Über Rechtsstreitigkeiten, Bonussysteme und einen Untersuchungsausschuss

Beim „Rundfunk Berlin-Brandenburg“ (rbb) geht die Aufarbeitung der Schlesinger-Jahre weiter – auch vor Gericht. Vom System der Bonuszahlungen haben alle neun ARD-Anstalten inzwischen Abstand genommen. Außertarifliche Abschlüsse aber gibt es immer noch.
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Das Symbolbild zeigt die Zentrale des „Rundfunk Berlin-Brandenburg“ (rbb) in Berlin. Der Sender muss sich vor Gericht mit entlassenen Führungskräften auseinandersetzen.Foto: über dts Nachrichtenagentur
Von 25. September 2023

Der „Rundfunk Berlin-Brandenburg“ (rbb) will seiner entlassenen Intendantin Patricia Schlesinger offenbar keine Betriebsrente auszahlen. Das berichtet der „Business Insider“ (BI) unter Berufung auf „vertrauliche Dokumente“.

Die rbb-Anwälte würden darauf hoffen, den gesetzlichen Schutz der betrieblichen Altersversorgung unter Verweis auf die „angeblich hohe Anzahl von Verfehlungen“ und die „Schwere der Pflichtverletzungen“ brechen zu können. Immerhin sei es nach deren Ansicht Schlesinger, die den „wirtschaftlichen Niedergang des RBB“ zu verantworten habe. Der rbb-Verwaltungsrat habe bereits einstimmig dafür gestimmt, weitere potenzielle Kündigungsgründe gegen Schlesinger in die Waagschale zu werfen. Der Rundfunkrat müsse dies noch bestätigen.

Der rbb habe derzeit noch „einen mittleren einstelligen Millionenbetrag für die betriebliche Altersversorgung seiner Ex-Intendantin zurückgestellt“, so der „BI“. Schlesingers Anwalt habe auf eine aktuelle Anfrage nicht reagiert, im vergangenen Jahr aber immer wieder betont, dass die Vorwürfe gegen seine Mandantin haltlos seien.

Nach Angaben der „Berliner Zeitung“ will Schlesinger vor dem Landgericht um ihr Ruhegeld kämpfen: Sie beharre auf gut 18.000 Euro pro Monat (AZ.: 105 O 6/23). Ein Verhandlungstermin dafür stehe bislang nicht fest.

Erstinstanzliche Niederlage für Ex-Direktorin

Erst vor wenigen Tagen hatte das Arbeitsgericht Berlin bestätigt, dass die fristlose Kündigung der früheren Juristischen Direktorin des rbb, Susann Lange, wegen Pflichtverletzungen rechtens war. Richter Simon Coenen stellte während seiner Urteilsbegründung aber auch fest, dass der zu Grunde liegende Arbeitsvertrag aus dem Jahr 2020 sittenwidrig und damit nichtig sei. Das berichtete die „Berliner Zeitung“.

Das Urteil sei noch nicht rechtskräftig: Sowohl Lange als auch der rbb hätten noch die Möglichkeit, in Berufung zu gehen. Der Streitwert liege insgesamt bei 900.000 Euro.

Richter betont „Grundsätze der Sparsamkeit“

Richter Coenen habe von einem „groben Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung“ gesprochen. Der Sender sei als öffentlich-rechtliche Einrichtung verpflichtet, „zurückhaltend zu agieren“ und die „Grundsätze der Sparsamkeit“ zu beachten. Das sei „nicht gewahrt“ worden, kritisierte Coenen. Und weiter:

Wir haben es zu tun mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Der hat den Auftrag, informatives Programm zu senden, nicht hohe Gehälter zu zahlen.“

Nach Angaben des Gerichts hätte Lange laut Vertrag ein leistungsloses „Ruhegeld von mehr als 1,8 Millionen Euro“ bekommen sollen, bis ihr reguläres Rentenalter erreicht wäre. Deshalb liege nach Ansicht von Coenen eine „Äquivalenzstörung“ vor.

Fristlose Kündigung Langes rechtmäßig

Die fristlose Kündigung Langes im Dezember 2022 sei aus mehreren Gründen gerechtfertigt. So habe sich die Ex-Direktorin beispielsweise eine Zulage auszahlen lassen, die im Zusammenhang mit dem ARD-Vorsitz des rbb im Jahr 2022 gestanden habe. Ein Teil des Geldes sei allerdings schon für die Monate Juli bis November 2021 geflossen. Deshalb solle Lange nun 8.500 Euro plus Zinsen an den rbb zurückzahlen. Der Sender hatte laut „Berliner Zeitung“ aber 30.000 Euro gefordert.

