Cum-Ex-Skandal: Christian Olearius steht vor Gericht – wie eng wird es für Olaf Scholz?

Der ehemalige Warburg-Banker Christian Olearius steht vor Gericht, angeklagt wegen schwerer Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit Cum-Ex-Geschäften. Der Prozess wirft auch Schatten auf Bundeskanzler Olaf Scholz, der in die Affäre verwickelt ist.
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Gestern begann der Prozess gegen den Ex-Warburg-Chef Christian Olearius (Archivbild).Foto: Holger Hollemann/dpa/dpa
Von 19. September 2023

Am Montag begann am Landgericht Bonn der Prozess gegen den ehemaligen Warburg-Banker, Christian Olearius. Olearius war über viele Jahre einer der wichtigsten Geldmanager in unserer Republik. Als Chef der Hamburger Warburg Bank führte er eines der renommiertesten Bankhäuser in unserem Land.

Der Banker galt vielen Menschen als Inbegriff des angeblich so ehrbaren hanseatischen Kaufmanns. Seine Mitarbeiter hatten damals große Ehrfurcht vor ihm und sprachen nur als „Dr. O.“ von ihm. Bei anderen Wirtschaftsgrößen galt der Warburg-Banker als ein gefragter Gesprächspartner.

Auch Politiker umgaben sich gerne mit dem Banker. Nun ist er tief gefallen und man fragt sich, wer könnte im Laufe des Prozesses noch über diesen Mann stolpern?

Prozess mit Sprengkraft

Um 10:00 Uhr begann gestern vor der 13. Großen Strafkammer in Bonn das Verfahren gegen Christian Olearius. Die Staatsanwaltschaft Köln wirft dem heute 81-Jährigen vor, sich der besonders schweren Steuerhinterziehung schuldig gemacht zu haben. Der Banker soll bei den sogenannten Cum-Ex-Geschäften mitgemacht haben.

Gemeint sind jene Steuerdeals, bei denen sich verschiedene Finanzmanager mindestens zehn Milliarden Euro Steuern erschlichen haben sollen. Olearius allein soll mit diesen krummen Geschäften 280 Millionen Euro ergaunert haben. Der Warburg-Mann ist bislang der prominenteste Angeklagte, der sich wegen dieser Schiebereien jetzt vor einem Gericht verantworten muss.

Der Prozess hat eine gewisse Sprengkraft und Beobachter erhoffen sich, nun bessere Einblicke in die sogenannte Warburg-Affäre zu erhalten. In diese ist auch der heutige Bundeskanzler, Olaf Scholz (SPD), verwickelt. Bisher hat Olearius eisern geschwiegen und weder über seine Beteiligung noch über die Rolle des heutigen Bundeskanzlers etwas gesagt. Im Prozessverlauf, so die Hoffnung mancher Beobachter, könnte sich das ändern und der ehemalige Warburg-Banker wird gesprächiger. Nicht ganz ausgeschlossen, dass dann am Ende Scholz über diese Affäre stürzen kann.

Gestern ging es zwar, wie am Beginn eines Prozesses üblich, erst einmal nur um das typische Klein-Klein unter den Juristen. Klar wurde aber auch, dass der Warburg-Skandal vor dem Prozess eine Rolle spielen wird.

Olaf Scholz 27 Mal in Anklageschrift erwähnt

Gegenüber dem Fernsehsender ntv misst der Finanzexperte und ehemalige Bundestagsabgeordnete der Linken, Fabio De Masi, dem Prozess eine hohe Bedeutung für „den wehrhaften Rechtsstaat“ bei.

„Der Bundeskanzler sitzt mit Herrn Olearius symbolisch mit auf der Anklagebank“, sagte er unter Verweis darauf, dass der Name von Scholz 27 Mal in der Anklageschrift auftaucht. Alle Beteiligten hätten gewusst, dass Cum-Ex kriminell sei. „Wenn auch Herr Scholz schon immer dieser Meinung war, wie er im März 2020 im Bundestag ausführte, warum hat er dann Herrn Olearius gleich dreimal zum Steuerverfahren der Bank getroffen? Dann hätte doch ein Treffen gereicht, um das mitzuteilen.“

Auch die Anklage, die die Staatsanwaltschaft gestern verlas, hat es in sich. Dass Christian Olearius sich nicht vor einem Hamburger Gericht verantworten muss, hängt mit dem Sitz des Bundeszentralamtes für Steuern in Bonn zusammen. Die Staatsanwaltschaft hat deshalb den Fall zu sich gezogen und so wird das dortige Landgericht ein Urteil fällen.

