Wie hoch verschulden sich die Bundesländer in der Corona-Krise?
Neue Schulden in Rekordhöhe engen die finanziellen Spielräume für lange Zeit ein. Die zwei bevölkerungsreichsten Bundesländer - Bayern und Nordrhein-Westfalen - haben sich allein bis zu 65 Milliarden Euro an neuen Schulden genehmigt. Das ist mehr als die übrigen 14 Länder zusammen.

Die Gelder der Corona-Hilfen sind noch nicht bei allen Firmen angekommen.
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Anstelle des ursprünglich im Rahmen der Schuldenbremse geplanten Verzichts auf jegliche neuen Kredite haben die 16 Länderparlamente allein für 2020 eine mögliche Neuverschuldung von bis zu 128 Milliarden Euro genehmigt, wobei mehrere Länder die Schuldenaufnahme über mehrere Jahre strecken wollen.
Die zwei bevölkerungsreichsten Bundesländer – Bayern und Nordrhein-Westfalen – haben sich allein bis zu 65 Milliarden Euro an neuen Schulden genehmigt. Das ist mehr als die übrigen 14 Länder zusammen, wie eine dpa-Umfrage unter den 16 Länderfinanzministerien zeigt.
Spitzenreiter ist Bayern mit 40 Milliarden Euro neuen Schulden – also fast einem Drittel der von den Landesparlamenten genehmigten Neuverschuldung. Auf Rang zwei folgt Nordrhein-Westfalen mit 25 Milliarden Euro, an dritter Stelle Baden-Württemberg mit knapp 11 Milliarden Euro.
Bislang „nur“ 40 Milliarden Euro an neuen Krediten aufgenommen
Die tatsächliche Schuldenaufnahme in diesem Jahr ist bislang sehr viel niedriger, weil manche Bundesländer ihre Kredite für mehrere Jahre im Voraus planen. Brandenburg, Hessen, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt wollten keine Meldungen abgeben, die tatsächlich aufgenommenen neuen Kredite der übrigen zwölf summieren sich bislang auf gut 40 Milliarden Euro.
Viele Länder übertragen einen beträchtlichen Teil der in diesem Jahr von den jeweiligen Länderparlamenten genehmigten Kreditaufnahmen ins nächste Jahr: In Bayern allein sind es 10,7 Milliarden Euro. Sachsen hat insgesamt sechs Milliarden Euro Neuverschuldung bis 2002 eingeplant. Dessen ungeachtet hat die große Mehrheit der Länder auch für 2021 zusätzliche neue Kreditermächtigungen vorbereitet, die sich auf gut 17 Milliarden Euro summieren.
In mehreren Bundesländern ist die Verschuldung innerhalb eines Jahres erheblich gestiegen: Das sehr auf solide Finanzen bedachte Sachsen etwa beziffert den aktuellen Schuldenstand auf 12,3 Milliarden Euro – 13 Prozent höher als Ende 2019.
Spitzenreiter auch in dieser Hinsicht ist Bayern, das bis Anfang Dezember bereits neue Kredite in Höhe von mehr als sieben Milliarden Euro aufgenommen hatte – der Schuldenstand war damit zu Beginn der Weihnachtszeit um gut ein Viertel höher als ein Jahr zuvor.
Auch kleine Länder haben für ihre Verhältnisse sehr hohe Summen eingeplant: In Schleswig-Holstein sind es 5,5 Milliarden Euro, in Mecklenburg-Vorpommern 2,8 Milliarden Euro.
Berlin, Hamburg, Bremen
Die drei Stadtstaaten rutschen ebenfalls wieder tief in die roten Zahlen: Berlin hat sich bis zu 7,3 Milliarden Euro neue Kredite in diesem Jahr genehmigt, Hamburg knapp 6 Milliarden Euro und Bremen 1,2 Milliarden Euro.
Die Tilgung der Corona-Schulden wird Jahrzehnte dauern. NRW etwa will sich maximal 50 Jahre Zeit lassen. Am sparsamsten war bislang Thüringen: Dort ist bislang kein einziger Euro coronabedingter Neuverschuldung angefallen, weil der Landtag den dafür notwendigen Nachtragshaushalt erst an diesem Montag verabschieden will.
Doch da die im Grundgesetz festgeschriebene Schuldenbremse nicht dauerhaft außer Kraft gesetzt wurde, ist absehbar, dass die Landesregierungen in Zukunft weniger Geld für Investitionen ausgeben können.
Bayern
Auffällig ist die Entwicklung in Bayern, auf das die Finanzminister der übrigen fünfzehn Länder traditionell neidisch blicken. Im Freistaat macht sich bemerkbar, dass Ministerpräsident Markus Söder und dessen Vorgänger Horst Seehofer (beide CSU) die einstige bayerische Disziplin schon vor der Krise aufgaben und die Ausgaben über mehrere Jahre hinweg stark erhöhten.
So zahlte die Münchner Staatsregierung bereits 2019 keine Kredite mehr ab, das von Seehofer einst mit großen Worten angekündigte Ziel einer kompletten Schuldentilgung bis 2030 wurde aufgegeben. Hessen, Hamburg, Sachsen-Anhalt, Bremen und andere Länder dagegen wollten ursprünglich auch 2020 noch Schulden tilgen. Das war in Bayern bereits vor Beginn der Corona-Krise nicht mehr vorgesehen.
Länderfinanzausgleich: Wer zahlt?
Die Verschuldung könnte auch den Länderfinanzausgleich belasten. Mit dem Länderfinanzausgleich zwischen finanziell besser und schlechter gestellten Bundesländern wurden im Jahr 2018 insgesamt 11,45 Milliarden Euro zwischen den Ländern umverteilt – im Jahr zuvor waren es rund 11,2 Milliarden Euro gewesen.
Bayern musste von der Gesamtsumme mehr als die Hälfte schultern: Die bayerischen Zahlungen stiegen um 785 Millionen auf 6,67 Milliarden Euro. Weitere Zahler-Länder waren Baden-Württemberg, Hessen und Hamburg. Größter Empfänger war Berlin mit 4,4 Milliarden Euro.
Hauptziel des Finanzausgleichs ist laut Grundgesetz die „Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse“. Der Länderfinanzausgleich soll ab 2020 in seiner bisherigen Form abgelöst werden durch ein System, das über die Umsatzsteuer Ungleichgewichte ausgleichen soll.
Der Länderanteil daran soll nach der Einwohnerzahl verteilt werden, modifiziert durch Zu- und Abschläge je nach Finanzkraft. Zudem greift der Bund „ärmeren“ Ländern verstärkt unter die Arme – mit zunächst jährlich 9,75 Milliarden Euro.
Dafür erhält der Bund wiederum mehr Eingriffsrechte – etwa bei Fernstraßen, in der Steuerverwaltung, bei Investitionen in Schulen sowie Online-Angeboten der Verwaltung. (dpa/ks)
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