Verhaftungslisten „vorbereitet“: EU-Außenpolitiker misstrauen Türkei-Putsch

EU-Politiker gehen jetzt offen davon aus, dass Erdogan nach dem Putschversuch in der Türkei mit vorbereiteten Verhaftungslisten agierte. Darunter Österreichs Außenminister Sebastian Kurz und EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn. In der Türkei berichten bereits regierungsnahe Medien, man habe von den Putschversuch vorher erfahren, so ein Korrespondent.
Titelbild
Menschen schwenken Fahnen vor einem Billboard mit Erdogans Portrait am 17. Juli in Ankara.Foto: Chris McGrath/Getty Images
Epoch Times18. Juli 2016

Der EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn geht zwar nicht so weit, der türkischen Regierung zu unterstellen, dass sie den Putsch selbst inszeniert habe. Doch die Listen für die Säuberungswelle, bei der 6000 Türken verhaftet wurden, dürften schon vor dem versuchten Militärcoup geschrieben worden sein, sagte er laut „Welt“.

„Dass Listen direkt nach den Vorkommnissen vorhanden waren, deutet darauf hin, dass sie vorbereitet waren und zu einem bestimmtem Moment genutzt werden sollten“, so Hahn am Montag vor einem Treffen der EU-Außenminister in Brüssel. „Er war mit der Beobachtung nicht allein“, schreibt die „Welt“ weiter.

Kurz: „Habe sehr klare Meinung dazu“

Österreichs Außenminister Sebastian Kurz erklärte nach dem Treffen, es habe die einheitliche Meinung gegeben, dass zwar einerseits der versuchte Militärputsch zu verurteilen sei, „aber auf der anderen Seite wurde auch eingefordert, dass wirklich alle Kräfte in der Türkei sich zu Rechtsstaat, Demokratie und Grundwerten bekennen müssen“. Dies zitierte die österreichische „Presse“.

Auf die Frage, ob es für ihn schon eindeutig sei, dass Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan Demokratie und Rechtsstaatlichkeit missachtet habe, sagte Kurz laut „Presse“: „Wenn ich mir die Reaktion nach dem Putschversuch anschaue, habe ich eine sehr klare Meinung dazu. Es sind tausende Menschen verhaftet worden, nicht nur Beteiligte am Putsch, die dem Militär angehören, sondern auch viele Richter, viele Menschen aus der Verwaltung. Und ich glaube, diese Listen, wer da nicht genehm ist, sind schon vorher vorgelegen. Weil anders wäre mir nicht erklärbar, wie Verhaftungen so schnell stattfinden können“.

Fast 8.000 Polizisten und 2.700 Richter abgesetzt

Nach dem Putschversuch hatte die türkische Regierung ihr Vorgehen gegen mutmaßliche Gegner von Präsident Erdogan verschärft. Bei einer „Säuberungsaktion“ in Militär, Justiz und Sicherheitsbehörden wurden fast 8.000 Polizisten und 2.700 Richter abgesetzt, berichtet der „Bayerische Rundfunk“. Insgesamt seien rund 7.500 Menschen im Zusammenhang mit dem versuchten Staatsstreich in Haft, darunter 6.038 Soldaten und 100 Polizisten, 755 Richter und Staatsanwälte sowie 650 weitere Zivilisten. Erdogan kündigte eine „Säuberung aller staatlichen Institutionen von diesem Geschwür“ an.

Das sagt der Türkei-Korrespondent der „Welt“

Der Türkei-Korrespondent der „Welt“, Deniz Yücel, sagte in einem Video: Die Zahl der 2.700 abgesetzten und verhafteten Richter und Staatsanwälte entspräche 30 Prozent aller in der Türkei tätigen Richter und Staatsanwälte. Auch zwei eigentlich unantastbare Verfassungsrichter seien betroffen gewesen. In der Türkei hätten mittlerweile auch regierungsnahe Medien berichtet, dass die türkische Regierung von dem geplanten Coup vorher erfahren habe. Laut Einschätzung des Korrespondenten sei dies nicht erst Stunden, sondern möglicherweise schon Tage oder Wochen vorher gewesen.

Das dilettantische Vorgehen der Putschisten und die perfekt organisierte Reaktion der Staatsführung hatte bei türkischen und ausländischen Beobachtern die Einschätzung genährt, Erdogan könnte den Putschversuch in seinem Land selbst inszeniert haben. Siehe dazu: Alles Fake? – „Was soll das für ein Putsch sein mit 5 Panzern und 2 Flugzeugen?“

(rf)



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion