LNG-Infrasruktur weit „überdimensioniert“ – Fachleute kritisieren Ampelpläne

Die Pläne für einen beschleunigten Ausbau der LNG-Infrastruktur laufen auf Hochtouren. Inzwischen kritisieren immer mehr Fachleute das Vorhaben der Bundesregierung. Warnungen der Überdimensionierung und möglicher Steuerverschwendung werden laut.
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Flüssiggas wird mit riesigen Schiffen transportiert. Plant die Bundesregierung den Ausbau der Infrastruktur viel zu groß?Foto: CLEMENT MAHOUDEAU/AFP via Getty Images
Von 4. Juli 2023

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Die Bundesregierung hält trotz heftiger Bürgerproteste, unter anderem auf der Insel Rügen, an ihrem Vorhaben zum LNG-Ausbau fest. Die Ampel will die Flüssiggasinfrastruktur an der Ost- und Nordsee stark erweitern.

Der Ausbau soll darüber hinaus auch weiter beschleunigt werden. Das Gesetz dazu könnte unmittelbar vor der Sommerpause im Bundestag beschlossen werden, berichtet der „Tagesspiegel“.

Was damals galt, gilt heut nicht mehr

Vor einem Jahr aktivierte die Regierung den Notfallplan Gas, da nicht klar gewesen war, ob Deutschland nach dem Lieferstopp aus Russland mit ausreichend Erdgas über den Winter kommen würde. Doch es hat gereicht. Die Speicher waren auch im Frühjahr noch bei rund 60 Prozent – und somit voll genug. Ein echter Engpass blieb aus.

Heute ist zudem absehbar, dass der weitere Ausbau der LNG-Infrastruktur nicht nur energiewirtschaftlich nicht notwendig, sondern auch mit erheblichen Kosten verbunden ist, die in der aktuellen Diskussion weitgehend unter den Tisch gekehrt werden. Die Lage hat sich entspannt, die Gaspreise sind wieder auf Vorkrisenniveau und die Argumente, die vor einem Jahr noch Gültigkeit gehabt haben mögen, sind hinfällig.

Auch der kommende Winter wird laut dem „Tagesspiegel“ entspannt bleiben, da die bestehenden Gaslieferungen konstant und die Speicher schon jetzt gut gefüllt sind. Laut der „Bundesnetzagentur“ liegt dieser momentan bei 81 Prozent.

Christian Lindner, Olaf Scholz, Stephan Weil und Robert Habeck besuchen das Spezialschiff «Höegh Esperanza» während der Eröffnung des LNG-Terminals in Wilhelmshaven.

Christian Lindner, Olaf Scholz, Stephan Weil und Robert Habeck (v.l.n.r in neongelb) im Dezember 2022 bei der Eröffnung des LNG-Terminals in Wilhelmshaven. Foto: Sina Schuldt/dpa

Studien: Deutschland ertrinkt in Flüssiggas

Dass die LNG-Pläne der Regierung viel zu groß ausgelegt sind, zeigen zwei aktuelle Studien, unter anderem vom New Climate Institute. Demnach plant die Bundesregierung mehr Gas ein, als je verbraucht wurde. Die geplanten Importkapazitäten lägen bei 77 Milliarden Kubikmeter pro Jahr. Das wäre deutlich über dem Spitzenwert beim bisherigen Verbrauch, wie die „Frankfurter Rundschau“ berichtet.

Dazu kommen nochmals 40 bis 50 Milliarden Kubikmeter, die europäische Partnerländer liefern können. Falls alle Pläne unverändert in die Praxis umgesetzt werden, ertrinken Deutschland und Europa demnächst in Flüssiggas, heißt es weiter.

Bis 2030 gebe es Kapazitäten von rund 400 Milliarden Kubikmeter pro Jahr, so das Institute for Energy Economics and Financial Analysis. Der gesamte Bedarf der Europäischen Union betrug 2019 ganze 413 Milliarden Kubikmeter, die ohne große Flüssiggas-Kapazitäten ankamen. Nur gut die Hälfte davon stammte aus Russland und wird nun nicht mehr geliefert. Inzwischen kommt aus Russland auch wieder LNG. Der Bedarf soll in den kommenden Jahren allerdings EU-weit auf rund 190 Milliarden Kubikmeter zurückgehen.

