Vera Lengsfeld verlässt CDU – und will „Bündnis für Europa“ ihres Sohnes unterstützen

Nach fast 27 Jahren der Mitgliedschaft hat die frühere CDU-Bundestagsabgeordnete Vera Lengsfeld die Partei verlassen. Sie will künftig die EU-Wahlkampagne ihres Sohnes Philipp unterstützen. Dieser saß ebenfalls im Bundestag – und ist im Juli aus der CDU ausgetreten.
Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld ist nicht länger Mitglied der CDU.
Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld ist nicht länger Mitglied der CDU.Foto: Heiko Rebsch/dpa
Von 3. Dezember 2023

Fast 27 Jahre lang war die Publizistin Vera Lengsfeld Mitglied der CDU. Am Donnerstag, 30. November, gab die 71-Jährige ihren Austritt bekannt. Einen unmittelbaren Anlass nannte Lengsfeld nicht. Sie gab jedoch an, schon zu Zeiten Angela Merkels erheblichen Grund zur Kritik an der CDU gesehen zu haben. Sie habe „gehofft, dass der Kurs korrigiert wird, aber das sehe ich nicht“.

Von der DDR-Bürgerrechtlerin zur CDU-Kritikerin

Im Dezember 1996 war die frühere DDR-Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld nach sechs Jahren im Parlament für Bündnis 90/Die Grünen zur CDU übergetreten. Ihre Begründung war damals die zunehmende grüne Bereitschaft zu Absprachen mit der SED-Nachfolgepartei PDS. Bis zum Magdeburger Tolerierungsmodell unter Ministerpräsident Reinhard Höppner im Jahr 1994 galt eine politische Zusammenarbeit mit der PDS als Tabu.

Lengsfeld war in den 1980er-Jahren mehrfach mit der Staatsführung in der DDR aneinandergeraten. Sie wirkte in unterschiedlichen Oppositionsgruppen mit, unter anderem in solchen der Friedens- und Umweltbewegung. Im Jahr 1988 wurde sie auf dem Weg zur Liebknecht-Luxemburg-Demonstration in Ost-Berlin verhaftet. Die DDR-Opposition hatte versucht, diese zur Artikulation ihrer Anliegen zu nutzen.

Das Stadtbezirksgericht Lichtenberg verurteilte Lengsfeld wegen „versuchter Zusammenrottung“ zu sechs Monaten Haft. Ihr Anwalt Wolfgang Schnur erreichte damals für sie eine Option zur Abschiebung ins westliche Ausland. Später stellte sich heraus, dass nicht nur Schnur Inoffizieller Mitarbeiter (IM) des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) war, sondern auch ihr zweiter Ehemann Knud Wollenberger sie für dieses bespitzelte.

Lengsfeld will politische Karriere ihres Sohnes fördern

Für die CDU blieb Lengsfeld bis 2005 im Bundestag. Seither ist sie als Publizistin für mehrere Formate tätig. Vor allem in Bereichen wie der Klima- und Migrationspolitik ging sie zunehmend auf Distanz zu ihrer Partei.

Gleichzeitig engagierte sie sich für Vereinigungen wie den „Bürgerkonvent“, der personelle Überschneidungen mit der späteren AfD aufwies. In der Zeit der Corona-Pandemie trat Lengsfeld als Maßnahmenkritikerin in Erscheinung.

Mittlerweile hält Lengsfeld eigenem Bekunden zufolge das Parteiensystem insgesamt für überholt. Sie werde sich keiner anderen Partei mehr anschließen, bekundete die Publizistin. Allerdings wolle sie die Kampagne ihres Sohnes Philipp Lengsfeld für die EU-Wahl unterstützen. Dieser plant, unter dem Arbeitstitel „Bündnis für Europa“ einen „liberalkonservativen“ Wahlvorschlag zu präsentieren.

Außerdem beabsichtigt sie, bei der Bildung eines Bündnisses mehrerer Kleinparteien mit Blick auf die Landtagswahl in Thüringen mitzuhelfen.

„Seriöses politisches Angebot“ für Nichtlinke jenseits von Union und AfD

Die Projekte sind offenbar vor allem gegen Sahra Wagenknecht gerichtet. Dieser und ihren „unausgegorenen Staatslenkungsfantasien“ dürfe man nicht das Feld überlassen, schreibt Lengsfeld auf ihrem Blog. Da sich viele liberalkonservativ denkende Bürger weder bei der Union noch bei der AfD gut aufgehoben fühlten, bedürfe es eines „seriösen politischen Angebots“.

