Eine globale Deflation scheint immer wahrscheinlicher – mit dramatischen Folgen

Das Geldmengenwachstum ist weltweit bereits eingebrochen. Verbraucher halten sich mit Ausgaben zurück, weil sie fallende Preise erwarten.
Gemüse auf einem Wochenmarkt: Wie werden sich die Preise entwickeln?
Die Inflation trieb die Preise auch bei Lebensmitteln in die Höhe. Derzeit sind Obst und Gemüse wieder günstiger zu bekommen.Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa
Von 31. Mai 2023

Die Weltwirtschaft steuert offenbar auf eine Deflation zu. Derzeit leiden Wirtschaft und Verbraucher noch unter der hohen Geldentwertung. Doch zeigt ein Indikator, dass die Preise bald sogar fallen könnten, schreibt die „Welt“. Demnach tut sich auch bei Aldi und Co. etwas.

Inflation ist immer und überall ein monetäres Phänomen. Dieser Leitsatz Satz stammt vom 2006 verstorbenen Ökonomen und amerikanische Nobelpreisträger (1976) Milton Friedman.  So sei die Teuerung das Resultat eines Überangebots an Geld, bei dem die Geldmenge schneller ansteigt als die Produktion.

Geldmenge in den USA fünfmal in Folge gesunken

Tatsächlich ging der aktuellen Inflation eine kräftige Ausweitung der Geldmenge voraus. Sollte diese Theorie jedoch auch für einen Einbruch der Geldmenge gelten, so könnte die Weltwirtschaft schon bald das Gegenteil einer Inflation – die Deflation – erleben. Das Geldmengenwachstum ist wegen der globalen Zinswende der Notenbanken und der strafferen Geldpolitik weltweit bereits eingebrochen.

In den USA ist die Geldmenge im April bereits zum fünften Mal in Folge gesunken. Einen solchen Rückgang gab es noch nie in der amerikanischen Geschichte, so die „Welt“ weiter.

Demnach sank die Geldmenge M2, die den Bargeldumlauf sowie Bank- und Geldmarktkonten umfasst, im Vergleich zum Vorjahresmonat um 4,6 Prozent auf 20,7 Billionen Dollar. Hingegen wächst M2 in der Euro-Zone noch mit 1,4 Prozent. Allerdings könnte sie bald in negative Bereiche sinken, denn die Dynamik zeigt bereits deutlich nach unten.

Die lockere Geldpolitik der Notenbanken und die umfangreichen Konjunkturprogramme während der Pandemie führten zu einem starken Anstieg der Geldmenge. Der derzeitige Abschwung ist nun das Resultat einer strafferen Geldpolitik, einer geringeren Nachfrage nach Krediten, strengeren Vergabestandards für Darlehen sowie eines Rückgangs der Bankeinlagen.

Weniger Geld im System ist das Zeichen für eine kühlere Wirtschaftstätigkeit und weniger Inflation. Gleichzeitig liegt die Geldmenge M2 auf beiden Seiten des Atlantiks noch deutlich über dem Niveau vor der Pandemie.

Experte erwartet Deflation in einem Jahr

Doch für viele Experten ist das kein Grund zu Entwarnung: „Heute ist meine Sorge nicht, dass die Inflation immer noch zu hoch ist, sondern dass die Inflation unter das Ziel der Notenbanken fallen wird und wir in etwa einem Jahr eine regelrechte Deflation haben werden“, schrieb Don Luskin, Chefanlagestratege bei Trend Macrolytics, kürzlich im „Wall Street Journal“.

„Wir erleben die erste M2-Schrumpfung in der Geschichte der USA, daher können wir vieles nicht vorhersagen“, so Luskin weiter. „Aber es wäre außergewöhnlich, wenn eine solche Schrumpfung nicht zu einer Deflation führen würde, so wie die große Geldmengenausweitung vor zwei Jahren zu einer Inflation führte.“

Ökonomen halten die Deflation für noch gefährlicher als die Inflation. Denn weil die Verbraucher fallende Preise erwarten, halten sie sich mit Käufen zurück. Firmen geben ebenfalls weniger Geld aus, weil sie weniger investieren. Daher würde die Konjunktur einbrechen, was wiederum weiteren Druck auf die Preise ausübt. Eine gefährliche Abwärtsspirale könnte daher die Folge sein.

