Zwischen Profilierungswünschen und Realitätsferne

Deutschland und seine Politiker in der Schuldenfalle

Die Gerüchteküche in Berlin kocht mal heiße, mal lauwarme Suppen. Franz Müntefering beklagt die Geschwätzigkeit der Politiker den Medien gegenüber, andere wiederum nutzen bewusst die Gespräche mit Journalisten, um Testballons steigen zu lassen. So kann allmählich für manche Themen eine Selbstverständlichkeit erreicht werden, die ihre Umsetzung schließlich erleichtert.  

Die Agenturen melden, dass wegen der Haushaltslöcher in zweistelliger Milliardenhöhe die Bevölkerung und die Beschäftigten des Bundes mit großen Einschnitten rechnen müssen. Auch Steuererhöhungen bleiben im Gespräch. Alles keine Überraschungen mehr.

Der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) kündigte in Berlin einen rigorosen Sparkurs an, um Steueranhebungen möglichst noch zu vermeiden. Koch und der SPD-Finanzexperte Joachim Poß sprachen von Zumutungen, die auf die Bürger zukämen. In der Koalitionsarbeitsgruppe Finanzen war bisher jedoch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer umstritten. Dort sei man im Übrigen noch weit von einem gemeinsamen Kurs zur Deckung des auf 43 Milliarden Euro bezifferten Finanzbedarfs entfernt. Einigkeit gebe es über Einsparungen im Sozial- und Personalbereich in einstelliger Milliardenhöhe.

Der designierte SPD-Vorsitzende Matthias Platzeck erklärte: „Schwierige Zeiten gebären schwierige Entscheidungen.“ Laut Reuters wollte er auch eine Anhebung der Mehrwertsteuer von 16 auf 20 Prozent nicht ausschließen. Koch dagegen unterstrich: „Wir haben uns auf keinerlei Erhöhungen festgelegt. Wir arbeiten an Einsparungen.“ Betroffen seien die öffentliche Verwaltung, Subventionen und Steuervergünstigungen. „Erst dann reden wir über den anderen Teil.“ In der Arbeitsgruppe Finanzen wurde nach Kochs Worten erstmals über alle Möglichkeiten zur Deckung der 43 Milliarden-Euro-Lücke gesprochen. Koch und Poß formulierten, es seien „ungeheure Anstrengungen“ nötig. Und alle tun so, als wären sie von der Lage überrascht, die sie doch kannten und gemeinsam vor sich her geschoben hatten. Die einen im Bundestag, die anderen im Bundesrat.

Verunsicherung der Steuerzahler wächst

Gerüchte sprechen auch von einer vermeintlichen Bevorzugung durch Angela Merkel, den Steuersatz für Lebensmittel zu senken, dafür aber die ermäßigten Sätze für Presseerzeugnisse, Blumen und Tierfutter zu streichen. Ein Gewinn von über 3 Milliarden Euro sollte dabei herausspringen, aber niemand konnte das offiziell bestätigen. Die Verunsicherung der Steuerzahler wächst.

Koch und Poß erklärten zudem, viele der Vorschläge aus den anderen Koalitions-Arbeitsgruppen könnten wegen der dramatischen Finanzprobleme nicht in den nächsten zwei oder drei Jahren verwirklicht werden. So seien die Vorschläge zur Verbesserung der Abschreibungsbedingungen zu teuer und daher inakzeptabel, erfuhr Reuters ergänzend aus Kreisen der Finanzpolitiker. Einig sei man sich in diesem Kreis auch, dass die vom scheidenden Finanzminister Hans Eichel geplanten Einmalerlöse für den Haushalt 2006 aus Privatisierungen auf die gesamte Legislaturperiode verteilt werden sollten.

Was man gerne hätte

Koch und andere Finanzpolitiker von SPD und Union bezeichneten die in den Medien genannte Summe eines Finanzbedarfs von 70 Milliarden Euro als unrealistisch. Diese Zahl schließe alle Wünsche der Fachpolitiker ein, was aber nicht finanzierbar sei. Die richtige Zahl sei 43 Milliarden Euro bis 2007 einschließlich von acht Milliarden Euro für zusätzliche Wachstumsfördermaßnahmen. „Die Zahlen, die Sie jetzt hören, sind die Addition von Sachen, die man gerne machen möchte, wenn man Geld hätte“, sagte Koch.

Die Koalitionsarbeitsgruppe Finanzen hat sich bislang nicht auf ein Gesamtpaket zur Deckung des Finanzbedarfs geeinigt. Nach den Worten des SPD-Finanzexperten Joachim Poß wird in der nächsten Woche weiter verhandelt. Entscheiden würden über die Finanzpolitik die Parteichefs, sagte CDU-Haushaltsexperte Steffen Kampeter. „Die meisten von denen, die was haben wollen, werden nichts bekommen“, sagte Koch voraus.

