Wilhelm von Boddien und das „Abenteuer Berliner Schloss“

„Die Geschmeidigkeit einer Katze, die Sturheit eines Esels und den Biss eines Terriers“ brauchte er, um das Berliner Stadtschloss aus dem Nichts zu neuem Leben zu erwecken. Das sagt uns der Unternehmer Wilhelm von Boddien. Seinen Namen mögen viele nicht kennen, sein mit Unterstützern erreichtes Werk hingegen, ist weit bekannt.
Titelbild
Das neu errichtete Berliner Schloss.Foto: Epoch Times
Von 24. April 2023

Wilhelm von Boddien leitete 30 Jahre lang die bisher größte Privatinitiative in Deutschland – den Wiederaufbau des Berliner Schlosses. In seinem jetzt veröffentlichten Buch zu diesem Großprojekt berichtet er von den Höhen und Tiefen, die er erlebte, während er und Weggefährten mithilfe des Fördervereins Berliner Schloss rund 110 Millionen Euro an Privatspenden einsammelten – eine bisher einmalige Leistung in Deutschland.

„Buch will menschliches Handeln in vielen Facetten zeigen“

Mit seinem Buch mit dem Titel „Abenteuer Berliner Schloss – Erinnerungen eines Idealisten“ möchte der einstige mittelständische Landmaschinenhändler (Bargteheide/Holstein) gleichzeitig einen kleinen Einblick geben, wie Menschen miteinander umgehen, wenn ihre Standpunkte aufeinanderprallen. „Dieses Buch will menschliches Handeln in vielen Facetten zeigen.“

Das gelingt von Boddien im Buch anhand vieler kleinen Anekdoten und Geschichten. So berichtet er von unterschiedlichen Gruppen von Menschen, auf die er mit seiner Vision stieß. Da gab es die Unterstützer und die Gleichgültigen. Es gab Menschen, die einen Wiederaufbau für unmöglich hielten und ihn als Träumer oder Spinner sahen.

Und schließlich waren da noch Menschen, die erbitterten Widerstand gegen den Wiederaufbau leisteten. Manchmal, weil die Schlossrekonstruktion mit dem Abriss des für die DDR wichtigen Symbols „Palast der Republik“ verbunden war. Manchmal auch, weil sie die Traditionen, die hinter dem Schloss stehen, ablehnten.

In den 30 Jahren brauchte er – so berichtet er im Buch – die Geschmeidigkeit einer Katze, die Sturheit eines Esels und den Biss eines Terriers, um die Vision vom Wiederaufbau des Schlosses Wirklichkeit werden zu lassen.

Wut, Empörung und Trauer über Schloss-Sprengung

Alles begann mit einer Reise Ende 1961. Als damals 19-jähriger Abiturient fuhr er in das bereits geteilte Berlin, um für seine Schülerzeitung einen mehrseitigen Bericht zu erarbeiten.

Mit eigenen Augen konnte er das kriegsversehrte Schloss damals nicht mehr sehen. Es wurde 1950 auf Anweisung Walter Ulbrichts gegen den Widerstand vieler Berliner gesprengt. Vorgeschoben wurde, dass man Platz bräuchte für einen Demonstrationsplatz, auf dem der Kampf- und Aufbauwille des DDR-Volkes Ausdruck finden könne.

Im Buch wird deutlich, wie viel Wut, Empörung und Trauer der damalige Generalsekretär des Zentralkomitees der SED, Walter Ulbricht, mit seiner Entscheidung auslöste. Dieser war übrigens auch Mitbegründer der Kommunistischen Partei Deutschlands.

Nun stand Boddien als junger Mann in Ostberlin an der Stelle, wo das barocke Schloss einst stand. Ein gähnend leerer und öder riesiger Aufmarschplatz inmitten von Ruinen zeigte sich ihm hier auf. „Die DDR ließ sich dort mit gewaltigen Demonstrationen mit bis zu 750.000 Teilnehmern feiern, ähnlich wie es die Nazis nur wenige Jahre zuvor noch auf dem Reichsparteitagsgelände in Nürnberg getan hatten“, kommentiert von Boddien im Buch sein damaliges Erlebnis.

„Berlin war das Schloss“

Das Schloss sollte von der Bildfläche und damit aus dem Gedächtnis der Bevölkerung verschwinden, heißt es dazu im Buch. „Dabei lag das Schloss nicht in Berlin, sondern Berlin war das Schloss“, erklärt von Boddien, womit er sich auf den Titel eines Essays von Wolf Jobst Siedler bezog.

