Debatte ums Geld: Kein uferloser Ausbau des Sozialstaats

Der FDP-Parteichef hat ein mehrjähriges Moratorium bei Sozialausgaben und Subventionen gefordert. Nun wird in der Ampel-Koalition wieder heftig diskutiert. Auf die Kindergrundsicherung sollte verzichtet werden, fordert der Präsident des Bundessozialgerichts.
Der Bürgergeld-Regelsatz von 563 Euro im Monat soll künftig komplett wegfallen, wenn jemand eine zumutbare Arbeit nicht annimmt.
Der Bürgergeld-Regelsatz von 563 Euro im Monat soll künftig komplett wegfallen, wenn jemand eine zumutbare Arbeit nicht annimmt.Foto: Monika Skolimowska/dpa-Zentralbild/dpa
Epoch Times27. Februar 2024

In der Debatte über Sozialausgaben bleibt die FDP bei ihrer Position. Bundesfinanzminister Christian Lindner hatte einen mehrjährigen Aufschub zusätzlicher Sozialausgaben und Subventionen sowie neuer Standards angeregt, um mehr Geld in Verteidigung investieren zu können. Gelänge es, einmal drei Jahre mit dem auszukommen, „was wir haben“, wäre das ein großer Schritt, sagte er im ZDF.

„Wer beim Mindestlohn künftig verstärkt auf politische Willkür und staatliche Lenkung setzt und beim Bürgergeld das Lohnabstandsgebot wiederholt infrage stellt, wird deutlichen Widerspruch der FDP ernten“, sagte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai dpa in Berlin.

Eine weitere Erosion der Tarifautonomie werde es mit seiner Partei nicht geben „und einen uferlosen Ausbau des Sozialstaats ebenso wenig“.

Der Wohlstand in Deutschland sei nur durch eine entschlossene Wachstumspolitik und eine Wirtschaftswende zu halten. „Deren Ziel muss es sein, die Menschen und Betriebe dauerhaft zu entlasten – bei den Steuern, den Sozialabgaben und der Bürokratie“, sagte Djir-Sarai.

Scholz gegen Kürzungen bei Sozialausgaben

Bundeskanzler Olaf Scholz lehnte mit Blick auf die wirtschaftliche Lage in Deutschland soziale Einschnitte und den Abbau von Arbeitnehmerrechten strikt ab.

CDU und CSU wollten über die Anhebung des Renteneintrittsalters an die Rente rangehen, andere wollten Leistungen im Krankheits- und im Pflegefall einschränken, manche den Kündigungsschutz abbauen, sagte der SPD-Politiker am Montag in Berlin bei einer dpa-Chefredaktionskonferenz. „Für mich kommt das nicht in Betracht, um das sehr klar zu sagen.“ Er schließe aus, dass eine von ihm geführte Regierung so etwas mache.

Früherer Wirtschaftsweiser warnt

Der ehemalige Wirtschaftsweise Lars Feld warnt angesichts der angespannten sicherheitspolitischen Lage vor einem weiteren Ausbau des Sozialstaats in Deutschland. „Soll im Zeitablauf eine allmähliche Strukturveränderung hin zu höheren Verteidigungsausgaben führen, muss der Anteil der Sozialausgaben am Bundeshaushalt allmählich sinken“, sagte Feld der „Rheinischen Post“.

Das bedeute, dass die Sozialausgaben zumindest schwächer ansteigen müssten als das Bruttoinlandsprodukt (BIP), so der Ökonom. Dies sei angesichts der Demografie und verfassungsrechtlicher Restriktionen wie dem Existenzminimum ohnehin nicht einfach zu erreichen.

„Daher besteht der erste Schritt darin, keinen weiteren Ausbau des Sozialstaats vorzunehmen“, sagte Feld. Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung in Deutschland würden sich „Sozialausgaben auf Pump“ verbieten, so der Ökonom. Feld berät unter anderem Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP).

Kindergrundsicherung ist ein „Holzweg“

Der scheidende Präsident des Bundessozialgerichts, Rainer Schlegel, fordert die Bundesregierung zum Verzicht auf die geplante Kindergrundsicherung auf. „Alle Leute, die sich auskennen, sagen: ‚Das ist ein Holzweg'“, sagte Schlegel dem „Tagesspiegel“.

„Da müsste auch eine Ministerin die Größe haben zu sagen: ‚Ich sehe ein, es ist der falsche Weg'“, fügte er mit Blick auf Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) hinzu. „Es fällt uns kein Zacken aus der Krone, wenn wir eine neue Richtung einschlagen.“

Die Kindergrundsicherung sei ein Prestigeobjekt, das ohne Rücksicht auf personelle und finanzielle Ressourcen durchgeboxt werden solle, kritisierte Schlegel. Die Ampel-Regierung hinterlasse „eine Gesetzesruine für nachfolgende Generationen in Politik und Verwaltung“, warnte er.

Bürgergeld bei den Freibeträgen zu großzügig

Die Rente mit 63 bezeichnet Schlegel als Fehler. „Es würde einen mutigen Schritt des Gesetzgebers erfordern, um mit der Rente mit 63 Schluss zu machen. Aber es wäre sehr wichtig“, sagte er.

Beim Bürgergeld seien die Regelungen zu großzügig, etwa bei den Freibeträgen für Vermögen. „Eine vierköpfige Familie darf langfristig eine Eigentumswohnung mit 130 Quadratmetern behalten, im ersten Jahr 85.000 Euro Erspartes. Jeder Erwachsene, der erwerbsfähig ist, darf ein Auto vor der Tür stehen haben“, zählte er auf. „Das muss man jemandem, der jeden Tag zur Arbeit geht und kaum über die Runden kommt, erst einmal erklären.“

Schlegel geht mit Ablauf des Monats Februar in den Ruhestand. Als neue Präsidentin des Bundessozialgerichts wurde Christine Fuchsloch Mitte Februar in ihr Amt eingeführt. (afp/dpa/red)



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