Nur 20 Prozent Auslastung?

Ein Vergleich des künftigen Gasbedarfs mit der Planung der LNG-Terminals zeigt Details. Dabei wird eine Bewertung der verschiedenen Reserven und Sicherheitsaufschläge der Bundesregierung vorgenommen. Laut der Deutschen Umwelthilfe wird deutlich, dass selbst in Extremszenarien die in Brunsbüttel, Wilhelmshaven und Stade geplanten festen Terminals nicht gebraucht werden. Ebenso wären die schwimmenden Terminals laut „Erneuerbare Energien“ nur gering ausgelastet.

Bliebe es bei den bisherigen Planungen, würde die durchschnittliche Auslastung im Jahr 2030 nur bei knapp 20 Prozent liegen. Dies könne zu wirtschaftlichen Risiken für die Betreiber führen. Zwangsläufig müssten diese dann der Bundeshaushalt – also Steuergelder – auffangen.

Damit droht laut DUH die unnötige Verschwendung von Milliarden Euro. Die Studie kritisiert darüber hinaus, dass die spätere Umrüstung auf eine Nutzung für den Import von Wasserstoff nicht hinreichend konkretisiert wird. Die Behauptung, dass das Terminal in Wilhelmshaven als „Grüngasterminal“ gebaut wird, weisen sie als „spekulativ“ zurück.

Rechtsanwältin: LNG-Pläne sind „überdimensioniert“

Deutliche Kritik äußerte auch die Rechtsanwältin Dr. Cornelia Ziehm. Sie argumentierte am 29. Juni in einer Stellungnahme an die Bundesregierung, dass weder kurz- noch mittel- noch langfristig ein Bedarf für weitere LNG-Projekte bestehe.

Ziehm betont, dass es keine valide Grundlage für eine gesetzliche Bedarfsfeststellung für die bisher geplanten, aber noch nicht umgesetzten LNG-Projekte gebe. Sie kritisiert die Pläne der Bundesregierung, neue LNG-Standorte zu errichten, und betont, dass dies Ressourcen binden würde, die der Bund besser für andere Energieeffizienzmaßnahmen verwenden könne. Weiterhin argumentiert Ziehm, dass Deutschland mit dieser Strategie seine Klimaziele verfehle.

Im Weiteren wies die Rechtsanwältin darauf hin, dass laut aktuellen Daten keine Gasmangellage bestehe und keine Gasversorgungskrise für den kommenden Winter 2023/2024 drohe. Sie stellt klar, dass der Gasverbrauch in Deutschland 2022 gesunken ist und auch 2023 unter dem Verbrauch der Vorjahre liegt. Auch ohne LNG-Ausbau gebe es genügend Kapazitäten, um den Bedarf zu decken.

Mit Bezug auf den Bericht des Wirtschaftsministeriums vom 1. März 2023 an den Haushaltsausschuss betont Ziehm, dass der Bund selbst von deutlichen Überkapazitäten ausgehe. Ebenso heißt es darin, dass mit Blick auf zusätzliche Importe, also einer LNG-Infrastruktur im Jahr 2030 allenfalls eine jährliche Versorgungslücke von lediglich 4,8 Milliarden Kubikmeter bestehe.

Ziehm hält die Pläne zum geplanten LNG-Ausbau auf eine Kapazität von 54 Milliarden Kubikmeter im Jahr 2030 für eindeutig „überdimensioniert“. Dies sei nicht pauschal mit einem „Sicherheitspuffer“ zu begründen.

Die Bundesnetzagentur habe zudem in ihrer Stellungnahme vom 15. Mai 2023 festgestellt, dass die Versorgung auch dann gesichert wäre, wenn es einen kalten Winter gäbe und die verbleibenden russischen Lieferungen für Osteuropa ersetzt werden müssten.



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