Hendrik Wüst über AfD: „In dieser Partei ist jeder falsch, der kein Nazi ist“

Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) hat die AfD mehrfach als „Nazi-Partei“ bezeichnet: Jeder, der kein Nazi sei, sei „in dieser Partei“ falsch. Im Januar 2022 wollte Wüst noch, dass jeder Mensch auch gegen seinen Willen geimpft werden sollte.
Beim Sommerfest der Landesvertretung Nordrhein-Westfalen in Berlin demonstrierten CDU-Chef Friedrich Merz (l) und NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst Einigkeit.
Archivbild: Beim Sommerfest der Landesvertretung Nordrhein-Westfalen in Berlin demonstrierten CDU-Chef Friedrich Merz (l) und NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst Einigkeit.Foto: Christoph Soeder/dpa
Von 27. September 2023

Bei Parlamentsabstimmungen für irgendein CDU-Anliegen hat Hendrik Wüst (CDU) offenbar wenig gegen nützliche Stimmen von AfD-Abgeordneten einzuwenden. Ansonsten aber lässt der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen derzeit kaum eine Gelegenheit aus, die Alternative für Deutschland (AfD) und ihre Anhänger verbal zu attackieren. „Die AfD ist eine Nazi-Partei“, betonte Wüst in den vergangenen Tagen gleich mehrfach.

Zuletzt hatte er gegenüber der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ) seine Abneigung gegen die Blauen zum Ausdruck gebracht: „Unsere Haltung ist sehr, sehr klar: Wir wollen mit der AfD nichts zu tun haben. Sie ist demokratiefeindlich und menschenverachtend.“ Einzelheiten dazu nannte er nicht, sondern verwies auf den thüringischen AfD-Landes- und Fraktionschef Björn Höcke. Dieser sei die „entscheidende Person in dieser Partei“. Höcke, so Wüst, sei „ein Nazi und deshalb sage ich: Die AfD ist eine Nazi-Partei.“

Bekenntnisse eines Radfahrers

Schon vor gut einer Woche war der Chef der schwarz-grünen NRW-Landesregierung im ZDF-„Morgenmagazin“ offensiv gegen Höcke aufgetreten: Bei einer Radeltour durch das Münsterland, Wüsts Heimatregion, beschuldigte er den AfD-Politiker an der Seite von Moderator Cherno Jobatey, „mit Ressentiments […] gegen behinderte Kinder“ gespielt zu haben. Man müsse klar benennen: „Dieser Typ ist ein Nazi.“

Wüst spielte damit wohl auf das mdr-„Sommerinterview“ mit Höcke von Anfang August an. Damals hatte der AfD-Landesvorsitzende gefordert, die Schulleitungen von „Verwaltungstätigkeiten“ und das Bildungssystem von „Ideologieprojekten“ zu befreien. Als Beispiel für Letzteres nannte Höcke neben dem „Gender-Mainstream-Ansatz“ die „Inklusion“ (Video ab ca. 6:45 Min. auf mdr).

„In dieser Partei ist jeder falsch, der kein Nazi ist“

Auch abseits von Höcke zeigte Wüst im ZDF wenig Verständnis für Parteiangehörige oder Wähler der AfD:

Da gibt’s vielleicht irgendwelche Versprengten, die ehemaligen Konservativen, die glauben, sie seien da richtig. Nein, sie sind da falsch. In dieser Partei ist jeder falsch, der kein Nazi ist, weil sie ist ’ne Nazi-Partei.“ (Video ab ca. 3:38 Min. beim ZDF)

In der FAZ verteidigte Wüst jedoch, dass sich die CDU im Thüringer Landtag auch Stimmen aus der AfD-Fraktion um Björn Höcke bedient hatte, um gemeinsam mit der FDP eine Senkung der Grunderwerbsteuer zu erreichen: „Allein die avisierte [angekündigte, Anmerkung der Red.] Zustimmung der AfD zu einem CDU-Antrag“ könne „nicht dazu führen […], dass die CDU nicht mehr die richtige Politik macht“. Und weiter: „Würde ein Antrag reflexhaft zurückgezogen, nur weil AfD-Zustimmung droht, dann würde das zur Politikunfähigkeit führen.“