An anderer Stelle habe Lange nicht interveniert, als es um „mehrjährige bezahlte Freistellung des ehemaligen Geschäftsführers der rbb-Media, einer rbb-Tochter“ gegangen sei. Dem Sender sind nach Angaben von „rbb24“ dadurch Kosten von 880.000 Euro entstanden.

Nach Entlassungen: rbb in mehreren Verfahren

Die Fälle Lange und Schlesinger sind nicht die Einzigen, mit denen sich der rbb und die Gerichte beschäftigen müssen. Seit Bekanntwerden der Vorwürfe in Sachen Vetternwirtschaft und Verschwendung rund um die nach ihrem Rücktritt entlassene Schlesinger im Sommer 2022 war es zu weiteren vorzeitigen Kündigungen hochrangiger Mitarbeiter gekommen.

Der rbb-Verwaltungsdirektor Hagen Brandstäter war nach Informationen des Senderportals „rbb24“ im Streit um seine Kündigung und Ruhegeldansprüche erstinstanzlich vorgegangen und Anfang September gescheitert. Auch hier habe das Arbeitsgericht Berlin eine Sittenwidrigkeit erkannt, Berufung sei möglich. Gegen Wolf, Schlesinger, ihren Ehemann und gegen „einen Teil der Direktorenriege“ ermittele zudem die Generalstaatsanwaltschaft Berlin, wie unter anderem der „Spiegel“ berichtet hatte.

Verena Formen-Mohr, die frühere Leiterin der rbb-Intendanz, sei bereits im April 2023 „mit einer Klage gegen ihre außerordentliche Kündigung gescheitert“, warte aber auf ihren Berufungstermin. Am 8. November stehe nach Informationen von „rbb24“ auch noch das erstinstanzliche Verfahren gegen den Ex-rbb-Produktionsdirektor an.

In allen Fällen gilt bis zu einem rechtskräftigen Abschluss eines Verfahrens die Unschuldsvermutung.

Keine Boni (mehr) in den neun ARD-Anstalten, „außerordentliche Einmalzahlungen“ beim ZDF

Der rbb war auch immer wieder wegen seines früheren Bonussystems in die Kritik geraten. Ende August 2022 hatte der Sender das System abgeschafft, wie ein Sprecher des rbb auf Anfrage der Epoch Times bestätigte. Auch die übrigen acht Landesrundfunkanstalten der ARD und das „Deutschlandradio“ zahlen eigenen Angaben zufolge keinerlei Boni aus.

Beim ZDF wurde nach Angaben eines Sprechers „die Möglichkeit geschaffen, besondere Leistungen von festen und freien Mitarbeitenden“ mit „außerordentliche[n] Einmalzahlungen“ zu „würdigen“. Im Jahr 2023 seien dafür 250.000 Euro bereitgestellt worden. „Die einmalige Leistungszulage beträgt zwischen 439,74 Euro und höchstens 1.817,13 Euro und wurde 2023 an 282 feste und freie Mitarbeitende ausgezahlt“, so der Sprecher. Nicht in den Genuss dieser Gelder dürfe beim ZDF allerdings die „Geschäftsleitung“ kommen.

AT-Verträge bleiben die Regel

Außertarifliche Geldleistungen sind beim ÖRR allerdings nach wie vor die Regel. Beim ZDF gibt es „26 außertarifliche (einschließlich Intendant und Direktor*innen) sowie 29 übertarifliche Mitarbeitende“. Im „Deutschlandradio“ wurden „elf Mitarbeitende […] außertariflich eingruppiert (AT)“. In den neun Landesrundfunkanstalten der ARD sieht es jeweils eigenen Angaben zufolge so aus:

