„Rückschlag für die Demokratie“: Internationale Empörung über Entmachtung des Parlaments in Venezuela

Hintergrund der Gerichtsentscheidungen ist ein tiefer Konflikt zwischen Regierung und Opposition in Venezuela. Die Regierungsgegner kämpfen seit Monaten für eine Volksabstimmung über eine Amtsenthebung des Präsidenten. Sie machen ihn für die schwere Wirtschaftskrise verantwortlich, die durch den starken Ölpreisrückgang seit 2014 verschärft wurde.
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Venezuelas Präsident Nicolas Maduro (r) und sein Vizepräsident Tareck El-Aissami. 31. Januar 2017.Foto: JUAN BARRETO/AFP/Getty Images
Epoch Times31. März 2017

Mit Empörung und scharfer Kritik haben Politiker in Venezuela und im Ausland auf die Entmachtung des venezolanischen Parlaments durch das Oberste Gericht des Landes reagiert. Parlamentspräsident Julio Borges sagte am Donnerstag, Präsident Nicolás Maduro dürfe sich nicht über die Verfassung stellen. Borges forderte das bisher zu Maduro stehende Militär auf, angesichts des „Verfassungsbruchs“ sein Schweigen zu brechen. Die USA und die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) verurteilten die Entmachtung.

Der Oberste Gerichtshof hatte zuvor dem von der rechten Opposition dominierten Parlament die Kompetenzen entzogen und bis auf Weiteres auf sich selbst übertragen. Solange die Nationalversammlung geltendes Recht missachte, würden ihre Kompetenzen vom Obersten Gerichtshof oder einem von ihm bestimmten Organ ausgeübt, hieß es in der am Mittwochabend (Ortszeit) verbreiteten Gerichtsentscheidung.

Borges bezeichnete das Urteil in einer Rede vor dem Parlament als „Müll“. Die Volksvertretung erkenne die Entscheidung nicht an und werde dagegen rebellieren. Die Opposition kündigte an, dass es von Samstag an Proteste geben werde.

Die US-Regierung kritisierte die Entmachtung scharf: „Wir betrachten dies als einen ernsten Rückschlag für die Demokratie in Venezuela“, teilte das Außenministerium mit. Den Venezolanern werde dadurch das Recht vorenthalten, über die Zukunft ihres Landes mittels der gewählten Abgeordneten mitzubestimmen.

Auch die Europäische Union und der Ständige Rat der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), der in Washington über die Krise in Venezuela beriet, verurteilten die Entscheidungen des Obersten Gerichts. OAS-Generalsekretär Luis Almagro sprach von einem „Putsch“, mit dem die Staatsführung die verfassungsmäßige Ordnung und die Demokratie aushebele.

Die mexikanische Regierung erklärte, das Vorgehen des Obersten Gerichtshofs verstoße gegen die „Grundwerte der repräsentativen Demokratie und die Gewaltenteilung“. Brasiliens Außenministerium beklagte einen Verstoß „gegen die verfassungsmäßige Ordnung“ in Venezuela.

Das peruanische Außenministerium erklärte, dass es seinen Botschafter wegen der „Verletzung der demokratischen Ordnung“ „definitiv“ aus Caracas abberufe.

Der Oberste Gerichtshof hatte bereits im August 2016 geurteilt, dass die oppositionelle Mehrheit im Parlament gegen geltendes Recht verstoße, weil sie drei Abgeordnete, deren Mandat wegen mutmaßlichen Wahlbetrugs ausgesetzt worden war, vereidigt hatte. Die Opposition sah in dieser Entscheidung den Versuch des Regierungslagers, ihren Einfluss zu verringern.

Hintergrund: Tiefer Konflikt zwischen Regierung und Opposition

Am Dienstag hob der Oberste Gerichtshof dann die Immunität der Abgeordneten aufgehoben. Damit können Parlamentarier auch wegen Hochverrats vor Militärgerichte gestellt werden.

Der Oppositionsabgeordnete Henry Ramos Allup, der 2016 Parlamentspräsident war, nannte das Oberste Gericht „betrügerisch“ und warf ihm vor, die Verfassung „nach seinem Gutdünken auszulegen“. Die oppositionellen Abgeordneten würden ihre Arbeit unter allen Umständen fortsetzen, denn sie seien „gewählt und nicht von einer Person eingesetzt“.

Hintergrund der Gerichtsentscheidungen ist ein tiefer Konflikt zwischen Regierung und Opposition in Venezuela. Die Regierungsgegner kämpfen seit Monaten für eine Volksabstimmung über eine Amtsenthebung des Präsidenten. Sie machen ihn für die schwere Wirtschaftskrise verantwortlich, die durch den starken Ölpreisrückgang seit 2014 verschärft wurde.

Wegen Versorgungsengpässen gab es in dem südamerikanischen Land bereits mehrfach schwere Unruhen und Plünderungen. Bei Protesten wurden mehrere Menschen getötet. Der Internationale Währungsfonds (IWF) rechnet bis zum Jahresende mit einer Inflationsrate von 1660 Prozent.

Maduro hat bisher jedoch alle Versuche der rechtsgerichteten Opposition abwenden können, ihn aus dem Amt zu jagen. Regulär endet sein Mandat im Dezember 2018. Die Gouverneurswahlen hätten eigentlich bereits im vergangenen Dezember stattfinden sollen. Sie wurden aber auf dieses Jahr verschoben, wobei ein Wahltermin bislang nicht feststeht.  (afp)



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