Noch Mitte Juni 2023 hatte Wüst in einem eigenen FAZ-Gastbeitrag über seine CDU geschrieben: „Wir machen pragmatische Politik, um die Probleme der Zeit anzugehen. Wer nur die billigen Punkte hervorhebt und sich mit Populisten gemein macht, legt die Axt an die eigenen Wurzeln und stürzt sich selbst ins Chaos.“

Kurz nach der Grunderwerbssteuerabstimmung in Thüringen hatte Wüst schon einmal gegen Höcke ausgeteilt, nannte ihn einen „brandgefährlichen Politiker“ und „fiesen Menschen“. Diese Worte fielen nach Angaben des „Kölner Stadtanzeigers“ während der „Westfälischen Friedenskonferenz“ in Münster.

Wüst will strengere Migrationspolitik

Statt abgelehnte Asylbewerber zeitnah abzuschieben, hatte das schwarz-grüne Regierungsbündnis NRW unter Wüst noch Mitte Juli eine schnellere Verteilung der Betroffenen von den Landeseinrichtungen in die Städte und Gemeinden angestrebt. Sogar bereits abgelehnte Antragsteller ohne Bleiberecht sollten schon „nach spätestens sechs statt bisher 24 Monaten“ in der Fläche verteilt werden, so Wüsts Ansatz.

Heute scheint Wüst in Sachen Migrationspolitik einen etwas anderen Kurs zu verfolgen:

Wir müssen uns kein schlechtes Gewissen machen lassen, wenn wir besser unterscheiden zwischen denjenigen, die zwar alle gute Gründe haben, in Deutschland leben zu wollen, aber kein Recht dazu haben, und denen, die vor Krieg, Verfolgung und Vertreibung fliehen und unseren Schutz wirklich brauchen.“

Konkret plädierte der Ministerpräsident im FAZ-Interview dafür, „in Brüssel jetzt den Fuß von der Bremse zu nehmen“, was die „Krisenverordnung“ angehe. Diese umfasst nach Angaben der „Tagesschau“ beispielsweise „längere Fristen für die Registrierung von Asylgesuchen an den Außengrenzen […], außerdem die Möglichkeit für niedrigere Standards bei Unterbringung und Versorgung“.

Für mehr „sichere Herkunftsländer“

Außerdem sprach sich Wüst für „ein neues EU-Türkei-Abkommen und weitere vergleichbare Initiativen“ aus und dafür, weitere „sichere Herkunftsländer“ auszuweisen: „All jene Staaten müssen endlich zu sicheren Herkunftsländern erklärt werden, die es in Wahrheit auch sind“, forderte Wüst und nannte beispielhaft Moldau, Georgien und die Maghreb-Staaten, „wenn die Lageeinschätzung des Außenministeriums“ dies zulasse. Jene Menschen, die „keinen Schutzstatus erwarten können“, würden nach Ansicht Wüsts dann „erst gar nicht in unser Land“ kommen.

Die Kommunen seien „am Limit“, gab der NRW-Regierungschef zu bedenken. Im Jahr 2022 habe es allein in NRW „gut 70.000 Menschen“ gegeben, „die eigentlich das Land verlassen müssten“. 60.000 davon genössen einen Duldungsstatus. Das hänge mit dem aktuellen Stand der „sicheren Herkunftsländer“ und mit den „Rückführungsabkommen“ zusammen. Es mache ihm „große Sorgen“, dass es „bisher immer noch keine absehbare Lösung in den laufenden Gesprächen“ mit der Bundesregierung gebe.

Wüst im Januar 2022: Absage an individuelle Freiheit

Wüst hatte sich im Januar 2022 während der Hochphase der COVID-19-Impfkampagne in der TV-Talkshow „Anne Will“ auch für eine allgemeine Impfpflicht eingesetzt: Mit den Worten „Wir lassen das nicht weiter zu, dass Menschen ihre individuelle Freiheit über die Freiheit der gesamten Gesellschaft stellen“, vertrat Wüst damals eine für einen bürgerlichen Christdemokraten zumindest erstaunliche Position (Video auf YouTube).

