Manchmal kommen sie wieder: Ehemalige DDR-Staatsjugend FDJ marschiert durch Zwickau

Bei manchen Bürgern kam Nostalgie auf, andere waren empört über den Aufmarsch der früheren DDR-Staatsjugend FDJ, der am Samstag in Zwickau stattfand. Ein Schlupfloch im Einigungsvertrag ermöglicht der 1951 als verfassungswidrig verbotenen Vereinigung den Fortbestand.
Von 9. März 2020

Am Samstag (7.3.) marschierten im sächsischen Zwickau mehrere Dutzend Männer, Frauen und Kinder, die meisten in blauen Jacken, mit Fahnen der DDR und deren früherer Staatsjugend FDJ durch die Innenstadt. Die Teilnehmer skandierten „antifaschistische“ Parolen und trugen Transparente mit Aufschriften wie „30 Jahre sind genug – Revolution und Sozialismus“.

Bereits im März waren Transparente dieser Art bei einer Demonstration gegen die Wahl des FDP-Kandidaten Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten des Freistaates Thüringen durch den Landtag in Erfurt zu sehen.

Nach Zwickau will die FDJ noch weitere Städte mit „Antikapitalismus-Kampagne“ beehren

Wie der Sprecher der Organisation, Jan Haas, dem MDR verriet, sei der Marsch durch Zwickau der Auftakt einer „Antikapitalismus“-Kampagne, die auch noch durch Rostock, Berlin, Halle, Jena und Eisenhüttenstadt führen soll.

Den Ausgangspunkt der Kampagne habe man bewusst nach Zwickau verlegt. Man wollte direkt an einem VW-Standort gegen das E-Auto demonstrieren und dagegen, dass dafür „Kobalt aus dem Kongo geraubt wird“. Die FDJ sieht in diesem Zusammenhang allerdings nicht die politischen Vorgaben im Zeichen des „Klimaschutzes“ als Kern des Problems. Diese zwingen die deutschen Autokonzerne auch gegen die reale Marktnachfrage zum forcierten Bau von E-Autos. Vielmehr beanstandet die Gruppe in einem Flyer, dass die Bundeswehr dafür die Handelswege sichere und in Berufsschulzentren „deinen Kopf für ihren Krieg bewirbt“.

Einige der Kinder, die an dem Umzug teilnahmen, seien „schon seit Jahren Mitglied“, erklärte Haas. Dass diese bereits früh politisiert werden, sieht er nicht als Problem: „Sie wollen eine Zukunft, in der es keinen Krieg gibt. Und dafür können auch schon Elfjährige sehr souverän einstehen.“

Wer Staatsjugend nicht angehörte, durfte in der DDR meist nicht studieren

In der DDR war die „Freie Deutsche Jugend“ (FDJ) die einzige staatlich anerkannte und geförderte Jugendorganisation. Die ersten FDJ-Verbände wurden bereits 1936 im Exil gegründet. Vorgeschaltet waren die Jungpioniere (Kinder der 1. bis 4. Schulklasse) und die Thälmann-Pioniere für ältere Kinder bis zum 14. Lebensjahr. Anschließend konnten Jugendliche reguläre Mitglieder der FDJ werden.

Der politische und soziale Druck, sich der FDJ anzuschließen, war erheblich. Nicht Mitglied zu sein, wurde in der DDR als Ausdruck eines „nicht hinreichend gefestigten Klassenstandpunkts“ betrachtet. Das konnte erhebliche Nachteile in der Schule und im beruflichen Fortkommen nach sich ziehen. Zudem wurde die FDJ von der SED-Führung gezielt eingesetzt, um politisch nicht genehme Jugendorganisationen, beispielsweise kirchliche, zu unterminieren. Im Jahr 1989 zählte die FDJ noch mehr als zwei Millionen Mitglieder, 1994 waren es nur noch 300.

In Westdeutschland galt ab 1950 für Mitglieder von FDJ, KPD und „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes“ (VVN) ein Beschäftigungsverbot im öffentlichen Dienst. Der Vorsitzende der FDJ in Westdeutschland, Josef Angenfort, wurde 1953 wegen Hochverrats verurteilt. 1954 bestätigte das Bundesverfassungsgericht das 1951 von der Bundesregierung ausgesprochene Verbot der FDJ als verfassungswidrige Vereinigung. Zwei Jahre später erging auch das Verbotsurteil gegen die KPD.

Verwendung des Symbols „verboten, aber nicht strafbar“

Ein Schlupfloch im Einigungsvertrag hat es der FDJ ermöglicht, ungeachtet der rechtsgültigen Verbote ihrer Organisationen in Westdeutschland ihre Existenz im wiedervereinten Deutschland zu sichern.

Der Einigungsvertrag enthielt eine spezielle Bestimmung für diese Fälle. Danach dürften Organisationen, die in einem Teil des Bundesgebiets legal agieren können, auch im vereinigten Deutschland weiterbestehen. Auf westdeutscher Seite profitierten davon die Republikaner, die 1990 vor der Volkskammerwahl in der DDR verboten worden waren und deshalb nicht kandidieren durften. Auf ostdeutscher Seite nützte diese Bestimmung der FDJ und auch der KPD, die noch vor dem Beitritt der neuen Bundesländer zum Geltungsbereich des Grundgesetzes – nach FDJ-Lesart der „Annexion der DDR“ – auf deren Gebiet wiedergegründet wurde.

Aus diesem Grund wird auch das Präsentieren und Tragen von FDJ-Symbolen nicht als „Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen“ geahndet. Das gilt, obwohl das FDJ-Verbot durch das Bundesverfassungsgericht selbst durch den Einigungsvertrag nicht außer Kraft gesetzt wurde.

Die Reaktionen der Bevölkerung auf den Aufmarsch waren, wie Haas erläutert, sehr unterschiedlich. Vielfach habe es Empörung über die Verherrlichung des totalitären Staates der DDR gegeben, aus dem man gelernt haben will, andererseits hätten sich andere Zwickauer „gefreut, dass es die FDJ noch gibt“.



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