Kommt Berlins Trinkwasser bald aus der Ostsee?

Für 2038 ist das Ende der geschichtsträchtigen Braunkohleförderung in der Lausitz politisch beschlossen worden, dem zweitgrößten Braunkohlerevier Deutschlands. Allerdings droht dann, wenn nicht vorgesorgt wird, für Berlin eine Trinkwasserknappheit – und der Spree ein Problem mit der Schiffbarkeit. Daher prüft man nun einen unkonventionellen Weg.
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Ein Blick auf Berlin.Foto: iStock
Von 29. August 2023

Mit Beginn des Braunkohleabbaus im 19. Jahrhundert wurden rund 58 Milliarden Kubikmeter Grundwasser – mehr als das Volumen des Bodensees – durch den Bergbau in der Lausitz gefördert und in die Spree geleitet. Das half der Trinkwasserversorgung in der Hauptstadt und auch dem Schiffsverkehr auf der Spree. Denn um den Braunkohletagebau „trocken“ zu halten, muss ständig Grundwasser abgepumpt werden.

Durch den politisch gewollten Ausstieg aus der Braunkohleförderung in der Lausitz bis spätestens 2038 ändert sich der Wasserhaushalt der gesamten Region jedoch grundlegend.

Die Fraktion der Grünen im Bundestag forciert für Ostdeutschland einen Kohleausstieg bereits zum Jahr 2030. Um das drohende Trinkwasserproblem zu lösen, wollen Berlin und Brandenburg nun prüfen lassen, ob sich ökologisch und ökonomisch sinnvoll Salzwasser aus der Ostsee nach Berlin pumpen lässt (Luftlinie rund 190 Kilometer).

Dahinter steckt: Die gegenwärtige Trinkwasserversorgung in Berlin beruht auch auf dem Spreewasser über Uferfiltrierung und Klärwerken zur Trinkwassergewinnung. Das Grundwasser aus der Lausitz half zudem der Spree-Schifffahrt, zusammen mit dem seit über hundert Jahren genutzten Schleusen, die Pegelstände künstlich hochzuhalten. Ansonsten wäre die Spree laut Wasserexperten nur ein Bach.

Hälfte der Spree aus Lausitzer-Grundwasser

Laut Umweltbundessamt (UBA) stammt gut die Hälfte des Wassers, das die Spree bei Cottbus führt, aus abgepumptem Grundwasser des Lausitzer Braunkohlereviers. In heißen Sommermonaten steige dieser Anteil auf bis zu 75 Prozent, so die UBA-Studie.

Im Unterlauf der Spree in Brandenburg werden laut der UBA-Studie durch den Braunkohleausstieg künftig pro Jahr voraussichtlich rund 126 Millionen Kubikmeter fehlen. Das wäre mehr als dreimal so viel Wasser, wie der Große Müggelsee (südöstlich von Berlin) fasst, heißt es. Für den sächsischen Teil der Spree geht die ⁠Studie⁠ von einem jährlichen Wasserdefizit von rund 95 Millionen Kubikmeter aus. Man fürchtet zudem, dass der Berliner Grundwasserspiegel ohne das Wasser aus der Lausitz sinkt.

Daher warnte UBA-Präsident Dirk Messner bereits im Juni, dass „im schlimmsten Szenario“ in Berlin und Brandenburg das Wasser empfindlich knapp werden könnte, „wenn Brandenburg, Berlin und Sachsen nicht entschlossen schnell mit einer gemeinsamen Wasserwirtschaft gegensteuern würden“.

Ein nun geplantes Gutachten soll die Voraussetzungen klären, unter denen es ökologisch und ökonomisch sinnvoll sein kann, Ostseewasser zu entsalzen und in den Berliner Raum zu transportieren, so Brandenburgs Umweltminister Axel Vogel (Grüne) gegenüber dem NDR. Er sagt: „Trinkwasser aus der Ostsee wäre Neuland und auch mit Problemen verbunden. Jede Entsalzung ist mit einem hohen Energieaufwand verbunden. Und selbstverständlich muss am Ende auch Mecklenburg-Vorpommern mitgehen, schließlich gehört die Ostseeküste weder zu Brandenburg noch zu Berlin.“

265 Kilometer Bodensee-Wasserleitung

Dass ein Wasserleitungssystem über große Entfernung funktionieren kann, zeigt Baden-Württemberg. Dort nutzt man Bodenseewasser, um den Norden des Bundeslandes mit Trinkwasser zu versorgen. Die älteste Hauptleitung ist 265 Kilometer lang.

Die Studie schlägt unter anderem vor, Talsperren und Wasserspeicher zu ertüchtigen und bestehende Seen als Wasserspeicher auszubauen. Auch sollten die Länder gemeinsam ausloten, wie sich Wasser aus anderen Regionen durch neue Rohrsysteme möglichst naturverträglich in die Spree pumpen lässt. Haushalte, Industrie und Landwirtschaft sollten zudem mehr Wasser sparen. Eine Option wäre, notfalls auch das Grundwasser vorerst weiter zu pumpen und gereinigt in die Spree zu leiten.

Laut der Studie könnte man Engpässen durch massive Wassereinsparung vorbeugen, wodurch sich das prognostizierte Wasserdefizit allerdings nicht allein ausgleichen lassen würde.

Zusätzlich halten die Studienersteller die Überleitung von zusätzlichem Wasser für die Flussgebiete der Lausitz für notwendig, zum Beispiel aus benachbarten Flüssen wie Elbe, Lausitzer Neiße und Oder: „Hierfür müsste eine notwendige naturverträgliche Infrastruktur errichtet werden, was einige Zeit in Anspruch nehmen wird.“

Eine weitere Option wäre der Ausbau der vorhandenen Wasserspeicher, die aktuell rund 99 Millionen Kubikmeter Wasser umfassen würden. Sie sollten um 27 Millionen Kubikmeter erweitert werden, heißt es in der Studie. Damit ließe sich zumindest ein Teil des Defizites in den wasserarmen Monaten auffangen. Allerdings müssten zunächst die vorhandenen Speicherkapazitäten, die derzeit nur zu rund 50 Prozent nutzbar wären, voll verfügbar sein. Auch Bergbaufolgeseen könnten als Wasserspeicher dienen.

Als letzte und vermeintlich teuerste Lösung zum Ausgleich des Wassermangels schlägt die Studie vor, die Pumpen aus dem Bergbau weiterzubetreiben und damit weiter Grundwasser in die Spree zu fördern. „Dies hätte zum einen negative ökologische Folgen, da so die Sulfatbelastung der Spree weiter ansteigen wird. Zum anderen ist die Aufbereitung des abgepumpten Grundwassers im Vergleich zu anderen Maßnahmen die teuerste“, so die Studienersteller.

In einem ist sich Brandenburgs Umweltminister jedoch sicher: „Aufgrund der sinkenden Grundwasserstände werden wir Wasserprobleme bekommen, wenn wir nichts unternehmen.“



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