Die „Welt“ hatte bereits im Februar 2020 einen kritischen Artikel zum Grundsatz „Gemeinnutz vor Eigennutz“ veröffentlicht: Der Slogan hatte einst dem Hitler-Regime zur Machtergreifung gedient. Nach Ende der NS-Herrschaft war international zudem der Nürnberger Kodex etabliert worden: Seitdem dürfen Menschen nicht mehr gegen ihren Willen zu einer medizinischen Behandlung gezwungen werden.

Linnemann und Rhein wollen weniger über AfD reden

Andere Spitzenpolitiker der Union wollen ihr Verhältnis zur AfD offenbar am liebsten gar nicht mehr diskutieren. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann erklärte laut FAZ in der „Süddeutschen Zeitung“ (SZ, Bezahlschranke), „von diesen Diskussionen, die nur um die AfD kreisen“, weg zu wollen. Für ihn komme auch nicht die Option von AfD-gestützten CDU-Minderheitsregierungen in den östlichen Bundesländern infrage, wie sie vom Vorsitzenden der CDU-Grundwertekommission Andreas Rödder angedacht worden war. „Wir machen uns nicht zum Spielball der politischen Ränder“, so Linnemann.

Wie die FAZ berichtete, schlug auch der hessische Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) jüngst vor, „insgesamt weniger über eine solche Protestpartei“ zu reden, zumal für ihn jegliche Zusammenarbeit ohnehin ausgeschlossen sei. Stattdessen solle es wieder mehr um Themen wie „Migration, Wirtschaftswachstum, Wohlstandsverlust und Energie“ gehen. Also exakt jene Themen, die viele Wähler zur AfD getrieben haben dürften.

Rhein selbst hatte sich Ende Juli für bundesweite Grenzkontrollen nach bayerischem Vorbild, für härtere Maßnahmen zur Begrenzung der Zuwanderung und für mehr sichere Herkunftsländer starkgemacht, also typische AfD-Positionen vertreten.

„Höcke ist ein Nazi“ von Meinungsfreiheit gedeckt

Björn Höcke als „Nazi“ zu bezeichnen, ist nach Auffassung der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main übrigens keine „strafbare Beleidigung“ gemäß Paragraf 188 StGB, sondern ein „an Tatsachen anknüpfendes Werturteil“, wie die „Tagesschau“ noch einmal im Juli klarstellte. Ein entsprechendes Verfahren gegen einen Plakatträger mit der Parole „Björn Höcke ist ein Nazi“ sei am 12. Juni 2023 eingestellt worden, weil der Satz von der „Meinungsfreiheit“ gedeckt sei.

Zur Begründung habe die Staatsanwaltschaft auf diverse frühere „Formulierungen“ Höckes verwiesen, „die zum Standardvokabular der Vertreter des Nationalsozialismus vor Mai 1945 gehörten“. Ein „grundsätzliches Urteil über Höckes politische Ansichten“ habe die Staatsanwaltschaft damit aber nicht ausgesprochen, so die „Tagesschau“. Ähnliches gelte für die Bezeichnung Höckes als „Faschist“.

Björn Höcke muss sich demnächst vor Gericht verantworten – wegen des Verdachts auf Verwendung von „Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen (§§ 86 Abs. 1 Nr. 486a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 StGB)“. Hintergrund ist eine Rede vom 29. Mai 2021. Damals soll Höcke einen Wahlkampfauftritt mit dem Dreiklang „Alles für unsere Heimat, alles für Sachsen-Anhalt, alles für Deutschland“ beendet haben. Bei dem Slogan „Alles für Deutschland“ handelt es sich nach Informationen der „Bayerischen Informationsstelle gegen Extremismus“ um eine Losung der „Sturmabteilung“ (SA) der NSDAP. Im Fall einer Verurteilung droht Höcke eine Geldstrafe oder bis zu drei Jahren Haft.



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