Insgesamt 50 Seiten dick ist die Schrift, die Anklägerin Stephanie Kerkering und ein Kollege gestern im Wechsel verlesen haben – das dauerte mehrere Stunden.

Kerkering wirft Christian Olearius mehrere Fälle von Steuerhinterziehung zwischen den Jahren 2006 und 2019 vor. „Dem Banker war bekannt, dass die Gewinne aus den Steuern stammten“, die Warburg bei den Cum-Ex-Geschäften einstrich, so die Staatsanwältin. Olearius soll dem Staat Details des Deals „bewusst“ verschwiegen haben. Hätte das Hamburger Finanzamt die Details gekannt, dann wäre „die Steuererstattung nicht vorgenommen“ worden. Davon ist Kerkering überzeugt.

Sie wird dann noch detaillierter: Die Warburg-Banker hätten sich intern als „steuereffizient“ bezeichnet. Die Staatsanwältin berichtet im Gerichtssaal weiter von Scheinrechnungen und von Fonds, die von der Bank eigens aufgesetzt wurden, um einen möglichst hohen Profit aus den Geschäften ziehen zu können.

Druck auf Finanzamt aufgebaut

Der frühere Warburg-Banker verfolgt die Verlesung fast regungslos. Aufgeregter wird er nur am heikelsten Punkt der Anklage. Olearius soll 2016 und 2017 versucht haben, Druck auf die Hamburger Finanzbehörde auszuüben und diese damit zu beeinflussen.

Diese habe damals darüber nachgedacht, sich das Steuergeld, das unrechtmäßig an Warburg geflossen ist, zurückerstatten zu lassen. Das wollte der Warburg-Chef damals verhindern. Olearius habe deshalb, fährt Staatsanwältin Kerkering fort, „politischen Druck“ auf die Finanzbeamten aufbauen wollen, damit diese von ihrem Ansinnen ablassen. Und: Der Banker habe aus diesem Grund auch mehrfach beim damaligen Ersten Hamburger Bürgermeister und heutigen Kanzler Scholz vorgesprochen.

Mit seinem Manöver hatte er damals kurzweilig sogar Erfolg: Die Behörde verzichtete auf die Rückzahlungen. Staatsanwältin Kerkering glaubt, das hätten sie auch deshalb so entschieden, weil Olearius die Hamburger Finanzbehörde mit unvollständigen und falschen Informationen gefüttert haben soll.

Beklagter wird sich im Prozess äußern

Nachdem die Staatsanwaltschaft gestern ihre Anklage verlesen hatte, meldeten sich die Verteidiger zu Wort. Peter Gauweiler, einer der Anwälte von Olearius und selbst viele Jahre Bundestagsabgeordneter der CSU, kündigte an, dass der Beklagte sich zu den Vorwürfen äußern würde. Zuerst aber würden seine Anwälte in den kommenden Prozesstagen Erklärungen vorlesen.

Einen Antrag hat der Anwalt von Olearius, Bernd Schünemann, dann auch zum Ende des Prozesstages dabei: Das Bonner Landgericht sei nicht zuständig, die Justiz in Hamburg müsse sich um den Fall kümmern. Bisher hatte noch niemand an der Zuständigkeit des Gerichts in Bonn gezweifelt. Insgesamt fünf Urteile in Sachen Cum-ex hat das Landgericht bisher gesprochen. Darunter auch gegen zwei Warburg-Manager.

Ob der Antrag erfolgreich sein kann oder nur als prozesstaktisches Spiel die Urteilsverkündung in die Länge ziehen soll, lässt sich nicht beurteilen. Tatsache ist, dass kaum ein Beobachter damit rechnet, dass Christian Olearius am Ende als freier Mann den Gerichtssaal verlassen wird. Die große Frage bleibt bis dahin: Was kommt da auf Scholz zu?



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