Kemmerich hofft auf schwarz-rot-gelbes Bündnis für Thüringen

Der thüringische FDP-Landeschef Thomas Kemmerich will nach der Landtagswahl im Herbst 2024 nur zusammen mit CDU und SPD regieren. AfD, Grüne und Linke seien keine Option. Für konkrete Verbesserungen seien aber auch deren Stimmen willkommen.
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Höchstwahrscheinlich wird die FDP Thüringen mit ihrem Landeschef Thomas Kemmerich (Archivbild) als Spitzenkandidat in den Landtagswahlkampf 2024 ziehen. Eine Koalition mit AfD, Grünen oder Linken schließt er schon jetzt aus.Foto: Carsten Koall/Getty Images
Von 2. August 2023

Der wahrscheinliche Thüringer FDP-Spitzenkandidat Thomas Kemmerich hofft bei der Landtagswahl im Herbst 2024 auf ein gemeinsames Regierungsbündnis mit CDU und SPD. Mit der Alternative für Deutschland (AfD) will der FDP-Landeschef auf keinen Fall koalieren. Auch die aktuell mitregierenden Linken und Grünen schließt der Liberale als Partner aus.

„Wir stützen keine von links geführte Regierung“, stellte Kemmerich im „MDR Thüringen Sommerinterview“ vom 1. August klar.

Sieht man sich die aktuellen Umfragewerte von Mitte Juli 2023 an, liegt noch viel Arbeit vor Kemmerich und seinen Wunschpartnern: Die FDP würde es mit vier Prozent Zuspruch noch nicht einmal in den Landtag schaffen. Davon abgesehen könnte ein schwarz-rot-gelbes Dreierbündnis maximal 35 Prozent der Stimmen an sich binden – auch nach Informationen des aktuellen „ThüringenTrend“.

AfD stärkste Kraft in Thüringen

Das ist nur wenig mehr, als die AfD momentan als Einzelpartei erreichen könnte: Die Blauen unter ihrem Landeschef Björn Höcke stehen laut „Dawum.de“ irgendwo zwischen 32 und 34 Prozent und damit deutlich an der Spitze der Thüringer Wählergunst. Gäbe es eine Wagenknecht-Partei, so läge diese nach einer INSA-Umfrage mit 25 Prozent im Freistaat vorn.

Ohne die AfD oder die Linken wären derzeit keine Mehrheiten im Thüringer Landtag erzielbar. CDU-Vorstandsmitglied Mike Mohring betrachtet ungeachtet des parteiinternen Kooperationsverbots die Linke als das kleinere Übel.

Doch bis zum 1. September 2024, so der wahrscheinliche Wahltermin laut MDR, fließt ja noch viel Wasser die Gera hinunter.

Kemmerich hofft, die FDP-Zuspruchswerte in dieser Zeit mindestens zu verdoppeln: Wenigstens acht, besser zehn Prozent habe sein Landesverband „fest im Visier“, gab er im Gespräch mit MDR-Journalist Lars Sänger zu Protokoll. Dafür zähle er im Wahlkampf auf die Hilfe der Parteimitglieder, auch aus anderen FDP-Landesverbänden, auf die „vielen Sympathisanten“ und auf die finanzielle Unterstützung der Unternehmerschaft. „Viele Unternehmer“, auch über Thüringen hinaus, hätten ihm bereits Gelder zugesagt.

Wahlkampf zur Not ohne Berlin

Er werde im Wahlkampf „keine Entscheidung davon abhängig machen, wie die Berliner Zentrale dazu tickt“. Er selbst sei mit 21 Prozent Zufriedenheit unter den Wählern der zweitbeliebteste Politiker in Thüringen. „Ein sehr, sehr guter Wert, auf dem wir aufbauen“, meinte der Liberale.

Falls es 2024 nicht zu einer absoluten Mehrheit einer sogenannten „Deutschland-Koalition“ reichen sollte, würde Kemmerich für seine Vorhaben auch die Stimmen der AfD-Fraktion als Mehrheitsbeschaffer annehmen. Wichtig sei, was durchgesetzt werde – und nicht mit wem.

