Parteinahe Wirtschaftsgruppen zwischen Demokratie und Einflussnahme

Parteinahe Wirtschaftsgruppen wie der „Wirtschaftsrat der CDU“ geraten unter Beschuss, da sie Unternehmen privilegierten Zugang zu politischen Entscheidungsträgern gewähren. Der Verein „Lobbycontrol“ prangert an, dass solche Verbindungen intransparente Einflussnahme begünstigen, während die Vereinigungen selbst nicht den Regeln des Parteiengesetzes unterliegen.
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Vorwurf von „Lobbycontrol“: Der Wirtschaftsrat nimmt ohne unter die Transparenzrichtlinien für Parteien zu fallen Einfluss auf die CDUFoto: über dts Nachrichtenagentur
Von 2. September 2023

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Lobbyverbände in den Vorständen von Parteien. Eigentlich soll es diese bedenkliche Nähe zwischen Politik und Wirtschaft nicht geben. Die Betonung liegt auf dem Wort „eigentlich“. In der gelebten Praxis sieht es leider ganz anders aus. Für den Verein „Lobbycontrol – Initiative für Transparenz und Demokratie“ ist diese gelebt Praxis seit Langem ein Dorn im Auge.

Grenzen verwischen

Konkret geht es um parteinahe Wirtschaftsvereinigungen wie den „Wirtschaftsrat der CDU“, den „Liberalen Mittelstand“ bei der FDP, den „Wirtschaftsbeirat Bayern“ der CSU, das „Wirtschaftsforum der SPD“ oder seit Anfang des Jahres die „Wirtschaftsvereinigung der Grünen“.

Alle diese Vereinigungen haben den Zweck, die Verbindung der Wirtschaft zu den Parteien zu stärken. Mögen sie in der Ausrichtung unterschiedlich sein, verbindet sie alle ein Element: Gegen die Zahlung von Mitgliedsbeiträgen ermöglichen sie den Unternehmen Zugang zur jeweiligen Partei oder zu wichtigen einzelnen Parteimitgliedern wie Ministern oder Abgeordneten.

Lobbycontrol kritisieren solche Vereinigungen vor allem deshalb, weil nach Ansicht der Nichtregierungsorganisation (NGO) hier „die Grenzen zwischen Partei und Lobbyorganisationen verwischen“. Die Sprecherin von Lobbycontrol, Christina Deckwirth, hat diesen Vorwurf zuletzt im April dieses Jahres gegenüber dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ (RND) wiederholt. Anlass war damals die Neugründung der „Wirtschaftsvereinigung der Grünen“.

„Das ist für die Demokratie nicht zuträglich. Parteien als zentrale Akteure in der Demokratie sollten nicht bestimmten und ohnehin einflussreichen gesellschaftlichen Gruppen privilegierte Zugänge gewähren, die sie anderen so nicht bieten“, so Deckwirth damals.

Besonders problematisch sei zudem, dass solche Quasi-Parteiorganisationen nicht unter die Transparenzregeln des Parteiengesetzes fielen. „Die Wirtschaftsvereinigung der Grünen und andere parteinahe Wirtschaftslobbyorganisationen werden damit zu einem Einfallstor für eine intransparente Finanzierung parteinaher Strukturen.“

Gaststatus im CDU-Bundesvorstand steht in der Kritik

Sieht Lobbycontrol diese Vereinigungen allgemein, aus den genannten Gründen, kritisch, nahm die NGO die Wirtschaftsvereinigung der CDU besonders aufs Korn. Der Grund: Die Präsidentin des „Wirtschaftsrats der CDU“, Astrid Hamker, hat einen dauerhaften Gaststatus im CDU-Bundesvorstand. Hamker hat zwar kein Stimmrecht im CDU-Gremium, dafür aber ein Rederecht. Lobbycontrol sieht darin sowohl einen Verstoß gegen das Parteiengesetz als auch gegen die CDU-Satzung.

Im Januar 2022 hatte die NGO ein Rechtsgutachten veröffentlicht, dass die jahrzehntelange Praxis im CDU-Bundesvorstand in Frage stellt. Das Gutachten von Anwältin Roda Verheyen von der Kanzlei „Rechtsanwälte Günther Partnerschaft“ stützt die Positionen von Lobbycontrol.