Vielleicht könnte eine professionelle Entschuldungsberatung bessere Ergebnisse erzielen als das Gerangel zwischen Profilierungswünschen, Gruppeninteressen und Realitätsferne. Solchen Beratungen müssen sich heutzutage sowohl insolvente Firmen als auch Privatleute stellen – nicht einmal zu ihrem Schaden. Auf jeden Fall wird damit der Schaden von der Allgemeinheit abgewendet.

Schuldnerberatungsstellen

Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat am 24. August 2005 die 12. Auflage der Broschüre: Was mache ich mit meinen Schulden? online gestellt.

Hilfe für überschuldete Familien – Von der Verschuldung zur Überschuldung: Was zu tun ist, wie sich Schulden regulieren lassen und wie man sich beraten lassen kann, zeigt diese Broschüre. Adressen zur Kontaktaufnahme mit Schuldnerberatungsstellen erhältlich unter: 018 01/90 70 50; (http://www.bmfsfj.de/Kategorien/Publikationen/Publikationen,did=3032.html )

Raus aus der Schuldenfalle

Das Bayerische Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, für Familie und Frauen bietet eine Schuldner- und Insolvenzberatung an, wie andere Bundesländer auch.

Allgemeines

Die Überschuldung von Bürgern ist ein sozialer Brennpunkt mit familienpolitischem Bezug. Trotz steigenden Wohlstands gibt es immer mehr Haushalte, die durch Überschuldung in Not geraten.

Ursachen der Verschuldung

Die Ursachen der Verschuldung von Bürgern sind vielfältig:

  * unvorhergesehene Ereignisse, die den Tilgungsplan durcheinander bringen, z.B. Verringerung des Einkommens durch Krankheit, Arbeitslosigkeit, Scheidung oder Wegfall eines Zweitverdienstes;

  * unwirtschaftliches Verhalten und Unfähigkeit zum Verzicht auf nicht dringend benötigte Konsumgüter, während ein Darlehen noch zurückzuzahlen ist;

  * Verlust der Fähigkeit, die eigene künftige Leistungskraft realistisch einzuschätzen.

Die Folge ist, dass das Einkommen nach Abzug der dringend notwendigen Lebenshaltungskosten nicht mehr ausreicht, die fälligen Raten zu begleichen.

Rechtzeitiger Gang zur Beratungsstelle

Bereits bei den ersten Anzeichen finanzieller Schwierigkeiten wäre es sinnvoll, sich an eine Schuldnerberatungsstelle zu wenden, beispielsweise, wenn

  * dringende Anschaffungen nur über Ratenkäufe möglich sind,

  * das Konto des Öfteren überzogen ist,

  * erste Mahnungen von Gläubigern eingehen.

Erfahrungsgemäß werden die besten Erfolge bei einer frühen Inanspruchnahme des Hilfeangebotes erzielt. Daher sollte das Beratungsgespräch nicht hinaus gezögert werden.

Die Hilfe

Die Schuldnerberatung kann keine finanzielle Unterstützung zur Tilgung der Schulden leisten. Sie versteht sich als ganzheitliche persönliche Hilfe. Gemäß den wirtschaftlichen und persönlichen Voraussetzungen der Betroffenen wird gemeinsam ein individueller Lösungsansatz gesucht. Schuldnerberatung hat die Zielsetzung, Einzelpersonen wieder eine optimistische Perspektive und aktive Lebensplanung zu ermöglichen, die Selbsthilfefähigkeit zu stärken durch Bewusstmachung der (oben aufgezeigten) Ursachen der Überschuldung. Weitere Hilfen sind Aufstellung eines Wirtschafts- und Tilgungsplans, Verhandeln mit Gläubigern, Unterstützung bei der Umschuldung im Zusammenwirken mit Banken.

Schuldnerberatung wird kostenlos angeboten. Alle Angaben der Ratsuchenden werden streng vertraulich behandelt.

Die Mitwirkung

Grundlegende Voraussetzung effektiver Schuldnerberatung ist eine aktive und langfristige Zusammenarbeit zwischen dem Hilfesuchenden und dem Berater.

Ratsuchende müssen bereit sein,

  * alle Schulden und alle Einnahmemöglichkeiten offen zu legen,

  * den Empfehlungen des Schuldnerberaters Folge zu leisten sowie Absprachen einzuhalten und

  * notfalls ihre Haushaltsführung zu ändern.

Sofern sie gewillt sind, diese Einschränkungen auf sich zu nehmen, ist eine Erfolg versprechende Schuldnerberatung möglich.

Wer bietet Schuldnerberatung an?

Schuldnerberatung wird angeboten von

  * Trägern der freien Wohlfahrtsverbände (Caritas, Diakonisches Werk, Arbeiterwohlfahrt, Rotes Kreuz, Paritätischer Wohlfahrtsverband),

  * z.T. von den örtlichen Sozialhilfeträgern (kreisfreie Städte, Landkreise).

Auskunft über die in Ihrer näheren Umgebung vorgehaltenen Schuldnerberatungsstellen können Sie bei der zuständigen Sozialhilfeverwaltung (Sozialamt) und bei den örtlichen Verbänden der freien Wohlfahrtspflege erhalten.



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion