Warum Andrea Nahles die SPD-Fraktion führen soll

Andrea Nahles soll das moderne Gesicht der SPD an vorderster Front werden. Dass sie das Zeug zur Oppositionsführerin hat, hat sie erst vor wenigen Wochen bewiesen. Doch die Aufgabe ist größer.
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Andrea Nahles am 22. September in Bochum beim Protest der ThyssenKrupp Arbeiter gegen die Fusion mit Tata Steel.Foto: Lukas Schulze/Getty Images
Epoch Times27. September 2017

Wer wissen will, wie Andrea Nahles der Kanzlerin als Oppositionsführerin Paroli bieten wird, kann sich ihre jüngste Rede im Bundestag ansehen. Dort – es war die letzten Plenumssitzung vor der Wahl – attackierte die 47-Jährige Angela Merkel zehn Minuten lang in einem leidenschaftlichen Stakkato.

Nun soll die Arbeits- und Sozialministerin auf Vorschlag von SPD-Chef Martin Schulz zur Fraktionschefin gewählt werden und ihr Regierungsamt vorzeitig abgeben. Auf Nahles kommt die wohl schwerste Aufgabe ihrer Karriere zu: Der am Boden liegenden SPD gemeinsam mit Schulz neue Hoffnung zu geben – und sie gegenüber einer wahrscheinlichen Jamaika-Koalition und neben AfD und Linken neu in Stellung zu bringen.

Merkel hatte in der letzten Bundestagssitzung die gute Jobsituation in Deutschland gelobt. Nun wetterte Nahles in grauem Anzug: „Ich finde es trotzdem wirklich reichlich abgehoben, Frau Merkel, wenn Sie sich hier heute hinstellen und in Selbstzufriedenheit erklären, darüber dürfen wir uns freuen.“ In Wahrheit habe sie etwa den Mindestlohn gegen größte Widerstände durchboxen müssen.

Tatsächlich hat Nahles in den vergangenen vier Jahren die Lohnuntergrenze und viele andere Gesetze gegen den Widerstand des CDU-Wirtschaftsflügels, der CSU und der Wirtschaftsverbände durchgebracht. Allerdings waren es Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), auf die Nahles zur Durchsetzung ihrer Reformen oft auch setzen konnte. So wurde sie zu einer der Erfolgreichsten unter den SPD-Ministern. Ihr früheres Image als SPD-Haudrauf mit Hang zur Nervensäge versuchte sie nach Kräften abzulegen.

Die Spitzenpolitikerin wirkt oft unter Strom, aber zugleich auch frisch und manchmal fröhlich. Ihre schnoddrige Art verbirgt sie selten, sie wirkt umgänglich, unprätentiös, gibt sich kämpferisch – nun muss Nahles auch ihr strategisches Geschick über ihren bisherigen großen Sozialbereich hinaus unter Beweis stellen.

Als Ministerin hat sich Nahles Respekt erworben. Die Legislaturperiode begann und endete mit Rentenpaketen von Nahles – von der Rente mit 63 bis zur Ost-West-Angleichung. Dass die SPD die Rente zum zentralen Wahlkampfthema machte, war zwar nicht ihre Idee. Vom damaligen SPD-Chef Sigmar Gabriel angestoßen lieferte Nahles als Ministerin aber ein Zukunftskonzept zur Rente, das Kandidat Schulz dann fürs Wahlprogramm übernahm.

Nahles ist Parteilinke – und manche Konservativeren in der SPD passt ihre herausgehobene künftige Rolle nicht. Doch dass die heimatverbundene Katholikin keineswegs nur links ist, zeigte sich bereits im Ministeramt. Tarifverträge und sozialpartnerschaftliches Aushandeln liegen dem IG-Metall-Mitglied näher, als dass der Staat selbst alle Dinge in die Hand nimmt. Bauen kann sie auf ein weit verzweigtes Netzwerk und flügelübergreifende Anerkennung.

Nahles ist SPD-Frau der ersten Stunde in ihrem Heimatort Weiler, sie war Juso-Chefin, Bundestagsabgeordnete, Partei-Vizechefin und Generalsekretärin. Zielstrebig, machtbewusst, aber auch mit Wissen um Probleme und Befindlichkeiten geht sie in die Umbruchphase.

Nahles pflegt dabei das Bild einer Frau, die Wert auf ein Leben jenseits der Politik legt. Ihre sechsjährige Tochter Ella geht daheim in Rheinland-Pfalz auf eine Zwergschule. Nahles besucht Schulveranstaltungen und ist am Wochenende daheim, wenn es geht.

Dass es eine Riesenaufgabe ist, den SPD-Scherbenhaufen mit aufzukehren und einen Neuaufbau zu versuchen – daran knobelt Nahles nicht erst seit dem Wahlausgang herum. „Unser Land braucht gerade jetzt mehr denn je eine starke und selbstbewusste SPD“, meint sie nun. „Dafür werde ich alles mir Mögliche tun.“ (dpa)



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