Das Grundgesetz Artikel 21 verpflichte Parteien auf eine innerparteiliche Ordnung nach „demokratischen Grundsätzen“, was sich nicht zuletzt auch auf die Zusammensetzung des Parteivorstands beziehe, kann man im Gutachten lesen. Konkretisiert sei diese Pflicht durch das Parteiengesetz. Demnach sei eine zusätzliche Berufung eines Mitglieds in den Vorstand einer Partei aufgrund seines Amtes nur dann zugelassen, wenn dieses Amt in der Satzung ausdrücklich genannt wird. Diese Regelung gelte laut Rechtsprechung des CDU-Bundesparteigerichts ausdrücklich auch für allein beratende Mitglieder.

Folglich dürften parteiinterne Organisationen wie die Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT) oder die Christlich-Demokratische Arbeitnehmerschaft (CDA) beratend im Vorstand der Partei mitwirken, nicht aber ein Berufsverband wie der Wirtschaftsrat. Auch wenn der Sitz des Wirtschaftsrats im Parteivorstand durch die Partei nur als „ständiger Gast“ bezeichnet wird, so widerspreche das dem Willen des Gesetzgebers.

Junger Schauspieler verklagte seine eigene Partei

Da Lobbycontrol selbst nicht klagebefugt gegen diese Regelung ist, unterstützte der Verband seit Mai des vergangenen Jahres den jungen Schauspieler Luke Neite aus Leipzig. Neite ist selbst CDU-Mitglied und wollte vor dem Parteigericht erstreiten, dass der Gaststatus der Präsidentin des Wirtschaftsrates aufgehoben wird.

Im März dieses Jahres wies das CDU-Parteigericht die Klage zurück. Es berief sich in seiner Urteilsbegründung auf formale Gründe. Als „einfaches Parteimitglied“ bestehe für Neite kein „Rechtsschutzbedürfnis“. Die Klagebefugnis stehe in Frage, da er kein Delegierter des Bundesparteitags gewesen sei.

Dass eine Lobbyorganisation mit der Gaststatus-Regelung Zugang zu den Machtzentren der Partei habe, möge, so das Parteigericht, eine „vertretbare Rechtsauffassung“ innerhalb der CDU sein. Damit hinterfragt das Gericht durchaus die gelebte Praxis bei den Christdemokraten. Luke Neite und Lobbycontrol werteten diesen Hinweis damals als Teilerfolg. „Wir werden nun weitere Schritte prüfen – einschließlich der Unterstützung weiterer Klagen,“ kommentierte Christina Deckwirth die Entscheidung des CDU-Parteigerichts. Wie es nun weitergeht, bleibt abzuwarten.

Nach Kritik muss Lobbyverband FDP-Vorstand verlassen

Beim „Liberalen Mittelstand“ in der FDP war die Kritik von Lobbycontrol erfolgreich. Im April 2022 kritisierten die Organisation öffentlich, dass Olaf in der Beek für den partei-externen Lobbyverband „Liberaler Mittelstand“ ständiger Gast im FDP-Parteivorstand ist. Zuvor hatte Lobbycontrol die Kritik an die FDP gerichtet und eine abwiegelnde Rückmeldung erhalten.

In der Sendung „Markus Lanz“ vom Mai 2022 konfrontierte Moderator Lanz FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai mit der Auffassung von Lobbycontrol. Dieser teilte daraufhin mit, dass der Verband nicht mehr im Vorstand vertreten sei. Man habe sich nach der Kritik sehr schnell mit den Vorwürfen auseinandergesetzt und gehandelt.

Gehandelt scheint auch inzwischen die CDU zu haben. Zumindest ist auf der Seite der CDU-Deutschland die Präsidentin des Wirtschaftsrates, Astrid Hamker, nicht mehr unter den Bundesvorstandsmitgliedern aufgeführt. Eine Anfrage, ob Frau Hamker das Gastrecht im Bundesvorstand entzogen wurde, blieb bisher unbeantwortet.



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