Die Thüringer Corona-Verordnungen vom 9. Juni und 7. Juli (und deren Änderung am 7. November) vergangenen Jahres wurden als teilweise nichtig erklärt. Die daraus resultierenden Bußgeldregelungen sind daher ebenfalls nichtig, so das Gericht
in einer Medieninformation zum Urteil.
Urteil nach AfD-Antrag
Das Urteil erging auf Antragstellung der AfD-Fraktion im Thüringer Landtag, welche die betroffenen Verordnungen formell und materiell nicht mit der Thüringer Verfassung vereinbar und damit als nichtig ansieht. Die zur Eindämmung des Corona-Virus erlassenen Ge- und Verbote wurden daher in ihrem Ausmaß durch die Verordnungsermächtigung des Infektionsschutzgesetzes als nicht mehr ausreichend gedeckt beanstandet.
Der in Thüringen ansässige stellvertretende Bundesvorsitzende der AfD und ehemalige Vorsitzende des Rechtsausschusses des Bundestages, Stephan Brandner, bezeichnete nach Bekanntwerden des Urteils die
Thüringer Landesregierung als „hoffnungslos überfordert mit der aktuellen Situation“, so der Bundestagsabgeordnete.
Die AfD in Thüringen
erklärte auf ihrer Website zum Urteil, dass dies
möglicherweise auch gute Nachrichten für jene seien, die durch die Mai-Verordnung finanzielle Einbußen erlitten hätten und nun Schadensersatzansprüche geltend machen könnten „oder Bürger, die gegen Bußgeldbescheide aus dieser Zeit rechtlich vorgehen möchten“. AfD-Landeschef Björn Höcke stellte dazu fest: „Die Richter haben es heute bestätigt: Die Landesregierung hat im ersten sogenannten ‚Lockdown‘ in Teilen verfassungswidrig gehandelt.“ Man freue sich über den Erfolg und werde weiter für „die Freiheit in unserem Land und gegen den Corona-Extremismus kämpfen“, so der Fraktionsvorsitzende.
Formelle Nichtigkeit
Nach
Angaben des „MDR“ sagte Verfassungsgerichtspräsident Stefan Kaufmann jedoch: „Die Nichtigkeit beruht allein auf formellen Gründen.“ Demnach sei insbesondere beim Erlass der Verordnung im Mai gegen das sogenannte Zitier-Gebot verstoßen worden, womit gemeint sei, dass die von der Verordnung betroffenen Grundrechte nicht erwähnt worden seien, so der Sender.
Kaufmann habe noch gesagt, dass die verordneten Corona-Maßnahmen an sich, also auch Kontaktbeschränkungen oder Mindestabstand, mit der Verfassung vereinbar seien, so der Gerichtspräsident.
Die komplette Nichtigkeit der Mai-Verordnung aus formalen Gründen beschrieb die
„FAZ“ so, dass die Landesregierung die Erarbeitung der Corona-Schutzverordnung an die Landesgesundheitsministerin delegiert habe, was einer eigenen Verordnung mit explizitem Bezug auf das Bundesinfektionsschutzgesetz bedurft hätte. Da diese Passage fehlte, war die Gesundheitsministerin auch nicht formell ordnungsgemäß ermächtigt, die Verordnung zu erlassen.
Welche Regelungen sind konkret betroffen?
Auch die Juni- und Juli-Verordnungen wurden wegen ihrer darin enthaltenen Bußgeld-Regelungen als teilweise verfassungswidrig erklärt, da:
„Auch Blankettordnungswidrigkeitsnormen genügen nur dann Art. 103 Abs. 2 GG, wenn die möglichen Fälle der Ordnungswidrigkeit schon aufgrund des Gesetzes vorausgesehen werden können und die Voraussetzungen der Ordnungswidrigkeit sowie Art und Maß der Sanktion im Gesetz selbst hinreichend deutlich umschrieben werden (…).“
Zudem wurden auch folgende Regelungen der Thüringer Verordnung über grundlegende Infektionsschutzregeln zur Eindämmung der Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV2 für nichtig erklärt:
- Corona-Verordnung vom 9. Juni 2020 (GVBl. S. 269), § 14 Abs. 3, Regelungen 1, 3, 4 und 7, sowie
- Corona-Verordnung vom 7. Juli 2020 (GVBl. S. 349), § 14 Abs. 3, Regelungen 1, 4, 5 und 8, zuletzt geändert durch Artikel 3 der Thüringer Verordnung zur Fortschreibung der erforderlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 vom 7. November 2020 (GVBl. S. 551)
Inwieweit Thüringer Bußgelder aus dem Jahr 2020 davon betroffen sind, müsste allerdings im Detail geprüft werden. Im Prinzip geht es in den beanstandeten Punkten unter anderem um Mindestabstände, Kontaktdaten und die Gesichtsmasken.
Ein abschließender Hinweis: „Der Thüringer Verfassungsgerichtshof weist in seiner Entscheidung ausdrücklich darauf hin, dass die den angegriffenen Verordnungen zeitlich nachfolgenden Verordnungen zur Eindämmung der Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 nicht Gegenstand dieses Verfahrens waren, weshalb seine Entscheidung auch keine Aussagen zur Verfassungsmäßigkeit der dortigen Bußgeldbestimmungen trifft.“