Ihr 51-jähriger Sohn war in mehrerer Hinsicht in ihre Fußstapfen getreten. In der DDR war er 1988 als Schüler gemaßregelt worden, weil er Kritik an Militärparaden und am Vertuschen des Rechtsextremismus geübt hatte.

Auch politisch engagierte Philipp Lengsfeld sich erst bei Bündnis 90/Die Grünen, ehe er 2001 zur CDU wechselte. In der Zeit von 2013 bis 2017 saß er für diese im Bundestag. Allerdings entfremdete auch er sich in der Ära Merkel zunehmend von dieser. Einer der Gründe dafür war deren Klimaschutzpolitik mit der Übernahme grüner Kernforderungen.

Philipp Lengsfeld gegen „Kleinstaaterei“ und für Sieg der Ukraine

Anfang Juli gab Philipp Lengsfeld seinen Austritt aus der CDU bekannt. Gegenüber der „Berliner Zeitung“ und auf der Website seines Projekts skizzierte er die Schwerpunkte, die sein geplantes Projekt setzen wolle.

Man wolle unter anderem all jenen ein Angebot machen, die sich fragten, „wie wir die EU industriepolitisch, migrationspolitisch oder auch friedenspolitisch stärken können“. Ein starkes Europa sei „im Interesse aller Mitglieder“, äußerte Philipp Lengsfeld und fügte hinzu:

„Der Kurs unseres Bündnisses wird nicht auf mehr Kleinstaaterei zielen.“

Eine „weitere Partei nach bundesrepublikanischem Modell“ mit einem Netzwerk an Ortsverbänden wolle man nicht werden. Für das, was Sahra Wagenknecht getan habe, habe er „eine gewisse Sympathie“. Auch zeige ihr Beispiel, dass das aktuelle Links-Rechts-Schema überholt sei.

Abseits der Kritik am Dogmatismus der Grünen hätten beide jedoch wenig gemein. Deutschland brauche „keine weitere Partei, die auf den USA und der NATO herumhackt“, erklärte Philipp Lengsfeld. Außerdem steht für ihn fest: „Die Ukraine darf diesen Krieg nicht verlieren.“ In einer „Ära nach Putin“ müsse man jedoch auch über Gasbezug aus Russland wieder nachdenken.

„Liberalkonservatives“ Potenzial in Deutschland überschätzt?

Wie groß die Erfolgsaussichten des Lengsfeld-Projekts sein werden, ist ungewiss. Zwar gilt bei der EU-Wahl keine Fünf-Prozent-Hürde, und bereits ein Ergebnis nahe einem Prozent könnte für ein Mandat in Straßburg ausreichen.

Allerdings wäre die von dem früheren CDU-Bundestagsabgeordneten ins Leben gerufene Liste voraussichtlich nur eine von mehreren Wahlvorschlägen, die „liberalkonservative“ Wähler ansprechen wollen. Neben den „Freien Wählern“ wird mit hoher Wahrscheinlichkeit unter anderem das „Bündnis für Deutschland“ kandidieren. Dieses hatte im Frühjahr in Bremen vom Ausschluss der AfD von der Bürgerschaftswahl profitiert.

Ob die Zentrumspartei eine Kandidatur zur EU-Wahl anstrebt, ist unklar. Der frühere AfD-Bundesvorsitzende Jörg Meuthen hatte diese nach wenigen Monaten wieder verlassen – weil er bei ihr jenseits der Kommunalpolitik keine Perspektive sieht.

Insgesamt ist fraglich, ob es für Lengsfelds Partei tatsächlich ein ausreichendes Zielpublikum gibt. Während eine Parteinahme für die Ukraine im Konflikt mit Russland in westdeutschen rechtskonservativen Kreisen einen gewissen Rückhalt aufweist, dürfte dies auf die Forderung nach mehr Macht für die EU kaum zutreffen. Vorbild für Lengsfeld dürfte die niederländische Partei NSC des Ex-Christdemokraten Pieter Omtzigt sein. Wie lange dessen Stern leuchten wird, ist noch offen.

(Mit Material der dpa)

 



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