror-Offensive des jüdischen Staates richteten. Zuvor hatte Israel den Kommandanten des „Islamischen Dschihad“ in Gaza, Bahaa Abu al-Ata, mit einem gezielten Angriff eliminiert.

Koalition aus Islamisten und Sozialisten

In vielen Fällen und Gremien wie dem UN-Menschenrechtsrat sind Mehrheiten gegen Israel schnell organisiert, weil autoritäre, islamische und sozialistische Staaten bei diesem Thema mit einer Stimme sprechen. Oft stimmen jedoch auch „liberale Demokratien“ Nordamerikas und Westeuropas mit, sobald es ihnen durch Diplomatie gelungen ist, besonders aggressive Resolutionstexte zu entschärfen.

Die USA oder konservativ regierte Staaten wie Ungarn oder Brasilien weigern sich demgegenüber regelmäßig, Israel zu verurteilen. Dass Deutschland erst in den vergangenen Tagen wieder mehrfach gegen Israel gerichteten Resolutionen zugestimmt hatte, veranlasste den Zentralrat der Juden in Deutschland auf Twitter zu der Aussage:

„Erneut lässt die Bundesrepublik Israel bei den #UN im Regen stehen. Während es Raketen auf #Israel hagelt, stimmt Deutschland bei 8 Resolutionen 7 mal gegen Israel. Hier hat es die #Bundesregierung verpasst Israel im entscheidenden Moment zur Seite zu stehen.“

 

In der „Jüdischen Allgemeinen“ veröffentlichte nun der Arbeitskreis jüdischer Sozialdemokraten einen offenen Brief an Bundesaußenminister Heiko Maas, in dem dieser dazu aufgefordert wurde, dafür Sorge zu tragen, dass Deutschland anti-israelische Resolutionen nicht mehr mittrage. Statt „Schlimmeres zu verhindern“ bewirke Deutschland damit lediglich, dass Dämonisierung und Hass gegenüber Israel als Normalität anerkannt werden.

„Solches Verhalten lässt Hemmschwellen weiter sinken“

Im Brief der Bundesvorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft, Renée Röske, und des Landesvorsitzenden für Berlin-Brandenburg, Mirko Freitag, an den „lieben Heiko“ gratulieren diese dem Minister erst zum „Preis für Verständigung und Toleranz“, der ihm kürzlich verliehen wurde. Anschließend üben sie jedoch scharfe Kritik am deutschen Abstimmungsverhalten in der UNO, das Israel verurteile, während sich dort Bürger tagelang in Bunkern verschanzen müssten.

„Wir schämen uns, dass Deutschland diesen Resolutionen zugestimmt hat“, heißt es im Text. „Das ist ein Schlag ins Gesicht Israels, aber auch ein harter Schlag gegen uns Jüdinnen und Juden in Deutschland. Antisemitismus und Israelhass sind zwei Seiten einer Medaille, die für Hass und Gewalt steht.“

Die Unterzeichner fordern im Namen der jüdischen Sozialdemokraten, „diesem Spuk in der UN endlich ein Ende zu setzen“ und zukünftig bei solchen Abstimmungen mit „Nein“ zu stimmen. Andernfalls fühlten sich Antisemiten in aller Welt nur bestätigt:

„Durch ein solches Verhalten wird dafür gesorgt, dass die Hemmschwellen weiter sinken, da es als normal gesehen wird, Israel zu hassen. Die Stimmung in der jüdischen Community hat einen neuen Tiefpunkt erreicht – wir setzen hier auf Dich, mit einer klaren Haltung dies zu ändern.“

Broder: „Saujud“ rufen, um keinen Anlass für „du gehörst vergast“ zu bieten?

Im Auswärtigen Amt erklärte man auf Anfrage des Blogs „Achse des Guten“ zum Abstimmungsverhalten des deutschen Botschafters bei den UN, Deutschland „tritt einer unfairen Behandlung Israels in den Vereinten Nationen entgegen“ und setze sich „in den Vereinten Nationen […] mit Nachdruck für ausgewogene Resolutionstexte im Interesse eines dauerhaften Friedens im Nahen Osten im Rahmen einer verhandelten Zwei-Staaten-Lösung ein“.

Dabei stimme man sich eng mit den EU-Partnern ab. Die gemeinsame Verhandlungs- und Abstimmungsstrategie der EU bei den Resolutionen ermögliche es, „in den Textverhandlungen Einfluss zu nehmen, um für Israel noch nachteiligere Beschlüsse zu verhindern“.

Publizist Henryk M. Broder veranlasst dies zu dem bissigen Kommentar:

„Man stimmt gegen Israel, um für Israel noch nachteiligere Beschlüsse zu verhindern. Das ist etwa so, als würde ein Judenfreund einem Juden auf der Straße ‚Saujud!‘ nachrufen, damit niemand auf die Idee kommt, ihm ‚du gehörst vergast‘ nachzurufen. Aber mit Antisemitismus hat es nichts tun. Immerhin erfahren wir, dass der deutsche UN-Botschafter und sein Team die Haltung der Bundesregierung vertreten, also nicht auf eigene Faust handeln.“



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