Keine Freigabe von Cannabis zum 1. April – Länder werden Vermittlungsausschuss anrufen

Am 22. März sollte das Gesetz der Ampel zur teilweisen Legalisierung des Anbaus und Konsums von Cannabis den Bundesrat passieren. Dieser wird jedoch voraussichtlich den Vermittlungsausschuss anrufen. Die Länder halten die Neuregelung in der Kürze der Zeit nicht für umsetzbar.
Eigenanbau und Besitz bestimmter Mengen sollen für Volljährige vom 1. April an erlaubt sein. Zum 1. Juli sollen Clubs zum nicht-kommerziellen Anbau möglich werden.
Ländervertreter äußern Bedenken hinsichtlich der Umsetzbarkeit der Cannabis-Neuregelung.Foto: Sebastian Christoph Gollnow/dpa
Von 29. Februar 2024

Eines der zentralen Argumente von Befürwortern der Legalisierung von Cannabis lautete stets, diese würde Polizei und Justiz von der Beschäftigung mit opferlosen Straftaten entlasten. Doch die von der Ampelkoalition geplante kontrollierte Freigabe wird Polizei und Justiz vorerst ebenfalls belasten: Ein Grund dafür ist die Frage des Umgangs mit Strafverfahren nach der derzeitigen Rechtslage.

Wie es aussieht, wird das einer der Gründe sein, warum die Legalisierung nicht wie geplant zum 1. April, sondern frühestens zum 1. Oktober vonstattengehen wird. Ursprünglich sollte der Bundesrat am 22. März den Weg freimachen für das Vorhaben der Ampel zur kontrollierten Legalisierung des Besitzes, Anbaus und Konsums von Cannabis. Nun zeichnet sich ab, dass die Länder stattdessen den Vermittlungsausschuss anrufen werden.

Bundesverfassungsgericht: Legalisierung von Cannabis nur durch Gesetzgebung statthaft

Dabei kommt der Widerstand nicht nur von Ländern, die von der Union regiert werden – die gegen die teilweise Entkriminalisierung des Umgangs mit dem Betäubungsmittel ist. Auch Minister, die den Ampel-Parteien angehören, halten eine Umsetzung des erst in der Vorwoche im Bundestag beschlossenen Gesetzes in der Kürze der Zeit für nicht machbar.

Künftig soll es der Neuregelung zufolge straffrei möglich sein, bis zu 50 Gramm Cannabis für den Eigenkonsum im privaten Bereich zu besitzen. Im öffentlichen Raum sollen es bis zu 25 Gramm sein. Weiterhin soll es gestattet sein, bis zu drei Pflanzen zum Zwecke des Eigenkonsums anzubauen. Für junge Erwachsene bis 21 Jahre sind strengere Sonderbestimmungen vorgesehen.

Bis dato hatten einige Strafverfolgungsbehörden von der Strafverfolgung des Besitzes abgesehen, wenn dieser nur geringe Mengen für den Eigenbedarf umfasste. Einige Amtsgerichte hatten Strafverfahren ausgesetzt und eine Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der geltenden Gesetzeslage durch das Bundesverfassungsgericht beantragt.

Dieses machte jedoch erst im Vorjahr wieder darauf aufmerksam, dass eine De-facto-Legalisierung durch die Rechtsprechung nicht statthaft sei. Nur der Gesetzgeber selbst könne eine solche in einem bestimmten Rahmen veranlassen.

Länder formulierten bereits im Vorfeld Bedenken

Ein weiterer Kernpunkt der Neuregelung ist die künftige Möglichkeit, Cannabis im Rahmen einer nicht gewerblichen Anbauvereinigung zu züchten und dieses an Mitglieder zum Eigenkonsum abzugeben. Diese Vereinigungen dürfen maximal 500 Mitglieder umfassen, die ihren gewöhnlichen Wohnsitz in Deutschland haben müssen.