„AfD ist nicht Ursache, sondern Wirkung von schlechter Politik“

„Ich kann mir keine gute politische Idee verbieten lassen, wenn die AfD droht, zuzustimmen“, erklärte Kemmerich. „Die AfD ist nicht Ursache, sondern Wirkung von schlechter Politik“. Um sie „klein“ zu „kriegen“, müsse man eine „bessere Politik machen, die bei den Leuten ankommt, die ihre persönliche Lebenssituation verbessert, die Psychologie, den Glauben an die Zukunft“. Absprachen oder Zugeständnisse werde es mit der blauen Konkurrenzpartei aber nicht geben:

Ich werde denen keinerlei Kuhhandel anbieten oder Entgegenkommen für eine Stimme.“

Wer aber bereit sei, bestimmte Probleme Thüringens „mit uns [zu] lösen, der soll sie mit uns lösen“, sagte Kemmerich. Das gelte auch für die Linke. Der „Ball“ gehe in jedem Fall „ins Parlament“.

„Leute ohne Bleibeperspektive abschieben“

Als drängendste Aufgaben betrachte er beispielsweise das Versagen der Regierung Ramelow in der Bildungspolitik, den unbewältigten Fachkräftemangel, den Polizeivollzug und die Themen Bürokratie und Digitalisierung. Insbesondere benötige Thüringen eine „Landesregierung, die in der Migrationsfrage genauso konsequent ist, wie es auf Bundesebene gefordert“ werde. „Wir brauchen eine Abschiebepraxis, die das Problem löst und wir brauchen einen pragmatischen Umgang mit der Situation, die wir heute oft vorfinden“, meinte Kemmerich. „Leute ohne Bleibeperspektive“ müssten „abgeschoben werden“, wie es die Bevölkerung einfordere (Video auf „MDR.de“).

Zu den Grünen ging Kemmerich auf Distanz. Wenn sich die Leute fragten, woher die Einschränkungen von Lebensentwürfen kämen, würden sie meist an ein „grünes Politikverständnis“ denken. Das betreffe die Art zu leben, zu essen, die Mobilität oder auch das „Heizungsgesetz“. Er empfahl den Grünen, besser die „Angebotsmenge von Energie“ zu steigern, statt sie noch weiter zu verringern.

Thüringen 2020: Kemmerich-Rücktritt nach Merkel-Intervention

Seit dem 4. März 2020 regiert in Thüringen ein rot-rot-grünes Bündnis unter der Regie von Ministerpräsident Bodo Ramelow. Ramelows Partei hatte es bereits am 27. Oktober 2019 auf 31,0 Prozent der Stimmen gebracht, die SPD auf 8,2, die Grünen auf 5,2. Diese gemeinsamen 44,4 Prozent genügten zwar höchstens für eine geduldete Minderheitsregierung, doch mit der AfD wollte keine Partei zusammenarbeiten. Ein bürgerliches 50,1-Prozent-Bündnis aus AfD (23,4 Prozent), CDU (21,7) und FDP (5,0) wäre also nur rechnerisch möglich gewesen.

Trotzdem galt es bei der Abstimmung zur Wahl des Ministerpräsidenten am 5. Februar 2020 für die bürgerlichen Parteien, eine erneute Amtszeit des Linken Ramelow zu verhindern. Nach langem Hin und Her wählte die Mehrheit der Parlamentarier im Erfurter Landtag dann überraschend Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten. Doch weil dies den überrumpelten FDP- und CDU-Abgeordneten nur mit den Stimmen der AfD-Fraktion gelungen war, schickte die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die gerade in Südafrika unterwegs war, sofort eine Botschaft, dass die Wahl ein „einzigartiger Vorgang“ und „unverzeihlich“ sei. Daher müsse die Wahl „rückgängig gemacht“ werden (Video auf „ZDF.de“).

Kemmerich beugte sich dem Druck und trat wenige Tage später zurück, ohne sein Kabinett ernannt zu haben. Am 4. März 2020 ging dann alles über die Bühne wie von Merkel und großen Teilen der AfD-Konkurrenzparteien erwünscht: Bodo Ramelow gewann und ist seitdem Regierungschef in Thüringen. Da er sich nicht an sein Versprechen hielt, den Souverän vor Ablauf der Legislatur – nämlich schon 2021 – zum Urnengang zu rufen, ist er noch heute im Amt.

Das Bundesverfassungsgericht entschied zwar im Juni 2022, dass Merkels Einschreiten aus der Ferne die Rechte der AfD verletzt hatte, doch das änderte nichts mehr. Merkel wurde nicht bestraft. (Video auf „Youtube.de“).



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