Steinmeier reist zu dreitägigem Besuch in die Türkei

Seit seinem Amtsantritt hat Bundespräsident Steinmeier noch nicht die Türkei besucht – heute beginnt sein Besuch in Istanbul. Ein schwieriger Besuch, und eine Herausforderung.
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Istanbul, Türkei: Ein Blick auf die Viertel Halicioglu und Piri Pasha im Bezirk Beyoglu in Richtung der Wolkenkratzer des Stadtteils Sisli.Foto: iStock
Epoch Times22. April 2024

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier reist am Montag zu seinem ersten Besuch seit Amtsantritt vor sieben Jahren in die Türkei. Anlass der Reise ist das 100. Jubiläum der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Deutschland und der Republik Türkei.

Erste Station des Bundespräsidenten ist am Montag die Metropole Istanbul. Am Dienstag reist er in die Provinz Gaziantep, wo ein Erdbeben vergangenes Jahr schwere Schäden anrichtete. Ein Treffen mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan ist für Mittwoch in Ankara geplant.

Die politischen Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei sind angespannt. Die Bundesregierung attestiert der Türkei Defizite bei der Rechtsstaatlichkeit und der Achtung der Menschenrechte.

In der Nahost-Politik verfolgt die Türkei mit ihrer Unterstützung für die radikalislamische terroristische Hamas einen anderen Ansatz als die Bundesregierung.

Steinmeier will bei seinem Besuch hauptsächlich die engen Verbindungen zwischen den beiden Gesellschaften hervorheben und insbesondere die Lebensgeschichten und Lebensleistungen der Millionen türkeistämmigen Menschen in Deutschland würdigen.

Besuch wird kritisch gesehen

Der Besuch ist nach Auffassung von FDP und CDU eine große Herausforderung für Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Steinmeier solle für eine engere Zusammenarbeit in den Bereichen Flucht, Migration, Sicherheit und Wirtschaft zu werben, sagte der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Michael Link dem „Tagesspiegel“ (Montagsausgabe).

„Die Türkei ist und bleibt ein strategisch äußerst wichtiger NATO-Partner und im Wirtschaftsbereich könnte die Zollunion eine Modernisierung vertragen.“ Link ergänzte: „Es gilt, das Vertrauen zu stärken und an der Stabilität der Beziehungen zu arbeiten, genau dafür ist eine solche Besuchsdiplomatie auf höchster Ebene gut.“

CDU-Verteidigungspolitiker Roderich Kiesewetter plädierte dafür, die Chance nach den türkischen Kommunalwahlen zu nutzen. Aus den Wahlschlappen der Regierungspartei und positiven Signalen Richtung NATO erwachse die Hoffnung auf einen Kurswechsel, sagte er.

Andererseits sei die Türkei ein sehr polarisiertes Land, „in dem Erdoğan Rechtsstaatsprinzipien ausgehebelt hat, Oppositionelle inhaftieren lässt und demokratische Strukturen aushöhlt“. Die Opposition befürchte deshalb aus guten Gründen, dass Erdoğan Opposition und Kritiker weiter unterdrücken und erneut auch „aggressive außenpolitische Maßnahmen ergreifen könnte“.

Die EU könne es sich jedoch nicht leisten, dass die Türkei in Richtung CRINK-Allianz aus China, Russland, Iran und Nordkorea abdrifte. „Angesichts der Bedrohungslage kommt es für die EU auf schnelles, entschlossenes Handeln an“, sagte Kiesewetter. Dazu müssten Konflikte wie um Griechenland und Zypern sowie die ambivalente Rolle der Türkei mit Blick auf Russland angegangen werden.

Gleichzeitig erwarte er von Steinmeier, türkische Angriffe auf kurdische Gebiete zu thematisieren, erklärte der Verteidigungspolitiker. „Es wird also ein schwieriger Spagat für den Bundespräsidenten, aber es ist richtig, dass er die Chance nach den Kommunalwahlen nun nutzt.“ Kiesewetter empfahl jedoch auch, den Besuch nicht zu überbewerten. „Der Bundespräsident kann jedoch erste Brücken bauen, um Gesprächskanäle für Bundesregierung und Bundestag zu öffnen und neu zu beleben.“

Innertürkische Probleme in Deutschland austragen

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Michael Roth (SPD), kritisierte Erdoğan für seine regelmäßigen Versuche, innertürkische Konflikte nach Deutschland zu tragen. Er forderte Steinmeier auf, Probleme im deutsch-türkischen Verhältnis und Demokratiedefizite in der Türkei direkt anzusprechen.

„Autoritäre Herrscher wie Erdoğan verstehen nur eine klare und deutliche Sprache“, sagte er dem „Tagesspiegel“. Es brauche Signale in Richtung türkischer Zivilgesellschaft. „Unsere Botschaft muss sein: Wir nehmen Euch wahr, wir stehen an Eurer Seite.“ Roth wünscht sich, dass Steinmeier bei Erdoğan auf die Freilassung politischer Gefangener wie Osman Kavala drängt.

Der Präsident der Deutsch-Türkischen Gesellschaft, Macit Karaahmetoğlu, geht davon aus, dass Steinmeier mit Erdoğan über das Thema Rechtsstaatlichkeit sprechen wird und befürwortet das Treffen mit dem Istanbuler Bürgermeister. „Es ist sehr erfreulich, dass Bundespräsident Steinmeier zuerst den Bürgermeister von Istanbul, Ekrem Imamoğlu, trifft“, sagte er.

„Das ist ein klares Zeichen dafür, dass die Bundesrepublik nach den Kommunalwahlen in der Türkei registriert, dass man nicht mehr ausschließlich mit Erdoğan rechnen muss und dass es eine Wechselstimmung im Land gibt.“

Der SPD-Politiker und stellvertretende Vorsitzender der Deutsch-Türkischen Parlamentariergruppe im Bundestag fügte hinzu: „Wichtig wäre nun, dass die vollständige Rechtsstaatlichkeit in der Türkei wiederhergestellt wird. Ich habe geringe Hoffnungen, dass das passiert, solange Erdoğan an der Macht ist. Aber ich gehe davon aus, dass Steinmeier mit dem türkischen Präsidenten darüber sprechen wird.“

(afp/dts/red)

 

 



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