Es gibt kaum ein Postkartenmotiv aus dem Beginn des 20. Jahrhunderts, das häufiger ist als das Berliner Schloss. Die Bevölkerung identifizierte sich mit dem Schloss. Die Oper, die Universität und andere Gebäude kamen später dazu, und alle hatten als architektonischen Bezugspunkt das Schloss gehabt, erklärt Boddien im Buch. Das Residenzviertel, die historische Mitte von Berlin, ist ohne das Schloss nicht denkbar.

Zurück in Hamburg füllten die Geschehnisse rund um das Schloss schließlich vier Seiten der Schülerzeitung. Mit jenem Besuch in Berlin erwachte seine Leidenschaft für das Berliner Schloss, unzählige Reisen folgten.

Bildersammlungen und Alben dazu wurden immer umfangreicher und sein Archiv wuchs, manchmal auch zum Leidwesen der Familie. Denn oft bedeckte nun umfangreiches Bild- und Textmaterial den Esstisch, sodass man zu den Mahlzeiten ausweichen musste.

Auf der Suche nach den Resten vor Ort

Nach dem Mauerfall 1989 nahm von Boddien sofort Kontakt zu Kunst- und Bauhistorikern auf. Denn nach der Wiedervereinigung lag Berlins historische Mitte plötzlich in der Bundesrepublik Deutschland.

Keine Grenze und keine DDR-Regierung konnten nun meinen Traum, das Schloss wieder aufzubauen, mehr verhindern.“

Er beteiligte sich sogleich mit Freunden des Berliner Schlosses an der Suche nach Resten des barocken Prachtbaus. Im Buch wird diese Suche ausführlich geschildert. Und tatsächlich fanden sich längst verloren geglaubte Genien (übernatürliche Schutzgeister) und Spolien (Überreste von Reliefs oder Skulpturen), die später Einzug in das neue Schloss fanden.

Schloss aus den Gedanken der Menschen verschwunden

Doch das größte Problem lag darin, das Schloss wieder ins Bewusstsein der Menschen zu bringen. Über die Jahrzehnte war es aus den Gedanken der Menschen getilgt worden.

Lebendig erzählt er, wie es zu der Idee und der Umsetzung mit der originalgetreuen Schloss-Simulation am alten Schlossstandort kam. Sie brachte letztendlich den Durchbruch.

Das Schloss war 1993 wieder da, wenn auch zunächst nur aus bemalter PVC-Folie. Die anschauliche Ausstellung im Inneren der Simulation tat ihr Übriges. Die Unterstützung für den Schlossbau wuchs.

Und auch die Spendenkasse füllte sich mehr und mehr. So konnte mithilfe des Fördervereins Berliner Schloss sogar mehr als die vertraglich vorgegebenen 80 Millionen aus Spenden in das Projekt eingebracht werden. Die Gesamtkosten lagen für den Wiederaufbau letztendlich bei rund 680 Millionen Euro.

2002 beschloss der Bundestag in einer namentlichen Abstimmung mit deutlicher Mehrheit schließlich den Abriss des DDR-Reliktes „Palast der Republik“ und den Wiederaufbau des Schlosses. Nach dem Bundestagsbeschluss habe es weiterhin Höhen und Tiefen gegeben, Rückschläge und schließlich Erfolge.

„Was uns niemand zugetraut hatte, wurde erreicht“

„Was uns niemand zugetraut hatte, wurde erreicht.“ Auch die anfangs skeptischen und misstrauischen Berliner, so der in Hamburg wohnende von Boddien, begeisterten sich zusehends für die Schlossrekonstruktion. „In den letzten drei Jahren kam die Hälfte der Spenden aus der Hauptstadt. Anfangs waren es nur rund zehn Prozent“, heißt es dazu im Buch.

Für ihn ist mit dem Schloss-Wiederaufbau ein Wunder geschehen. „Das Berliner Schloss steht auf seinem angestammten Platz. Die Wunden, die der Krieg und die Nachkriegsgeschichte in der DDR-Zeit der Stadtmitte geschlagen haben, sind weitgehend verheilt.“

Fazit: Kompakt und gut gegliedert in sechs – größtenteils chronologisch geordneten – Kapiteln, präsentiert von Boddien seine unterhaltsamen Erinnerungen. Die mehr als 100 Abbildungen veranschaulichen hervorragend den Wiederaufbau und ergänzen die Erzählungen. Eine kleine Chronik zur Schlossrekonstruktion rundet das Buch ab.

Wilhelm von Boddien: „Abenteuer Berliner Schloss – Erinnerungen eines Idealisten“, Verlag Wasmuth & Zohlen, 224 Seiten, 106 Abb., ISBN 978 3 8030 23704; Euro 24,80



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion