Rukwied schließt neue Bauernproteste nicht aus – Umweltverbände fürchten um „Green Deal“

Der Präsident des Bauernverbands, Joachim Rukwied, tritt in einem Interview dem Eindruck entgegen, die Bauernproteste seien wirkungslos geblieben. Man habe bereits einiges erreicht, erklärte der Verbandschef – und erforderlichenfalls sei man „sehr schnell wieder auf der Straße“.
Protestierende Landwirte in Brüssel.
Protestierende Landwirte in Brüssel.Foto: Virginia Mayo/AP/dpa
Von 18. April 2024

Die bundesweiten Bauernproteste, die in den Wintermonaten die Schlagzeilen geprägt hatten, sind nicht mehr zu bemerken. Dennoch macht der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Joachim Rukwied, deutlich, dass die Kampagne der Landwirte gegen die Belastungspolitik in Bund und EU nicht vorbei sei.

Derzeit sei es vor allem eine Plakatkampagne an den Rändern viel befahrener Straßen, mithilfe derer die Bauern auf ihre Anliegen aufmerksam machten. Man werde „deutlich sichtbar“ bleiben, kündigte Rukwied an – insbesondere mit Blick auf die bevorstehenden EU-Wahlen und die Bundestagswahl im nächsten Jahr.

Entlastung der Bauern bei Agrardiesel lag sogar unterhalb des EU-Durchschnittssteuersatzes

Im Interview mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (NOZ) unterstreicht Rukwied, dass die Forderung nach einer „fairen Lösung“ beim Agrardiesel ein zentrales Anliegen bleibe. Am Ende müsse eine Erstattung in Höhe des europäischen Durchschnittssteuersatzes für die Landwirtschaft bei Diesel stehen.

Sei das nicht gewährleistet, drohten der deutschen Landwirtschaft erhebliche Wettbewerbsnachteile. So werde Agrardiesel in Belgien gar nicht besteuert. Wie das „Bayerische Landwirtschaftliche Wochenblatt“ im Januar 2024 eruierte, betrage der europäische Durchschnittssteuersatz für Agrardiesel etwa 25 Cent pro Liter. Dies sei noch mehr als die den deutschen Landwirten bisher gewährten 21,48 Cent.

Ohne Rückerstattung hätten deutsche Bauern, so schreibt „Agrar heute“, zusammen mit jenen in den Niederlanden und Griechenland den teuersten Kraftstoff. Eine Vergünstigung zum Ausgleich gewährten die meisten anderen EU-Länder, Österreich zahle einen Ausgleich für eine höhere CO₂-Steuer.

Rukwied mit bisherigen Erfolgen der Proteste zufrieden

Derzeit verhandeln die Ampelfraktionen über ein Entlastungspaket für die Landwirte. Bis zum Sommer wollen sie dieses präsentieren. Neben Agrardiesel und Bürokratieabbau bleibe auch die Steuerfreiheit für Biotreibstoffe in der Landwirtschaft aus Rukwieds Sicht essenziell. Erforderlichenfalls seien die Bauernproteste schnell wieder mobilisiert, fügt er hinzu:

„Wenn es notwendig wird, sind wir sehr schnell wieder auf der Straße. Was das bedeutet, haben wir im Winter gezeigt. Da lassen wir nicht locker.“

Mit dem, was die Bauern in Deutschland und der EU bisher erreicht hätten, sei der Bauernverbandschef zufrieden. Die agrarpolitische Agenda in Berlin, aber insbesondere auch in Brüssel habe sich gedreht. Der Wert der Landwirtschaft für die Versorgung, aber auch für den ländlichen Raum sei vielen deutlich geworden.

Nun blieben die grünen Kennzeichen erhalten, die Stilllegung von Flächen sei ausgesetzt. Zudem habe man eine Reihe nicht praktikabler Vorgaben zum Pflanzenschutz fallen gelassen. Agrardiesel und Bürokratieabbau blieben als Schwerpunkte für die deutschen Bauern aufrecht. Die EU nahm zudem die vor allem in Polen bemängelte zollfreie Einfuhr landwirtschaftlicher Produkte aus der Ukraine wieder zurück.

Bauernverbandschef gegen „Tierwohl-Cent“ und fragwürdige „Ernährungsempfehlungen“

Rukwied forderte zudem eine berechenbare Finanzierung für den tierwohlgerechten Umbau der Ställe. Er schlug eine Absicherung durch Verträge mit Laufzeiten über 20 Jahre vor. Dabei müsse sichergestellt werden, dass das Geld auch tatsächlich bei den Bauern ankomme.

Eine Anhebung der Mehrwertsteuer auf Fleisch lehnt Rukwied ebenso ab wie den von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir ins Spiel gebrachten „Tierwohl-Cent“. Der Verbandspräsident beharrte darauf, dass das Geld aus dem Bundeshaushalt kommen müsse.

Kritik übte Rukwied auch an Empfehlungen aus der Politik und vonseiten der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. Diese hatte erklärt, die Menschen im Land sollten nicht mehr als 300 Gramm Fleisch pro Woche verzehren. Der DBV-Chef meinte dazu:

„Ich halte von diesen Ernährungsempfehlungen nichts. Ärzte empfehlen etwas ganz anderes. Diese Empfehlungen entsprechen nicht einer ausgewogenen Ernährung. Aus meiner Sicht sollte sich jeder so ernähren, wie er es für richtig hält.“

„Wissenschaft“ gegen Erleichterungen für die Landwirte – Wähler unbeeindruckt

In der kommenden Woche soll das EU-Parlament die von der Kommission beschlossene Anpassung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) absegnen. Diese sieht neben einer weitreichenden Modifizierung der Regeln über Brachflächen auch Erleichterungen im Bereich der Bürokratie vor.

Biodiversitätsforscher und Umweltverbände beklagen einen damit verbundenen Abschied von Zielen des „Green Deals“. Katrin Böhning von der Goethe-Universität Frankfurt erklärt gegenüber dem MDR, die Neuregelungen stünden „im krassen Gegensatz zum Stand der Wissenschaft und gefährden die Biodiversität“. Guy Pe’er vom Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung Halle-Leipzig-Jena meint, Standards wären „da, um uns zu schützen“. Deshalb dürfe man in der Landwirtschaft ebenso wenig Kontrollen abschaffen wie auf dem Bau oder im Straßenverkehr.

Die Stimmung in weiten Teilen der Bevölkerung ist jedoch eine andere. Dies nimmt unter anderem die „Washington Post“ wahr. Sie schreibt: „Die Landwirte sind wütend über hohe Kosten und niedrige Preise, über die Aussicht auf Freihandelsabkommen, über die Zwänge der Klimavorschriften und darüber, dass die politischen Eliten ihrer Meinung nach nicht verstehen, was es bedeutet, Weizen anzubauen oder Schafe zu züchten.“

Mit ihrer Revolte hätten sie die Politik verändert:

„Beamte, die zuvor versprochen hatten, die Umwelt an die erste Stelle zu setzen und die Welt in einen grünen Übergang zu führen, haben sich bemüht, einige ihrer eigenen Regeln zurückzunehmen.“

Sollte das EU-Parlament hier dazwischenfunken, drohe – ebenso wie im Fall eines Wahlsieges von Donald Trump in den USA – ein „scharfer Rechtsruck“.



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