Karlsruhe setzt umstrittene Vorzugsbehandlung einzelner Medien aus

Karlsruhe hob überraschend seine langjährige Praxis auf, ausgewählte Pressevertreter vorab über Gerichtsentscheidungen zu informieren. War der Druck zu groß geworden?
Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.
Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.Foto: Uli Deck/dpa
Von 31. März 2023

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe stellt seine umstrittene Praxis, ausgewählte Medien vorab über Gerichtsentscheidungen zu informieren, bevor diese öffentlich gemacht werden, vorerst ein.

Zum Thema der bevorzugten Behandlungen einiger Medien gab der wissenschaftliche Dienst des Bundestages im November 2022 eine kritische Stellungnahme ab. „Bild“ und „Tagesspiegel“ stellten Unterlassungsforderungen gegen die Praxis. Sie forderten einen gleichberechtigten Zugang zu diesen „Vorabinformationen“ und setzten eine Frist bis zum 29. März.

Am 28. März verkündete das Gericht, dass es im Hinblick auf die in den vergangenen Jahren eingetretenen Veränderungen des Umfelds gegenwärtig seine gesamten Kommunikationsstrukturen und -abläufe überdenke. Vor diesem Hintergrund soll die „Vorabinformationspraxis“ zunächst bis Ende September nicht angewendet werden, heißt es aus Karlsruhe.

Nur Vollmitglieder erhielten vorab Informationen

Im Jahr 1975 wurde eigens ein Verein namens „Justizpressekonferenz Karlsruhe e. V.“ gegründet. Nur den Vollmitgliedern dieses Vereins hatte man, auf Grundlage einer 2013 eingeführten internen Richtlinie, bereits einen Abend vor der eigentlichen Urteilsverkündung in Papierform die Entscheidung mit Sperrfrist zur Verfügung gestellt.

Begründet wurde diese Praxis durch das Gericht mit der Professionalität dieses Kreises an Journalisten in dem Verein. Dadurch wäre eine zeitnahe und kompetente Information der Öffentlichkeit möglich, so hieß es.

Dabei war auffällig, dass nicht nur andere Medien durch diese Praxis benachteiligt waren, sondern auch die Prozessbeteiligten. Denn auch sie wurden über das Urteil zu ihrem eigenen Prozess erst später informiert.

Da die AfD als Prozessbeteiligte auch davon betroffen war, klagte sie gegen die Praxis vor dem Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg. Der sah in seinem Urteil im August 2022 allerdings nicht, dass die Partei in ihren Rechten verletzt worden sei und wies die Klage ab.

Auch jetzt hat Karlsruhe keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken gegen die Vorabinformationspraxis. Dies ergab eine aktuelle Anfrage ans Gericht am 30. März durch Epoch Times.

Auf die Frage, wie es zukünftig Pressevertreter über Gerichtsentscheidungen informieren will, weicht das Gericht aus. Das Bundesverfassungsgericht werde seine Urteile und Beschlüsse auch weiterhin auf seiner Website veröffentlichen, so die Antwort.

„Das ist ein voller Erfolg“

„Das ist ein voller Erfolg für ‚Tagesspiegel‘ und ‚Bild‘, die sich beharrlich für die Gleichbehandlung aller Journalisten durch das Bundesverfassungsgericht eingesetzt haben“, kommentiert der Deutsche Journalisten-Verband das Aussetzen der umstrittenen Bevorzugung.

„Ein absolut überfälliger Schritt“, kommentiert Verfassungsrechtler Prof. Volker Boehme-Neßler gegenüber der „Bild“ die Nachricht aus Karlsruhe.

Die Praxis, ausgewählte Journalisten früher als alle anderen über Urteile zu informieren, sei eklatant verfassungswidrig. Es gebe dafür keinen überzeugenden sachlichen Grund, so der Verfassungsrechtler. Das Grundgesetz garantiere die Freiheit der Presse. Keine staatliche Institution dürfe einzelne Journalisten bevorzugen. Denn dann bestehe die Gefahr, dass unkritische, freundliche Journalisten bevorzugt würden.



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