  • BR: „33 Mitarbeiter(innen) erhalten eine sog. Sondervergütung“. Es handele sich um leitende Angestellte. Ein Teil erhalte „noch eine monatliche Aufwandspauschale in Höhe von 200 €“.
  • hr: Sechs Mitarbeiter mit AT-Verträgen. Dazu 13 Tarifmitarbeitende mit „jeweils übertarifliche[n] Zulagen“
  • MDR: Zehn außertariflich bezahlte Direktoren inklusive Intendanz, neun davon erhalten zusätzliche „Aufwandsentschädigungen“ und Sachbezüge als „geldwerte Vorteile“ (z.B. Dienstwagen oder BahnCard).
  • NDR (PDF): Zehn AT-Kräfte unter den Direktoren inklusive Intendant, darunter vier mit Leistungsbezügen „für zusätzliche Aufgaben innerhalb der ARD“
  • RB: Elf AT-Kräfte
  • rbb: Derzeit 22 AT-Kräfte. Ein „wichtiger Bestandteil“ des neuen „AT-Konzepts“ des am 20. April gewählten neuen Verwaltungsrates sei ihre Reduzierung auf 17. Sie alle erhielten „eine einheitliche monatliche Zulage von 1.200 Euro brutto“. Wegen andauernder Beratungen könnten sich „in den kommenden Wochen zu den hier festgehaltenen Sachständen noch Änderungen ergeben“.
  • SR (PDF): 16 AT-Kräfte. „Das betrifft den Intendanten, die Direktoren, die Justitiarin sowie Bereichs-/Programmbereichsleiterinnen und -leiter (Hauptabteilungsleitungs- und Stabsstellenebene)“
  • SWR: 40 AT-Kräfte zum Stand 31. Dezember 2022, „davon neun Direktorinnen und Direktoren (inkl. einmal Jobsharing) und ein Intendant“.
  • WDR (PDF): Für das Jahr 2022 weist der Geschäftsbericht zehn Mitarbeiter (Intendant plus Direktoren) aus, die eine „fixe Grundvergütung“ erhalten, „die sich am Verantwortungsbereich des jeweiligen Mitglieds orientiert“. Nur einige von ihnen bekamen zusätzliche Nebenbezüge wie Aufwandsentschädigungen, Sachbezüge oder sonstige Bezüge.

Geheimer Bonus für Ex-rbb-Chefredakteur

Zuletzt hatte im Zusammenhang mit Sonderzahlungen der Fall des ehemaligen rbb-Chefredakteurs Christoph Singelnstein für Schlagzeilen gesorgt. Singelnstein hatte laut „BZ“ vor dem rbb-Untersuchungsausschuss des Landtags Brandenburg ausgesagt, im Jahr 2020 einen Bonus von 35.000 Euro erhalten zu haben, ohne dass seine Mitarbeiter davon gewusst hätten. Regulär habe der Ex-Chefredakteur wegen eines außertariflichen Arbeitsvertrages 171.000 Euro im Jahr verdient. Singelnstein habe von einer „gewissen Willkürlichkeit“ bei Sonderzulagen unter der ehemaligen rbb-Intendantin Dagmar Reim gesprochen.

Er selbst habe an der Seite der Unternehmensberatung Kienbaum daran mitgewirkt, „ein neues Bonus-System mit noch höheren Extra-Zahlungen“ zu erarbeiten, so die Zeitung. Singelnstein habe auch nach seinem vorzeitigen Pensionsantritt im Jahr 2021 „mit einem geheimen Beratervertrag und fürstlichem ‚Ruhegeld‘ […] rund 180.000 Euro pro Jahr“ zusätzlich zu seinen regulären Altersruhebezügen erhalten.

Die Interimsintendantin Katrin Vernau habe den Vertrag mit Singelnstein aber 2022 gekündigt. Schlesinger habe „bis zu ihrem Rauswurf […] rund 350.000 Euro im Jahr“ aus Gebührengeldern bekommen.

Auf Vernau folgte am 1. September die aktuelle Intendantin Ulrike Demmer, die frühere stellvertretende Sprecherin der Regierung Merkel. Sie war im Juni gewählt worden. Sie wird nun außertariflich mit 220.000 Euro Jahresgehalt bezahlt.

rbb: Tarifverhandlungen bringen Mitarbeitern Inflationsausgleichsprämie und 2,8 Prozent mehr

Nach all den Querelen und monatelangen Streitereien herrscht beim rbb nun aber wenigstens wieder Ruhe beim Thema Tarifverhandlungen: Wie das Portal „DWDL“ berichtet, einigten sich die Gewerkschaft Ver.di und der Sender gerade erst auf ein Einkommensplus von 2,8 Prozent für die Beschäftigten und auf eine „Inflationsausgleichsprämie“ in Höhe von 3.000 Euro. Der Verwaltungsrat müsse den Beschlüssen aber noch zustimmen. Das solle am 19. Oktober geschehen. Bis dahin sollen „letzte Details“ geklärt werden.



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