Steigende Kinderkriminalität: Jugendrichter gegen Herabsetzung des Strafmündigkeitsalters

Nach dem Mord an der 12-jährigen Luise durch Gleichaltrige und dem Bekanntwerden der dramatischen Zunahme an Straftaten um 35 Prozent durch Kinder und Jugendliche in der Bundeskriminalstatistik 2022 ist die Diskussion um eine Änderung des Strafmündigkeitsalters entbrannt.
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Wie soll mit Kinderkriminalität umgegangen werden?Foto: iStock Andrey Popov
Von 2. April 2023

Der Bernauer Richter Andreas Müller hat sich – auch angesichts der Zunahme von Straftaten durch Kinder und Jugendliche – gegen die Herabsetzung des Strafmündigkeitsalters ausgesprochen. Bei den meisten Delikten in der Altersgruppe unter 14 Jahren handele es sich um leichte Vergehen, sagte der Jugendrichter, der durch seine Urteile und seine oft unkonventionellen Bewährungsauflagen Bekanntheit erreicht hatte.

„Das ist mal eine Tafel Schokolade klauen, das ist über den Zaun springen, das sind Sachen, die Kinder nun mal teilweise machen im Alter von zwölf und 13 Jahren“, so Müller weiter. Die kürzlich vorgestellte Kriminalstatistik sei mit Blick auf Kinder und Jugendliche „nicht alarmierend“.

35 Prozent mehr tatverdächtige Kinder: „Nicht alarmierend“

Einen Zuwachs um 35 Prozent an tatverdächtigen Kindern hat es im Jahr 2022 gegenüber dem Vorjahr gegeben, hat die am Donnerstag von Innenministerin Nancy Faeser vorgestellte offizielle Bundeskriminalstatistik ergeben. Das ist überdurchschnittlich, auch gemessen an dem an sich schon allgemein hohen Zuwachs an Straftaten von 11,5 Prozent gegenüber 2022, dem höchsten Stand seit 2017.

Allein bei Kindern zählt die Statistik hier für das vergangene Jahr  93.095 registrierte Fälle, das sind deutlich mehr als 2019 (72.890). Diebstahl ist das häufigste Delikt, gefolgt von Körperverletzung, Sachbeschädigung und Rauschgiftkriminalität. (Epoch Times berichtete).

Angesprochen auf den Fall der 12-jährigen Luise aus dem nordrhein-westfälischen Freudenberg, die von Gleichaltrigen getötet worden war, sagte Jugendrichter Müller: „Das ist ein Phänomen, ein besonders seltenes Ereignis, das können Sie nicht verhindern, auch nicht durch eine Gesetzesänderung, wie das manche Parteien jetzt fordern, das Mindestalter von 14 auf zwölf Jahre runtersetzen.“

Natürlich müsse man bei Kindervergehen und Kinderkriminalität hinschauen, aber dafür habe man Instrumente – das Familienrecht bis 14 Jahre und ab dann das Jugendrecht, so Jugendrichter Müller. Statt einer Verschärfung des Strafrechts müsse vielmehr die Justiz gestärkt werden.

CDU will Senkung des Strafmündigkeitsalters

Die Union hatte nach Bekanntwerden des Falles vom Mord an Louise die Forderung nach einer Senkung der Strafmündigkeit in den Raum gestellt. Der rechtspolitische Fraktionssprecher der CDU, Günter Krings, forderte in dem Zusammenhang: „Auch zwölf- und 13-Jährige wissen, dass man nicht töten darf. Wir müssen daher die Debatte um eine Herabsetzung des Alters der Strafmündigkeit führen.“

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) äußerte sich zurückhaltend zum Vorschlag, das Mindestalter für die Strafmündigkeit zu senken. Er betonte, dass schwere Verbrechen Konsequenzen haben müssen, aber Änderungen im Strafrecht sollten sachlich und vernünftig diskutiert werden. Obwohl Kinder unter 14 Jahren in Deutschland nicht strafrechtlich verfolgt werden können, gibt es bereits rechtliche Mittel, um auf schwerwiegende Gewalttaten von Kindern unter 14 Jahren zu reagieren, wie zum Beispiel die Unterbringung in geschlossenen Heimen oder in der Psychiatrie, erklärte Buschmann.

In Deutschland ist man mit dem 14. Geburtstag strafmündig, kann vor Gericht gestellt und verurteilt werden. Vor Vollendung des 14. Lebensjahres sind Kinder schuldunfähig gemäß Paragraph 19 StGB. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass Kinder vor Vollendung des 14. Lebensjahres nicht in der Lage sind, das Unrecht einer Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Das wurde 1923 so festgelegt. Während der NS-Herrschaft konnten ab Ende 1943 Kinder auch mit zwölf Jahren bestraft werden, 1953 wurde das Mindestalter wieder auf 14 Jahre angehoben. Darunter können Kinder nicht strafrechtlich belangt werden und das gilt bis heute.

Gute Gründe für Strafmündigkeit ab 14 Jahren

Die Rechtsnorm der Strafmündigkeit ab 14 Jahren habe einen guten Grund, sagt der Präsident der Psychotherapeutenkammer NRW, Gerd Höhner, und positionierte sich damit gegen Forderungen nach einer Senkung des Alters der Strafmündigkeit: „Das deutsche Strafrecht setzt Schuld für Strafe voraus.“ Die Strafmündigkeit beinhalte eine moralisch-ethische Reife. „Das Kind muss nicht nur wissen, dass es etwas nicht tun darf, sondern auch intellektuell in der Lage sein, eine äußere Norm für sich selbst zu übernehmen.“

Forderungen nach der Senkung der Strafmündigkeit seien vielmehr „ein Appell, der mehr mit den Fordernden zu tun hat als mit der Forderung selbst. Man will damit die eigene Hilflosigkeit überwinden und fordert etwas, ohne es länger zu bedenken“, sagte Höhner gegenüber der „Rheinischen Post“: „Ich glaube auch nicht, dass es etwas nutzen würde. Fangen wir dann an, Kinderstrafanstalten zu errichten?“



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