Vesper vor Europaspielen: «Wir sind weiterhin besorgt»

Baku (dpa) - Nach der Flaggenübergabe an Fahnenträger Fabian Hambüchen reiste auch Michael Vesper nach Baku. Bei den ersten Europaspielen erwarten den Vorstandschef des Deutschen Olympischen Sportbunds schwierige Themen. Im Interview der…
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Michael Vesper ist in Baku.Foto: Fredrik von Erichsen/dpa
Epoch Times11. Juni 2015
Nach der Flaggenübergabe an Fahnenträger Fabian Hambüchen reiste auch Michael Vesper nach Baku. Bei den ersten Europaspielen erwarten den Vorstandschef des Deutschen Olympischen Sportbunds schwierige Themen.

Im Interview der Deutschen Presse-Agentur äußert sich Vesper über den Sinn des Multi-Sportevents, die Menschenrechtsfrage in dem autoritär geführten Staat und zu möglichen Europaspielen in Deutschland.

In zahlreichen Sportarten gibt es Welt- und Europameisterschaften, Weltcups und als Höhepunkt die Olympischen Spiele. Weshalb braucht es jetzt noch die Europaspiele?

Vesper: Es gibt die Asienspiele, die Afrikaspiele, die Panamerikanischen Spiele, die Commonwealthspiele; nur in Europa fehlt ein Multi-Sportereignis dieses Formats. Wir waren anfangs auch skeptisch, das will ich gar nicht verhehlen. Natürlich kennen wir den engen Wettkampfkalender und wissen, dass es da kaum noch Lücken gibt. Aber die Europäischen Olympischen Komitees haben sich für die Einführung der Spiele entschieden. Und jetzt müssen wir sehen, wie die Premiere und die zweite Ausgabe ankommen. Im Moment ist das Interesse sehr groß. Es sind ungefähr 6000 Athleten dort, die Spiele liegen also etwa in der Mitte zwischen Olympischen Winter- und Sommerspielen. Man muss nach den beiden Ausgaben sorgfältig evaluieren.

Was sind Ihre Erwartungen an die Organisation in Baku?

Vesper: Die Gastgeber haben sich unglaublich angestrengt und sehr gute Bedingungen für den Sport geschaffen, für sie ist dieses Sportereignis Priorität Nummer eins.

Nach Peking oder Sotschi gibt es wieder eine problematische Menschenrechtssituation. Inwiefern stört es, dass mit diesen Gastgebern immer wieder diese Themen im Vordergrund stehen?

Vesper: In den vergangenen 13 Jahren hatten wir auch Olympische Spiele in Salt Lake City, Athen, Turin, Vancouver und London. Die olympische Bewegung ist global, deswegen wird es nie so sein, dass Großereignisse immer nur in Ländern mit westlichen Demokratien stattfinden. Dass bei der Austragung in anderen Gesellschaftssystemen Diskussionen entstehen über das ganze Spektrum der Menschenrechte, sozialen Rechte, der Frage der Pressefreiheit, der Ausbeutung von Arbeitern, gehört dazu. Den Diskussionen muss man sich stellen, das tun wir auch.

Sie haben sich im Januar beunruhigt über die Pressefreiheit und Repressalien gegen Journalisten geäußert. Hat sich daran etwas geändert?

Vesper: Nein. Ich führe nach wie vor Gespräche mit Menschen aus der Region, Menschenrechtsgruppen und den Regierungen von Deutschland und Aserbaidschan. Die Berichte haben sich nicht geändert, wir sind weiterhin besorgt. Andererseits glaube ich aber nicht, dass sich die Medien ohne die Europaspiele mit der Menschenrechtsfrage in Aserbaidschan so intensiv auseinandersetzen würden. Deshalb handelt sich derjenige, der sich um ein solches Großereignis bewirbt, um das eigene Image zu polieren, zugleich eine erhöhte Aufmerksamkeit für die Situation im eigenen Land ein.

Würden Sie sich als Exko-Mitglied auch eine deutliche Positionierung des Europäischen Olympischen Komitees wünschen?

Vesper: Wir haben dieses Thema natürlich intern diskutiert. Das EOC besteht aus 50 Nationalen Olympischen Komitees, von Aserbaidschan über Portugal bis Zypern. Es gibt eine große Bandbreite von Meinungen. Vertreter anderer NOKs haben vor dem Hintergrund ihrer Gesellschaftssysteme ein unterschiedliches Problembewusstsein.

Es gibt keine konkreten Medaillenziele, was sind die sportlichen Zielsetzungen?

Vesper: Sportlich hoffen wir, dass unsere Mannschaft von etwa 270 Athleten möglichst gut abschneidet, damit die Vorbereitung auf Olympia 2016 einen Kick bekommt. Wir haben keine Medaillenziele formuliert, weil es bei einer ersten Auflage nicht sinnvoll ist. Und der Zielwettbewerb unserer Spitzensportler ist natürlich Olympia 2016 in Rio.

Wäre die Ausrichtung der Europaspiele auch für Deutschland ein interessantes Projekt?

Vesper: Ich werde ab und zu von Oberhäuptern deutscher Städte angesprochen, ob das für sie ein Format sein könnte. Das könnte es eines Tages, ja. Aber jetzt gehen wir mit Hamburg 2024 ins Olympia-Rennen, und auch wenn es kein formales Ausschlusskriterium gibt, sollten wir keine zwei Bewerbungen parallel laufen lassen, deshalb sind Europaspiele vorerst kein Thema für uns.

Welche Rolle könnten die Europaspiele mittelfristig spielen – Olympia light oder doch kleiner?

Vesper: Olympia light glaube ich nicht, das ist auch nicht der Anspruch. Aber sie könnten schon ein Highlight auf dem Weg zu Olympia werden, wenn es gelingt, die besten europäischen Athleten in möglichst vielen Sportarten in den Wettbewerb zu schicken. Zudem können sie so etwas wie ein Labor für die nicht-olympischen Sportarten und für neue Wettbewerbe wie Strandfußball und Basketball Drei gegen Drei werden. Wir müssen schauen, wie die erste Ausgabe ist. Wie immer bei einer Premiere weiß man nicht schon vorher, ob die Leute am Ende Beifall klatschen oder die Buh-Rufe überwiegen.

ZUR PERSON: Michael Vesper (63) ist seit Dezember 2014 Vorstandsvorsitzender im Deutschen Olympischen Sportbund. Zuvor war er beim DOSB acht Jahre lang als Generaldirektor tätig. Vor der Funktionärslaufbahn saß der Soziologe für die Grünen im Bundestag sowie Landtag von Nordrhein-Westfalen und war dort unter anderem Bau- und Sportminister.

(dpa)


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