Derzeit liegt die Inflationsrate in den USA bei 4,9. In Deutschland ist sie mit 7,2 Prozent sogar noch höher. Doch schon in der kommenden Woche könnten neue Preisdaten wahrscheinlich zeigen, dass die Geldentwertung nachlässt.

Handel will Verbraucher entlasten

Für Deutschland rechnen von Bloomberg befragte Ökonomen mit einem Rückgang der Teuerung auf 6,4 Prozent. Insbesondere im Supermarkt dürfte sich die Inflation deutlich verlangsamen. An den Kassen zahlten Verbraucher im April noch 17,2 Prozent mehr als im Vorjahresmonat. Ein gutes Omen ist es laut „Welt“, dass die Preiserwartungen bei Lebensmittel- und Zigarettenfirmen laut einer Umfrage des Ifo-Instituts kräftig gefallen sind.

Und auch der Handel will die Verbraucher entlasten. Während es Lidl, Aldi & Co. in den vergangenen Monaten vorwiegend darum ging, in den Verhandlungen mit den Herstellern Preiserhöhungen aufzufangen, wollen sie jetzt Preissenkungen erzielen.

„Wenn wir Entspannungen auf vereinzelten Rohstoffmärkten sehen, dann handeln wir sehr schnell. Wir waren die Ersten, die vor einigen Wochen die Preise erst für Speiseöl, dann für Käse gesenkt haben. Vor zwei Wochen haben wir Produkte aus dem Nudelsortiment um 20 Prozent dauerhaft reduziert“, zitiert die Zeitung Christian Härtnagel, Deutschlands Lidl-Chef, vergangene Woche.

Obst und Gemüse wieder billiger

Zunächst werben die Händler mit Preissenkungen bei den Produkten, die sie ohne den Umweg über die Lebensmittelindustrie beziehen. Bei Aldi ist das derzeit Obst und Gemüse.

Scheinbar sind solche Preisinitiativen auch mehr als nur Sprüche. Jedenfalls nimmt die Lebensmittelindustrie die Einladungen der Händler zu neuen Gesprächen ernst, die bei den Lieferanten eingetroffen sind. Die Industrie fürchtet offenbar, dass sich die Argumentation mit den Rohstoffkosten, die sie zuletzt als Begründung für steigende Verkaufspreise angeführt hat, bei nunmehr sinkenden Kosten gegen sie wendet.

Die „Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie“ (BVE) warnt bereits vor einer „unangemessenen Forderung nach pauschalen Preissenkungen“. Verbandsvizechef Peter Feller sagt: „Handelsseitig wird versucht, ein Bild zu zeichnen, das fernab von der Realität ist. Die angeführten Preisentspannungen wirken sich in den individuellen Kostenstrukturen der Unternehmen vielfach überhaupt nicht durchgreifend aus.“

Begrenzte Gestaltungsspielräume

So hätten viele Unternehmen langlaufende Rohstoffverträge abgeschlossen. Zudem hätten sie Kostensteigerungen in den vergangenen Monaten nicht vollständig weitergereicht. „Auch dies begrenzt in der gegenwärtigen Situation die finanziellen Gestaltungsspielräume der Hersteller“, sagt Feller.

Allerdings dürfte die Gegenwehr der Hersteller nur von kurzer Dauer sein. Das ließ sich zuletzt auch bei den Kaffeeherstellern beobachten, die sich zu hohen Preisen eingedeckt hatten. Inzwischen lassen sich in den Supermärkten große Rabatte beobachten.

Und so rechnet Trend-Macrolytics-Stratege Luskin auch für Europa mit einer Deflation. „Im Prinzip würde ich das erwarten“, sagte Luskin der „Welt“. Denn auch in der Alten Welt gelte der Friedman-Leitsatz, dass Inflation und damit auch Deflation ein monetäres Phänomen ist.



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