„Unbequeme Wahrheit“ über Deutschlands Sicherheit: Pistorius fordert Grundgesetzänderung

In einer ZDF-Sendung hat Minister Pistorius angeregt, die erforderlichen Mittel für Verteidigung und Katastrophenschutz über eine Ausnahme von der Schuldenbremse aufzubringen. Die Höhe der Summen rechtfertige dies. Die FDP beharrt jedoch weiterhin auf Haushaltsdisziplin.
«Es wird nicht alleine durch Umschichtung gehen»: Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius.
Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius: „Es wird nicht alleine durch Umschichtung gehen.“Foto: Marcus Brandt/dpa
Von 9. April 2024

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius hat eine Grundgesetzänderung angeregt, um eine permanente Ausnahme von der Schuldenbremse zu ermöglichen. Diese solle nach seinem Willen nicht mehr gelten für Ausgaben, die im Zusammenhang mit „Katastrophenschutz, Zivilschutz und äußerer Verteidigungsfähigkeit“ stehen. Das hat der Minister am Montag, 8. April, in der ZDF-Sendung „Was nun, Herr Pistorius“ erklärt.

Pistorius hält Ausnahmen von Schuldenbremse für unvermeidbar

Es werde „Einschnitte geben müssen“, wenn man „die Verteidigung gewährleisten“ wolle, äußerte Pistorius weiter. Es gehe um Beträge, die man „nicht mal eben so aus dem Fleisch herausschneiden“ oder durch Umschichtungen und Sparmaßnahmen abdecken könne. Für „Sicherheit im weitesten Sinne“ sei es entsprechend erforderlich, „zumindest“ über eine Ausnahme von der Schuldenbremse nachzudenken:

„Im Zweifel wird man auch über zusätzliche Schulden reden müssen in dieser Koalition oder in der nächsten.“

Die Ampelkoalition hat bereits im Kontext mit dem Haushaltsentwurf für 2024 in Aussicht gestellt, die Schuldenbremse für ein weiteres Jahr auszusetzen. Der mögliche Anlass dafür wäre die Verschlechterung der militärischen Lage der Ukraine.

Beobachtern zufolge wäre diese Bedingung längst eingetreten. Was die eigene Landesverteidigung anbelangt, ist das 2022 beschlossene Sondervermögen von 100 Milliarden Euro noch bis 2027 in Geltung.

MSC-Berater rechnet mit bis zu sieben Prozent des BIP an Rüstungsausgaben

Die in Artikel 109 Absatz 3 des Grundgesetzes verankerte Schuldenbremse schreibt Bund und Ländern vor, Haushalte grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen. Die von der Konjunktur unabhängige staatliche Neuverschuldung ist den Ländern untersagt und für den Bund auf 0,35 Prozent des nominellen BIP beschränkt.

Ausnahmen sind möglich für „Naturkatastrophen oder außergewöhnliche Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen“. Die Erreichung des NATO-Ziels von zwei Prozent des BIP für Verteidigungsausgaben fällt jedoch nicht darunter.

Für den – immer wahrscheinlicheren – Fall einer Niederlage der Ukraine im Krieg gegen Russland rechnen unter anderem CDU-nahe Kreise mit einer noch höheren Zielvorgabe. Nico Lange von der Münchner Sicherheitskonferenz erklärte gegenüber dem „Tagesspiegel“, langfristig müsse Deutschland dann „fünf bis sieben Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung ausgeben“.

Pistorius rühmt sich als Künder unbequemer Wahrheiten

Auch Pistorius teilt das Narrativ, wonach es Russland nicht lediglich darum gehe, im Osten der Ukraine eine russischsprachige Bevölkerung und russische Interessen zu wahren. Diesem zufolge plane Präsident Wladimir Putin bereits, auch gegen NATO-Länder militärisch vorzugehen. Entsprechend stehe es nicht zur Debatte, Rüstungsausgaben einzusparen, indem man eine neue europäische Sicherheitsarchitektur vereinbare, die auch russische Interessen berücksichtige.

Im ZDF richtet der Minister an den Koalitionspartner FDP die Aussage, wonach sich „jeder ein Stück bewegen“ müsse. Für die ihm vor Augen stehenden Summen an Mehrausgaben für die Sicherheit seien neue Schulden nicht vermeidbar:

„Uns nützen die schönsten digitalen Bibliotheken und die schönsten Fahrradschnellwege nichts, wenn wir angegriffen werden und nicht in der Lage sind, uns verteidigen zu können.“

Im Interview rühmt sich Pistorius seiner Umfragewerte. Diese erkläre er damit, dass er Dinge anspreche, die „eigentlich unbequem“ seien.

„Aber das schätzen offenbar viele Menschen, weil man ihnen auch mehr zumuten kann, als vielleicht landläufig geglaubt wird.“

CDU Baden-Württemberg verlangt „Ewigkeitsgarantie“ für Schuldenbremse

Dem eigenen Koalitionspartner FDP scheinen sie hingegen etwas zu unbequem zu sein. Der Haushaltsexperte ihrer Bundestagsfraktion, Christoph Meyer, betonte gegenüber AFP, dass es mit seiner Partei „keine Ausnahmeregeln von der Schuldenbremse oder anderweitige Aufweichungen“ geben werde.

Der Ruf nach immer mehr Schulden „entlarvt nur den fehlenden Willen zur Konsolidierung und zur Stärkung des Wirtschaftswachstums“, so Meyer.

Die FDP beharrt weiterhin auf Einsparungen in anderen Bereichen und die Setzung von Prioritäten im Bundeshaushalt. Bundesfinanzminister Christian Lindner hat in diesem Zusammenhang unter anderem ein Einfrieren von Sozialausgaben über mehrere Jahre gefordert. Die SPD lehnt ein solches Vorgehen kategorisch ab.

Aus Baden-Württembergs CDU kommt unterdessen die Forderung nach einer „Art Ewigkeitsgarantie“ für die Schuldenbremse. CDU-Landeschef Manuel Hagel fordert laut „Badische Zeitung“, dass für den Beschluss von Ausnahmen eine Zweidrittelmehrheit erforderlich sein solle. Der Staat, so Hagel, habe „kein Einnahmeproblem, sondern ein Ausgabeproblem“.



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