Sind rechtsextreme Chat-Inhalte durch Meinungs- und Kunstfreiheit gedeckt?

Das Landgericht Frankfurt lässt eine Klage gegen Polizisten nicht zu. Nun hat die Staatsanwaltschaft Beschwerde vor dem Oberlandesgericht eingelegt.
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Für den Austausch von Nachrichten nutzten hessische Polizisten eine geschlossene WhatsApp-Gruppe (Symbolbild).Foto: iStocks/rodrigobark
Von 2. März 2023

Dass Polizisten eines Frankfurter Reviers rassistische und antisemitische Inhalte in einer rechtsextremen Chatgruppe ausgetauscht haben sollen, hält das Frankfurter Landgericht nicht für strafbar. Teile der Inhalte fielen unter Satire und seien von der Kunstfreiheit gedeckt, begründete das Gericht die Abweisung der Anklage.

Gegen den Nichteröffnungs-Beschluss hat nun die Staatsanwaltschaft Beschwerde beim Oberlandesgericht (OLG) eingelegt. Dieses kann entweder den Beschluss des Landgerichts bestätigen oder die Hauptverhandlung eröffnen, also die Anklage gegen die fünf Männer und die Lebensgefährtin eines der Polizisten zulassen. Dann müsste das Landgericht – obwohl es die Klage nicht zugelassen hat – darüber in einem Prozess verhandeln.

Merkmal des Verbreitens nicht erfüllt

Laut „hessenschau“ heißt es in dem Gerichtsbeschluss vom 13. Februar 2023, dass die Inhalte nicht strafbar seien, weil die Beschuldigten sie nicht weiterverbreiteten. Das Versenden innerhalb der Gruppe reiche nach Überzeugung des Gerichts alleine nicht aus. Es argumentierte auch mit dem grundgesetzlich verbrieften Recht auf Meinungsfreiheit und mit der bereits erwähnten Kunstfreiheit. Dadurch seien Teile der Inhalte gedeckt.

Konkret heißt es laut „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ) in der Begründung: Weil es sich um geschlossene Chatgruppen gehandelt habe, sei das für alle angeklagten Tatbestände notwendige Merkmal des „Verbreitens“ der Inhalte nicht erfüllt. Die Strafkammer bezieht sich insofern auf die Meinungsfreiheit in Artikel 5 des Grundgesetzes. Der Inhalt einer Meinung als solcher dürfe nicht verboten werden, sondern nur die Art der Kommunikation: Denn um ein Verbreiten im strafrechtlichen Sinn handele es sich erst, „wenn der inkriminierte Inhalt einem größeren Personenkreis zugänglich gemacht“ werde. Dieser müsse zumindest so groß sein, „dass er für den Täter nicht mehr kontrollierbar“ sei.

Im vorliegenden Fall sei diese Voraussetzung nicht erfüllt, schreiben die Richter. Die WhatsApp-Chatgruppe habe aus maximal zehn Mitgliedern bestanden. Sie sei nicht darauf ausgelegt gewesen, dass andere Nutzer an den Inhalten teilhaben konnten. Zudem habe es eine Art Aufnahmeritual für den Zugang zur Gruppe gegeben.

102 menschenverachtende Fotos und Videos im „Itiotentreff“

Die Staatsanwaltschaft ist hingegen der Ansicht, in der seit 2014 bestehenden WhatsApp-Gruppe mit dem Chatnamen „Itiotentreff“ seien 102 rechtsextremistische, rassistische, antisemitische und menschenverachtende Fotos und Videos verbreitet worden. Darauf würden vor allem Menschen mit Einschränkungen oder Migrationshintergrund („Kanackenpack“), Homosexuelle, Juden und Muslime beleidigt, verleumdet und verächtlich gemacht. Zudem hätten die Angeklagten dunkelhäutige Menschen als schwachsinnig, faul, dumm oder kriminell dargestellt, Gewalt an Kindern gezeigt oder sich über den Holocaust lustig gemacht.

Die Staatsanwaltschaft hatte im April vergangenen Jahres Anklage erhoben. Die Gruppe soll unter anderem voller Hitler-Darstellungen, Hakenkreuze und weiterer nationalsozialistischer Symbole sowie Verharmlosungen des Holocausts gewesen sein.

Verjährung der ersten Fälle droht 2024

Auf die Polizisten in der Itiotentreff-Chatgruppe waren die eigenen Kollegen erst im Sommer 2018 gestoßen, nachdem die Frankfurter Rechtsanwältin Seda Basay-Yildiz Drohschreiben mit dem Kürzel „NSU 2.0″ erhalten hatte. Ihre Daten waren im 1. Revier abgerufen worden. Weitere Ermittlungen führten dann zu der Chatgruppe und weiteren Polizei-Chats mit rechtsextremen Inhalten. Dazu gehörte etwa das Polizeipräsidium Südhessen.

Die Beamten – vier Polizeioberkommissare und ein Polizeikommissar – waren seinerzeit suspendiert worden. Vier Jahre dauerten die Ermittlungen, im nächsten Jahr droht die Verjährung der ersten Fälle.

Im Fall der „NSU 2.0″-Drohschreiben hatte das Landgericht Frankfurt bereits im November 2022 einen Mann aus Berlin zu mehr als fünf Jahren Haft verurteilt.



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