Nestlé-Vorstandschef: „Weitere Preiserhöhungen für Lebensmittel unvermeidbar“

„Es besteht für uns noch ein Aufholbedarf“, begründet der Vorstandschef von Nestlé anstehende Preiserhöhungen und zeigt sich auch gegenüber Laborfleisch aufgeschlossen.
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Nestlés Vorstandvorsitzender Ulf Mark Schneider.Foto: afp/Getty Images
Von 5. Februar 2023

Die Preise für Lebensmittel sind deutlich gestiegen. Der Vorstandschef von Nestlé, Ulf Mark Schneider, hält auch weitere Preiserhöhungen für Lebensmittel in diesem Jahr für unvermeidbar. „Wir sind nicht der Verursacher dieser Inflation, wir sind von ihr getroffen wie jeder Konsument auch“, sagte Schneider der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“.

„Wir haben die für uns anfallenden Mehrkosten noch nicht vollständig weitergegeben. Es wird daher weitere Preissteigerungen geben. Auch wenn die Teuerung nicht mehr so hoch ist wie 2022, besteht für uns, aufs volle Jahr gesehen, noch ein Aufholbedarf.“

Laut Schneider hätten sich die Agrarrohstoffe verteuert, die Ausgaben für Energie und Arbeitskosten seien in vielen Ländern „drastisch gestiegen“. „Unsere Bruttomarge hat sich von Ende 2020 bis Mitte 2022 um etwa 3 Prozent reduziert“, so Schneider.

Doch wie hoch ist die Inflation im Januar 2023 gewesen? Alle vier Wochen wird die vorläufige Inflationsrate am Ende des Monats bekannt gegeben. Am 31. Januar 2023 war dies jedoch nicht so. Der Termin wurde überraschend verschoben. Es gebe ein „technisches Problem in der Daten­aufbereitung“, teilt das Statistische Bundesamt Destatis mit. Geplant ist eine Veröffentlichung zwischen dem 6. und 9. Februar. Ende Dezember lag die Inflationsrate bei 8,6 Prozent, nach dem Höchststand im Oktober mit 10,4 Prozent. Somit zeichnet sich eine leichte Entspannung ab.

„Sie versuchen auf der Inflationswelle mitzureiten“

Gegenüber Epoch Times erklärte EDEKA im August 2022, dass nicht alle Teuerungen auf steigende Energiepreise und damit höhere Kosten für Erzeugung, Transport und Lagerung, Störungen in den internationalen Lieferketten und Sanktionen zurückzuführen seien. Sondern, dass viele international agierende Markenhersteller auch die aktuelle Lage für sich ausnutzten würden. „Sie versuchen auf der Inflationswelle mitzureiten, um ihre Renditen zu erhöhen.“

Aus den Gesprächen wisse man, dass viele Preiserhöhungsforderungen nur teilweise auf echten Kostensteigerungen beruhen würden, so der größte Lebensmittelhändler Deutschlands.

Ein von der „Lebensmittel Zeitung“ 2022 zusammengestellter Warenkorb mit rund 35 Artikeln wurde preislich regelmäßig aktualisiert. Dabei kam heraus, dass gerade mal drei Produkte heute noch zum Preis aus dem Januar des Vorjahres verkauft werden. Die übrigen Produkte wurden mindestens einmal teurer.

Im Fazit heißt es, dass im Markt insgesamt ein neues Preisniveau etabliert worden sei. Bei einigen Produkten stieg der Verkaufspreis um 50 Cent. Die aktuellen Erhöhungen würden dabei meist den Anhebungen folgen, die Hersteller im Vorjahr beim Handel durchsetzen konnten, heißt es in der „Lebensmittel Zeitung“.

Das Spiel mit den Packungsgrößen

Dabei würden gerade große Hersteller das Spiel mit den Packungsgrößen perfekt beherrschen, heißt es weiter. Die Strategie ist ganz einfach. Man erhöht zunächst den Preis für ein Produkt und bietet es dann in einer Sonder- oder XXL-Aktion in einer größeren Verpackung günstiger an.

Der Sonderpreis liegt dann zwar preislich, auf die höhere Menge gerechnet, unter dem neuen teureren Preis für die Normalpackung. Aber der Verkaufspreis liegt trotzdem deutlich über dem früheren, alten Preis. Der Kunde freut sich über ein Schnäppchen, hat aber tatsächlich mehr bezahlt als früher. Der Nebeneffekt ist: Der Kunde wird an das neue Preisniveau gewöhnt.

Oder die XXL-Packung weist nur einen geringen Preisvorteil zum eigentlichen Normalpreis auf und man hofft auf die Rechenfaulheit des Kunden. Tatsächlich gibt es auch Produkte, bei denen bei gleichem Preis der Inhalt verkleinert wurde. Und die ganz Dreisten haben den Inhalt reduziert und zusätzlich noch den Preis erhöht.

Im Interview weist Nestlé-Vorstandschef Schneider den Vorwurf, mit kleineren Verpackungsgrößen über Preiserhöhungen hinwegzutäuschen, zurück: „Täuschung möchte ich mir nicht unterstellen lassen.“

Nestlé ist der größte Lebensmittelhersteller der Welt und hat für sein Sortiment in der ersten Hälfte des vergangenen Jahres die Preise im Durchschnitt um 7,5 Prozent angehoben.

