Wirtschaftsminister Habeck: „Lebensmittelpreise gehen deutlich runter“

Die Statistiken und auch der Blick auf den Einkaufs-Bon besagen das Gegenteil. Auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung prognostiziert: „Die Preise werden weiter steigen.“ Ein Kommentar.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) plant langfristig einen «Transformationsstrompreis».
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne).Foto: Michael Kappeler/dpa
Von 22. Juni 2023

Dass Robert Habeck in Büßerhaltung mit zerknirschtem Gesichtsausdruck am Sonntagabend vor Anne Will bei ihrem Fernseh-Talk saß, kann nicht an Anne Will liegen. Denn von der Moderatorin droht keine Gefahr im Gespräch. Will gibt, mit ernster Miene zwar, dem Bundeswirtschaftsminister im Einzelgespräch 40 Minuten lang umfassende Gelegenheit, sich zu erklären und zu rechtfertigen.

In eingeknickter Haltung und mit oft stockender Stimme hatte der Wirtschaftsminister im weichen Sessel gegenüber Will allen Raum, sich aus seinen „Desastern“ der letzten Zeit, ganz vorn dabei das Wärmepumpengesetz, herauszureden. Dabei waren Allgemeinplätze wie „die Kommunikation nicht so sehr gelungen“, die sich ein wenig nach Schuldeingeständnis anhören, und beschönigend klingende Halbsätze wie „ist in den letzten Wochen auf einen ganz guten Pfad eingebogen“.

„Ich bin auch nicht zufrieden mit der Bundesregierung“

Selbstkritisch gibt sich Habeck, gesteht Fehler ein und rechtfertigt sich mit Aussagen wie „Ich bin auch nicht zufrieden mit der Bundesregierung“, als Will ihn damit konfrontiert, dass 20 Prozent der Bevölkerung unzufrieden sind mit der Regierung. Um dann auch gleich den Werbeblock für die Bundesregierung zu starten: Die Leistungsbilanz der Regierung, welche die Gasmangellage im Winter verhindert habe, sei „nicht nur ordentlich, sondern groß“. Die Inflation habe ihren Höhepunkt im letzten Herbst gehabt, sagt Habeck und weiter: „Sie geht jetzt deutlich runter. Energiepreise, auch Lebensmittelpreise gehen deutlich runter.“

Anne Will stellt auch an dieser Stelle keine ernsthaft nachhakende Frage, denn diese Habeck-Aussage ist, zumal er hier als Wirtschaftsminister spricht, mindestens hinterfragenswert.

Denn nicht nur der subjektive Eindruck beim Betrachten des Kassenbons im Supermarkt signalisiert eher das Gegenteil. Auch der Blick in die Statistiken strafen den Wirtschaftsminister entweder Unkenntnis, bewusster Marginalisierung oder gar Lügen. Im Oktober 2022 waren die Verbraucherpreise laut Destatis im Vergleich zum Vorjahresmonat um 8,8 Prozent gestiegen.

Seit Dezember lässt die Teuerung langsam nach, sodass im Mai die Verbraucherpreise „nur noch“ um 6,1 Prozent höher als im Vorjahr lagen. Das bedeutet aber nicht, dass die Lebensmittelpreise „runtergehen“, wie sich der Wirtschaftsminister bei Anne Will ausdrückte, sie steigen nur langsamer als zuvor, zumindest im Jahresvergleich gesehen.

Bei kleinteiliger Herangehensweise, und zwar jeden Monat einzeln und eben nicht im größeren Zeitverlauf betrachtend, gingen die Verbraucherpreise im Mai im Vergleich zum Vormonat April tatsächlich zurück, wenn mit 0,1 Prozent auch nur geringfügig. Auch wenn diese monatliche Betrachtung die Herangehensweise des Wirtschaftsministers bei seiner Argumentation war, im Kontext der Gesamtsituation betrachtet, ist es eigentlich ein Skandal, dass Äußerungen wie diese, unwidersprochen stehenbleiben.

Das gleiche wie für Lebensmittelpreise gilt auch für die Entwicklung der Energiepreise: Pro Monat betrachtet war Energie für den Endverbraucher im Mail im Vergleich zum Vormonat April um 1,4 Prozent günstiger. Aber schon im Jahresvergleich kann nicht mehr von „günstiger“ die Rede sein. Im Vergleich Mai 2022 zu Mai 2023 wird bei Energie eine Steigerung von 2,6 Prozent ausgewiesen.

Fehlinterpretation oder Falschinformation?

Lebensmittel aber bleiben beim aktuellen Inflationsgeschehen der stärkste Preistreiber, schreibt „Business Insider“ und rechnet vor: Nahrung war im Mai nach der offiziellen Destatis-Statistik im Durchschnitt 14,9 Prozent teurer als vor einem Jahr. Die Preise stiegen damit zwar etwas langsamer, denn im April hatte die Teuerung noch 17 Prozent betragen.

Besonders betroffen sind die Grundnahrungsmittel: Spitzenreiter hier die Käsetheke. Molkereiprodukte waren im Mai 28 Prozent teurer als noch vor einem Jahr. Preise für Brot und Fisch steigen in dem Zeitraum um 19 Prozent, Zucker, Marmelade, Honig und andere Süßwaren um 18 Prozent. Für Gemüse musste 17 Prozent mehr bezahlt werden.

„Billiger“ als vor einem Jahr waren im Mai vor allem Speisefette und Speiseöle, der Preis sank um 7,1 Prozent. Der Butterpreis ging sogar um 23 Prozent zurück. Aber auch hierbei kommt es darauf an, wie groß der betrachtete Zeit-Ausschnitt angesetzt wird. Die höchste Steigerung gab es zuvor mit plus 51 Prozent im Oktober 2022, verglichen mit den Preisen von Oktober 2021. Im Licht dieses vorherigen Höhenfluges der Preise muss auch ein aktuelles Sinken des Speiseölpreises betrachtet werden.

Hohe Preise, leere Einkaufskörbe

Auch wenn der Bundeswirtschaftsminister sich bei Anne Will optimistisch äußert, zeigt sich am Einkaufsverhalten in den Supermärkten, dass an der Kasse noch viel vom Einkaufszettel übrig zu sein scheint bei den von den Teuerungsraten Betroffenen: Laut einer aktuellen Forsa-Umfrage im Auftrag des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen schränken sich aktuell 44 Prozent der Bürger als Reaktion auf die hohen Preise auch beim Kauf von Lebensmitteln ein. Im vergangenen Jahr waren es in der vergleichbaren Umfrage noch 35 Prozent gewesen. Auch Besuche in Bars und Restaurants nehmen ab, 61 Prozent der Befragten nach zuvor 53 Prozent schränken sich auch hier ein.

Gerade der Bereich der Nahrungsmittel besitzt für viele Menschen, die zu den weniger Verdienenden gehören, besonders großen Stellenwert. Je niedriger das Einkommen, desto größer die Betroffenheit von den aktuellen Preiserhöhungen, denn sie müssen überproportional viel ihrer Einkünfte für Lebensmittel, Energie und Waren des täglichen Bedarfs aufbringen.

„Die Preise werden weiter steigen“ prognostiziert der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), Marcel Fratzscher, in der „Lebensmittelzeitung“. Das mindestens für die nächsten anderthalb Jahre: „Die hohen Kosten in der Produktion von Waren und Gütern werden sich weiterhin an der Kasse im Supermarkt widerspiegeln.“



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