Klimagerechtes Finanzsystem: Neue Wege für globale Finanzierung des Klimaschutzes?

In Paris hat erstmalig ein Gipfel begonnen, bei dem 200 Teilnehmer aus 100 Ländern über Geld und Klima diskutieren. Frankreichs Präsident Macron strebt eine Reform des globalen Finanzsystems an, um die internationale Klimafinanzierung zu stärken.
Macron hält trotz Massenprotesten an Rentenreform fest
Zwei Tage ist der französische Präsident Emmanuel Macron Gastgeber für einen hochrangigen Gipfel zur Klimaschutz-Finanzierung in Paris.Foto: Peter Kneffel/dpa
Von 22. Juni 2023

Diesen Gipfel hat es bisher noch nicht gegeben. 200 Teilnehmer aus 100 Ländern kommen ab heute zu einem Treffen in Paris zusammen, an dem es vor allem um Geld und Klima geht. Das Motto klingt sperrig: Gipfel für einen neuen globalen Finanzpakt. Eine Abkürzung für die Zusammenkunft gibt es bisher nicht. Es könnte aber der Grundstein für die Reform des internationalen Finanzsystems werden.

Macron möchte Klimafinanzierung neuen Schwung geben

Man möchte der internationalen Klimafinanzierung neuen Schwung geben, einen neuen Rahmen und neue Geldgeber verschaffen. Das sind zumindest die Pläne von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der zu den Initiatoren des Gipfels gehört.

Dort sollen die Finanzprobleme verhandelt werden, die etwa auf dem G7-Gipfel oft hinten herunterfallen. Und am Tisch in Paris sitzen nicht nur die reichsten Staaten, sondern vom neuen Präsidenten der Weltbank bis zum Präsidenten von Gabun ganz unterschiedliche Akteure auf Augenhöhe.

Zustande gekommen ist der neue Gipfel durch ein Gespräch zwischen Macron und der Premierministerin von Barbados, Mia Mottley, auf der vergangenen Klimakonferenz in Ägypten.

Barbados hat einen viel beachteten Plan, die sogenannte „Bridgetown Initiative“, zur Reform der Klimafinanzierung vorgelegt. Bridgetown ist die Hauptstadt der kleinen Insel Barbados in der Karibik, die in den vergangenen Jahren immer wieder von Stürmen heimgesucht wird. Darüber hinaus steigt dort seit einiger Zeit der Meeresspiegel an.

Der Gipfel in Paris soll die Aufmerksamkeit auf das bisher etwas vernachlässigte dritte Ziel des Pariser Abkommens aus Artikel 21c richten.

Neben der Begrenzung der Temperatur und der Anpassung an den Klimawandel sollen nach dem Willen des Abkommens die Finanzflüsse kompatibler gemacht werden „mit einem Pfad Richtung niedriger Emissionen von Treibhausgasen und einer klimafesten Entwicklung“.

100 Milliarden Dollar, um Folgen des Klimawandels einzudämmen

Die Organisatoren hoffen auf eine „gemeinsame Diagnose“ der Herausforderungen und einer „neuen politischen Vision“, die zu „greifbaren, umsetzbaren“ Ergebnissen führen sollen, heißt es aus dem Élysée-Palast. Nicht geplant ist eine Wort für Wort ausgehandelte gemeinsame Erklärung, sondern ein „operativer“ Fahrplan mit praktischen Maßnahmen.

Bedeutung dürfte dem Gipfel zukommen, da sich Macron schon auf dem G20-Gipfel im November für die Bridgetown Initiative von Mia Mottley ausgesprochen hatte. Sie wird daher auf dem Pariser Gipfel auch prominenter Gast sein.

Ihr Vorschlag fordert ein globales Finanzsystem, das sich an den Bedürfnissen der am stärksten bedrohten Länder orientiert.

Um die Folgen des Klimawandels zu bewältigen, sollen Finanzmittel von 100 Milliarden Dollar mobilisiert werden. Insbesondere hofft man hier auf private Geldgeber und die Absenkung der Kapitalkosten in den Entwicklungsländern.

Dazu kommen noch einmal 100 Milliarden Dollar, die die Industrieländer ab 2020 dem Globalen Süden versprochen haben. Bisher wurde dieser Betrag noch nicht vollständig ausgereizt.

Das Problem, so schreibt das ZDF, seien die überall fehlenden Investitionen in Klimaschutz. Für einen Kredit für eine Solaranlage in der EU zahlen Investoren etwa vier Prozent Zinsen. Durch die zu erwartenden Einnahmen können sie den Kredit zusammen mit den Zinsen abbezahlen.