„Wir setzen damit mehr als 800 Millionen Franken um“

Zu den künftigen Marktchancen für Fleischersatzprodukte auf pflanzlicher Basis äußerte sich Schneider zuversichtlich. „Wir setzen damit mehr als 800 Millionen Franken im Jahr um, und das mit zweistelligen Wachstumsraten.“ (800 Millionen Franken entsprechen aktuell rund 800,3 Millionen Euro.)

Die Bedeutung dieses Geschäfts für den Konzern werde in den kommenden Jahren deutlich zunehmen. Die [Fleisch-]Ersatzprodukte würden einen wichtigen Beitrag leisten, damit Nestlé sein selbstgestecktes Ziel erreichen könne, die Treibhausgasemissionen gegenüber dem Stand von 2018 bis 2025 um 20 Prozent zu senken und bis 2030 zu halbieren.

„Wir müssen die Umweltbelastung verringern, die von der Kuhhaltung ausgeht.“ Man könne mit der bestehenden Technik und guter Haltung bis zu 30 Prozent der Treibhausgasemissionen vermeiden, so Schneider.

„Unser Mantra ist nicht, dass alle Menschen Vegetarier oder Veganer werden sollen. Unser Mantra ist, dass wir es insbesondere in den westlichen Industriestaaten mit einem Überkonsum an tierischem Eiweiß zu tun haben.“

Zum Potenzial von Laborfleisch sagte Schneider, es sei pflanzenbasierten Produkten mit Blick auf Proteingehalt und Kalorienzahl unterlegen. „Deshalb halte ich Laborfleisch vor allem für sogenannte Hybridprodukte für interessant. Das heißt, man stellt zum Beispiel 80 Prozent des Nahrungsmittels aus Pflanzen her, und als letztes Tüpfelchen obendrauf mischt man etwas kultiviertes Fleisch dazu.“

Mehr Fleischersatz: „Ein Wandel ist alternativlos“

Ähnlich wie Nestlé sieht auch der Lebensmittel-Handelsriese Lidl eine große Zukunft für Fleischersatzprodukte.

Christoph Graf, der Chefeinkäufer von Lidl für den deutschen Markt, kündigte Ende Januar auf der Grünen Woche in Berlin eine Reduktion tierischer Proteine im Einkaufsortiment aus Klimaschutzgründen an. „Ein Wandel ist alternativlos, weil es keinen zweiten Planeten gibt.“ Tierische Proteine sollen deswegen durch pflanzliche ersetzt werden. Damit sollen die Ressourcen der Erde für 10 Milliarden Menschen ausreichen.

„Ich glaube, dass die jüngere Generation froh ist, wenn wir uns mit dem Thema beschäftigen.“ Er hofft auf einen Wettbewerbsvorteil, den man so erreichen könnte. Wenn der Händler zeigen könne, dass er etwas geschafft habe, „dann werden wir auch positiver wahrgenommen“, so Graf.

Bis 2025 soll daher der Anteil pflanzlicher Proteine „kontinuierlich erhöht“ werden. Über zusätzliche Themenwochen will man mehr pflanzliche Proteine in die Regale bringen. „Wir wollen selbstverständlich nicht allen Kunden ihre Ernährungsweise vorschreiben“, sagt Graf. „Wir versuchen stattdessen, unsere Kunden zu motivieren.“

Das Landwirtschaftsministerium unter dem Vegetarier Cem Özdemir (Grüne) führte als ersten Eckpunkt einer neuen Ernährungsstrategie der Bundesregierung eine „stärker pflanzenbetonte Ernährung“ auf. Danach folgt eine weitere Reduzierung von Zucker, Fetten und Salz in verarbeiteten Lebensmitteln. Die Aufzählung der Eckpunkte endet mit einem erhöhten Anteil an ökologisch-klimafreundlich erzeugten Lebensmitteln in der Gemeinschaftsverpflegung.

Nestlé-Konzern: Jahresumsatz von über 90 Milliarden US-Dollar

Der Schweizer Nestlé-Konzern gilt mit einem Jahresumsatz von über 90 Milliarden US-Dollar als größter Lebensmittelkonzern der Welt. Der deutsche Umsatzanteil liegt bei etwa 3 Prozent. Nestlé hat in Deutschland knapp 10.000 Mitarbeiter. Sie produzieren Schokolade, Süßwaren, Milchprodukte, Heißgetränke, Babynahrung, Küchenprodukte und Cerealien, die beispielsweise unter Markenbezeichnungen wie Maggi, Thomy, Nesquik, Nescafé, Sanpellegrino, Vittel, After Eight und Kitkat bekannt sind.

1973 eröffnete die erste Lidl-Filiale in Deutschland. Heute gehört Lidl als Teil der Unternehmensgruppe Schwarz mit Sitz in Neckarsulm zu den führenden Unternehmen im Lebensmitteleinzelhandel in Deutschland und Europa.

Aktuell betreibt Lidl über 12.000 Filialen in 31 Ländern weltweit, erklärt das Unternehmen. In Deutschland arbeiten rund 93.000 Mitarbeiter in rund 3.200 Filialen. Lidl erhöhte nach Konzernangaben seinen Filialumsatz 2021 um 4,7 Prozent auf 100,8 Milliarden Euro.

(Mit Material von dpa und dts)



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