Koalition plant Wahlrechtsänderung zugunsten von Kleinparteien nach Karlsruher Urteil

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Wahlplakate (Symbolbild).Foto: Andreas Gebert/Getty Images
Epoch Times28. April 2021

Die große Koalition will nach Angaben der Union angesichts der Corona-Pandemie das Wahlrecht zugunsten von Kleinparteien ändern.

„Die Koalitionsfraktionen haben miteinander vereinbart, alsbald einen eigenen Gesetzentwurf zur Herabsetzung der Unterschriftenquoren einzubringen“, sagte der Justiziar der Unionsfraktion, Ansgar Heveling (CDU), am Dienstag dem „Spiegel“. „Die Einzelheiten dazu werden derzeit abgestimmt.“

Heveling äußerte sich dem Magazin zufolge unabhängig von der am Dienstag veröffentlichten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, das die Klage zweier Kleinparteien zum gleichen Thema verworfen hatte. Die Anträge der beiden Parteien seien nicht ausreichend begründet, teilte das Gericht mit. Es wies aber darauf hin, dass die Unterschriftenquoren wegen der Pandemie überprüft werden müssten.

Wenn sich Parteien zur Wahl stellen, die aktuell keine fünf Abgeordneten im Bundestag oder einem Landtag haben, müssen sie dafür bis zu 2.000 Unterschriften von wahlberechtigten Unterstützern pro Landesliste und je 200 pro Direktkandidat einreichen. Solche Unterschriften werden üblicherweise vor allem in Fußgängerzonen gesammelt. Wegen der Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung, etwa Geschäftsschließungen, ist dies enorm erschwert.

Den „vagen Ankündigungen von Union und SPD, jetzt doch noch aktiv werden zu wollen, müssen jetzt Taten folgen“, sagte die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion, Britta Haßelmann, dem „Spiegel“. Es sei „eine Frage der Fairness, dass für kleinere Parteien die Voraussetzungen für die Teilnahme an der Bundestagswahl auch während der Corona-Pandemie erfüllbar sein müssen“.

Haßelmann verwies auf einen eigenen Gesetzentwurf ihrer Fraktion, der vergangene Woche in den Bundestag eingebracht worden war. Er sieht eine Absenkung der Unterschriftenquoren auf 30 Prozent des bisher geltenden Wertes vor.

Auch die FDP zeigte sich offen für eine Änderung des Wahlgesetzes. Der Innenpolitiker Konstantin Kuhle sagte dem „Spiegel“, „um einen rechtssicheren Ablauf der Bundestagswahl zu gewährleisten, sollte der Bundestag nun eine moderate Absenkung der erforderlichen Anzahl an Unterstützungsunterschriften prüfen“. Gleichzeitig aber sollten die betroffenen Parteien „im Rahmen der Möglichkeiten“ weiterhin Unterschriften sammeln.

Karlsruhe verwirft Klagen zu Unterschriftenzahl für Kleinparteien vor Bundestagswahl

Zuvor hatte das Bundesverfassungsgericht Klagen der Bayernpartei und der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands (MLPD) gegen die zur Zulassung zur Bundestagswahl notwendige Zahl an Unterstützungsunterschriften verworfen.

Die Anträge der beiden Parteien seien nicht ausreichend begründet, teilte das Gericht am Dienstag in Karlsruhe mit. Es wies aber darauf hin, dass die Unterschriftenquoren wegen der Pandemie überprüft werden müssen. (Az. 2 BvE 1/21 und 2 BvE 3/21)

Wenn sich Parteien zur Wahl stellen, die aktuell keine fünf Abgeordneten im Bundestag oder einem Landtag haben, müssen sie dafür bis zu 2.000 Unterschriften von wahlberechtigten Unterstützern pro Landesliste und je 200 pro Direktkandidat einreichen. Die beiden Parteien argumentieren, dass dies unter Pandemiebedingungen deutlich schwieriger ist.

Sie sehen ihr Recht auf Chancengleichheit verletzt. Dabei hätten sie hinreichend erläutert, dass die geltenden Kontaktbeschränkungen die Rahmenbedingungen veränderten, erklärte das Verfassungsgericht. Es sei offenkundig, dass das Sammeln von Unterschriften erheblich erschwert sei.

Gericht: Keine ausreichende Begründung

Die beiden Parteien hätten jedoch nicht ausreichend begründet, dass die notwendige Unterschriftenzahl darum verpflichtend ausgesetzt oder abgesenkt werden müsse. Allerdings sei der Gesetzgeber gehalten zu prüfen, ob die unveränderte Beibehaltung dieser Quoren weiterhin erforderlich sei.

Vor anderen Wahlen in der Pandemie wurden die Zugangsvoraussetzungen für kleine Parteien bereits erleichtert. Vor der Landtagswahl in Rheinland-Pfalz im März beschloss der Landtag, das Quorum zu senken. Der Verfassungsgerichtshof in Koblenz wies die Klage einer kleinen Partei zur noch stärkeren Absenkung zurück.

Verfassungsgerichtshof verpflichtete Baden-Württemberg Quorum zu senken

Anders in Baden-Württemberg: Hier verpflichtete erst der Verfassungsgerichtshof in Stuttgart den Landtag dazu, das Quorum zu senken. Das Berliner Abgeordnetenhaus beschloss von selbst niedrigere Hürden für kleine Parteien vor der im September anstehenden Wahl. Der Verfassungsgerichtshof entschied hier aber, dass das Quorum noch weiter abgesenkt werden müsse.

Im Bundestag plädieren vor allem die Grünen für eine Rechtsänderung zugunsten der Kleinparteien. Auch die Unionsfraktion zeigt sich dafür offen. Schon Anfang März regte Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) eine entsprechende Gesetzesänderung an.

Vor dem Bundesverfassungsgericht ist außerdem noch eine weitere Klage der Ökologisch-Demokratischen Partei (ÖDP) zu dem Thema anhängig.

Bayernpartei-Chef Florian Weber appellierte am Dienstag an den Bundestag, sich die Entscheidung aus Karlsruhe „zu Herzen zu nehmen und eine Neuregelung im Sinne der Chancengleichheit und des Demokratieprinzips vorzunehmen“.

Der MLPD-Pressesprecher Peter Weispfenning nannte das Bundesverfassungsgericht nach der Entscheidung einen „Hort undemokratischer Wahlbehinderungen“. Die Forderung an den Bundestag zur Änderung der Unterschriftenregelungen bleibe auf der Tagesordnung, erklärte er. (afp)



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