In Ländern wie Indonesien oder Mexiko liegen die Zinsen bei einem Projekt mit den gleichen Solarpanelen bei mehr als zehn Prozent. In vielen afrikanischen Ländern sind die Zinsen für Kredite noch höher. „Plötzlich ist das Projekt nicht mehr rentabel“, sagt Avinash Persaud, Sonderbeauftragter der Karibikinsel Barbados für Klimafinanzierung. Er fordert daher spezielle Kredite mit günstigeren Zinsen für Klimaschutzprojekte, ausgegeben etwa durch die großen Entwicklungsbanken.

Ungenutzte Sonderziehungsrechte für einen Klimafonds

Der Plan aus Barbados sieht eine Finanzierung des Ganzen vor, ohne dass der Haushalt des entwickelten Landes belastet wird. Man möchte genau das über sogenannte Sonderziehungsrechte erreichen. Jeder Staat hat diese beim Internationalen Währungsfonds (IWF) hinterlegt.

Die reichen Länder besitzen wegen größerer Anteile am IWF mehr davon als die ärmeren. In Krisen können die Staaten die Sonderziehungsrechte gegen andere Währungen eintauschen. Diese Rechte bleiben aber von den reichen Ländern größtenteils ungenutzt.

Ein Teil dieser ungenutzten Sonderziehungsrechte könnte für einen neuen Klimafonds als Sicherheit dienen. Mit dieser Sicherheit als Grundlage könnte der Fonds dann an den Finanzmärkten Geld einwerben – in etwa so wie Privatpersonen mit besserer Bonität und Sicherheiten auch zu besseren Konditionen Geld leihen können.

Somit könnte privates Geld für Klimaschutz mobilisiert werden, das die betroffenen Länder selbst nicht zu diesen Konditionen leihen könnten.

Viele Staats- und Regierungschefs offen für Vorschläge

Verschiedene Staats- und Regierungschefs haben schon im Vorfeld des Gipfels die Forderung nach einer klimafesten Reform des Finanzsystems unterstützt, darunter US-Präsident Joe Biden, Bundeskanzler Olaf Scholz, Brasiliens Präsident Lula da Silva, Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa oder die Chefin der EU-Kommission Ursula von der Leyen.

Zum Gipfel haben sich rund 50 Staats- und Regierungschefs angekündigt. Neben Mia Mottley aus Barbados hat auch der Präsident Brasiliens, Lula da Silva, seine Teilnahme zugesagt. Auch China dürfte mit seinem Premierminister Li Qiang hochrangig vertreten sein. UN-Generalsekretär António Guterres kommt ebenso wie die Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen, der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz oder die Präsidenten von Ghana, Nana Akufo-Addo, Senegal, Macky Sall und Kenia, William Ruto. Die USA werden voraussichtlich durch den Klimagesandten John Kerry und Finanzministerin Janet Yellen repräsentiert.

Weiter werden an dem Gipfel die bedeutendsten internationalen Organisationen, große Stiftungen, der Privatsektor, der akademische Sektor und die Zivilgesellschaft teilnehmen. Darunter befinden sich der neue Präsident der Weltbank, Ajay Banga, der seit dem 1. Juni im Amt ist und dieses Gipfeltreffen als sein erstes wichtiges internationales Treffen ansieht.

Auch werden die geschäftsführende Direktorin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Kristalina Georgieva, und Mafalda Duarte, die in Kürze die Leitung des Grünen Klimafonds übernehmen wird, auf dem Gipfel sprechen. Christine Lagarde, die Präsidentin der Europäischen Zentralbank und ehemalige Leiterin des IWF, wird ebenfalls anwesend sein. Dasselbe gilt für Mark Carney, der ehemalige Gouverneur der Bank of England. Er hat die Initiative Gfanz (Glasgow Financial Alliance for Net Zero) ins Leben gerufen.

Ohne Einigung Rückkehr zu fossilen Energien

Wie das Onlineportal „TableClimata“  schreibt, soll Paris in den kommenden zwei Tagen der Knotenpunkt der verschiedenen Überlegungen sein.

Trotz der bestehenden Spannungen zwischen China und den USA, dem andauernden Krieg in der Ukraine und der zunehmenden Unzufriedenheit der südlichen Länder, strebt Macron nach Erfolg.

Der geopolitische Kontext wird von Bertrand Badré, dem Direktor des Fonds für verantwortungsbewusste Investitionen Blue Orange Capital und ehemaligen Generaldirektor für Finanzen bei der Weltbank, als „sehr kompliziert“ bezeichnet.

Es besteht immer weniger Bereitschaft, zu einer Einigung zu gelangen. Doch Badré befürchtet, dass, wenn es nicht gelinge, den Entwicklungsländern in Bezug auf Finanzierung entgegenzukommen, sie möglicherweise den Verhandlungstisch verlassen und mit der Förderung von Kohle, Öl und Gas beginnen würden.



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