Verfassungsgericht bestätigt Wahlrechtsreform – was das Urteil für Berlin bedeutet

Die Wahlrechtsreform der Großen Koalition von 2021 war verfassungskonform. Das hat heute das Bundesverfassungsgericht geurteilt. Auch wenn die gesetzlichen Bestimmungen durch die Ampelreform heute keine Anwendung mehr finden, könnte die Entscheidung für Berlin noch Bedeutung haben.
Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.
Das Bundesverfassungsgericht in KarlsruheFoto: Uli Deck/dpa
Von 29. November 2023

Das Bundesverfassungsgericht hat heute entschieden, dass die Wahlrechtsreform der Großen Koalition aus dem Jahr 2020 verfassungsgemäß gewesen ist. Damit fand auch die letzte Bundestagswahl 2021 nach verfassungsgemäßen Regeln statt. An der Zusammensetzung des jetzigen Bundestags wird sich damit nichts ändern.

Die Union und die SPD hatten sich 2020 als damalige Bundesregierung auf eine Reform des Wahlrechts verständigt und diese dann auch mit ihrer parlamentarischen Mehrheit beschlossen. Ziel der Reform war es, den durch Überhang und Ausgleichsmandate immer größer werdenden Bundestag zu verkleinern. Das gelang mit der Wahlrechtsreform allerdings nicht. Gehörten dem Bundestag bis 2021 insgesamt 709 Abgeordnete an, so sind es aktuell 736. Allerdings war vor der Wahl die Befürchtung geäußert worden, dass der Bundestag nach der Wahl 2021 auf bis zu 900 Abgeordnete anwachsen könnte. Die Regelgröße des Bundestags liegt ohne Überhang- und Ausgleichsmandate eigentlich bei 598 Mitgliedern.

Kläger sahen Chancengleichheit der Parteien verletzt

Gegen die von der Großen Koalition beschlossene Reform hatten 216 Abgeordnete von FDP, Grünen und Linken geklagt. Alle diese Parteien waren damals in der Opposition. Die Kläger beanstandeten, dass der geänderte Passus im Bundeswahlgesetz nicht eindeutig formuliert sei. Damit sei er für die Wähler nicht mehr verständlich. Außerdem verletzte die damals beschlossene Regelung aus ihrer Sicht die Chancengleichheit der Parteien. Kritisiert wurde insbesondere, dass Überhangmandate erst ab dem vierten Mandat durch sogenannte Ausgleichsmandate für andere Parteien ausgeglichen werden. Überhangmandate entstehen immer dann, wenn eine Partei mehr Direktmandate gewinnt, als ihr nach dem Zweitstimmenergebnis Sitze zustehen.

Am 18. April hatte es in Karlsruhe eine mündliche Verhandlung gegeben. Dort hatten vor allem die Grünen kritisiert, dass sich mit den Regeln zu den Überhangmandaten die CSU einen „ganz starken Sondervorteil“ gesichert habe. In Bayern, wo die CSU antritt, gewann die CSU in der Vergangenheit immer fast alle Wahlkreise.

Antrag als „unbegründet“ zurückgewiesen

Das Bundesverfassungsgericht folgt im Urteil allerdings den Argumenten der Kläger nicht. „Der zulässige Normenkontrollantrag ist unbegründet“, so die Feststellung der Richter. Die Reform der Großen Koalition sei „sowohl mit dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot als auch mit den Grundsätzen der Gleichheit und der Unmittelbarkeit der Wahl sowie der Chancengleichheit der Parteien vereinbar.“ Die Vorsitzende des Zweiten Senats, Doris König, machte in ihrer Urteilsbegründung am Vormittag deutlich, dass im Gesetz hinreichend bestimmt sei, wie und bis zu welchem Punkt die Sitzzahl des Bundestags zu erhöhen ist.

Inzwischen ist die Wahlrechtsreform, über die das Verfassungsgericht heute geurteilt hat, allerdings nicht mehr gültig. Die Ampel aus SPD, Grüne und FDP hat im März eine eigene Wahlrechtsreform auf den Weg gebracht. Die Zahl der Bundestagsmandate ist nun auf 630 Bundestagsabgeordnete begrenzt worden. Auf die bis dahin übliche Zuteilung von Überhangs- und Ausgleichsmandaten wird in der Neuregelung ganz verzichtet. Damit besteht die Gefahr, dass bei der nächsten Wahl nicht alle Direktmandate, die die Mehrheit der Erststimmen im Wahlkreis erhalten haben, auch in den Bundestag einziehen werden. Mit dieser Regelung geht die von der Ampel auf den Weg gebrachte Reform deutlich weiter als die Vorgängerreform von 2020. Das stößt bei der jetzigen Opposition auf Kritik. Vor dem Bundesverfassungsgericht sind daher schon mehrere Klagen anhängig.

Entscheidung kann für Berlin eine Rolle spielen

Ganz ohne Bedeutung ist die heutige Entscheidung des Gerichts in Karlsruhe jedoch nicht. Besonders im Zusammenhang mit der geplanten Wiederholungswahl in Berlin dürfte die Entscheidung Bedeutung haben. Dort könnte es passieren, dass in einigen Wahlbezirken die Bundestagswahl 2021 wegen Pannen am Wahltag noch einmal wiederholt werden muss. Gegenwärtig läuft dazu ein Verfahren in Karlsruhe. Am 19. Dezember soll es dann das Urteil geben. Das Verfassungsgericht wird darüber zu entscheiden haben, in wie vielen Wahlbezirken es eine Wiederholung für geboten ansieht und ob es reicht, dabei nur die Zweitstimmen abzugeben. Würde das Gericht sich in Richtung Wahlwiederholung positionieren, würde eine Wahl dann auf Grundlage des Wahlrechts von 2020 stattfinden müssen.

Schon die Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus 2021 musste wegen Wahlpannen im Februar dieses Jahres wiederholt werden. So entschied es damals der Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin. Über die Bundestagswahl konnte das Gericht aber nicht entscheiden. Das könne nur in einem gesonderten Verfahren auf der Bundesebene entschieden werden, betonte das Berliner Gericht damals. Mit Spannung wird nun auf dieses Urteil gewartet.



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