Die Länder sehen nun mehrere Probleme, die Vorgaben des Gesetzes in neun Tagen zwischen Bundesratssitzung und geplantem Inkrafttreten zu erfüllen. Dies betrifft nicht nur den Aufbau der erforderlichen Kontrollinfrastruktur, um sicherzustellen, dass sich der Umgang mit dem Betäubungsmittel im vorgesehenen Rahmen bewegt.

Bereits im Vorfeld der Behandlung der Vorlage im Bundestag gaben Vertreter der Länder zu bedenken, dass unter anderem die Kontrolle der Anbauvereinigungen aufwendig und teuer sein werde. Zudem werde es zu einer Herausforderung, im privaten Rahmen die Einhaltung der zulässigen Höchstwerte für den Wirkstoff THC zu kontrollieren. Es sei nicht auszuschließen, dass schnell hochpotente Sorten entstünden.

ADAC fordert „unzweifelhaften Grenzwert“ für THC im Straßenverkehr

Die Bundesregierung geht nicht von einem erhöhten Vollzugsaufwand aus. Es werde bis zu fünf Jahre dauern, bis die bundesweit erwarteten 3.000 Anbauvereinigungen entstanden seien. Daran könne man die eigenen Vollzugskapazitäten sukzessive anpassen. Außerdem werde die Entkriminalisierung zu Einsparungen an Geld, Personal und Sachmitteln führen. Diese könnten in die Finanzierung der Kontrollinfrastruktur fließen.

Auch die vom Bundesrat angemahnte Anpassung der zulässigen Grenzwerte für THC im Straßenverkehr hält der Bund nicht für erforderlich. Es sei eine interdisziplinäre Expertengruppe des Bundesverkehrsministeriums damit beauftragt, die Grenzwerte zu überprüfen. Man gehe jedoch davon aus, dass der von der Bundesregierung bemessene THC-Grenzwert den Anforderungen an die Sicherheit im Straßenverkehr genüge.

Der ADAC fordert in diesem Bereich einen „unzweifelhaften Grenzwert, der sich ausschließlich an den Auswirkungen von Cannabis im Straßenverkehr orientiert“. Der derzeitige Wert von 1,0 Nanogramm THC pro Milliliter Blutserum diene lediglich dem Nachweis, ob überhaupt Cannabis konsumiert worden sei. Über die Eignung zu einer tatsächlichen Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit sage er nichts aus. Ähnliches gilt für die Sicherheit am Arbeitsplatz.

Lauterbach soll Bedenken der Länder-Justizminister ignoriert haben

Ein weiteres Problem für die Länder wird sein, zu klären, wie sich die Neuregelung auf bestehende Strafverfahren wegen einschlägiger Delikte auswirkt. Rechtskräftig entschiedene Verfahren sind davon nicht mehr betroffen. Allerdings ist gemäß Paragraf 2 Abs. 3 StGB im Strafrecht stets das mildeste Gesetz zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung anzuwenden.

Sobald das neue Gesetz in Kraft ist, werden zahlreiche anhängige Verfahren obsolet. Niedersachsens Justizministerin Kathrin Wahlmann (SPD) geht von 16.000 Fällen aus, die durch die Neuregelung betroffen wären. Gegenüber „table.media“ spricht sie davon, dass es „landauf, landab zu rechtswidrigen Zuständen und zu Entschädigungspflichten“ kommen könnte. Es steht in einer Vielzahl von Fällen auch eine Amnestie im Raum.

Der Bund offenbare eine „gehörige Ignoranz gegenüber den tatsächlichen Gegebenheiten“, wenn er die Justiz durch eine so kurzfristige Anpassungspflicht überfordere. Auch aus NRW kommt Kritik. Dort geht man von „zehntausenden Fällen“ aus, die überprüft werden müssten.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach sei auf diese Problematik hingewiesen worden. Dennoch habe dieser auf ein Inkrafttreten zum 1. April bestanden. Nun werde der Bundesrat dafür sorgen, dass die Legalisierung frühestens sechs Monate später als geplant in Kraft treten kann.



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